Sonntag Nachmittag auf dem Circuit de Catalunya gehörte ein breites Grinsen zur Standardausrüstung jedes Paddock-Gastes. Nicht wegen des scheinbar übernatürlichen Lewis Hamilton - daran haben wir uns längst gewöhnt. Nein, es war endlich mal wieder Gelegenheit einem echten Underdog zu gratulieren. So wie damals, als Zsolt Baumgartner einen Punkt für Minardi holte, oder Mark Webber beim Debüt gleich Fünfter wurde. Oder als Jean Alesi in seiner letzten Saison mit der Krücke von Prost in Monaco Sechster wurde. Ich habe selbst erlebt, wie der Jubel der Franzosen und Monegassen selbst aus dem 17. Stock noch laut hörbar war, als Jean mit dem Helm unterm Arm zurück ins Fahrerlager ging.

Ganz Japan feierte Taku San., Foto: Sutton
Ganz Japan feierte Taku San., Foto: Sutton

Irgendwie gehören diese Underdog-Momente einfach zum Sport. Und irgendwie sind sie in den letzten Jahren so rar geworden. Die ersten Punkte für Super Aguri sind in Japan eine nationale Angelegenheit. Denn Takuma Sato ist eine nationale Angelegenheit. Die Verehrung, die die Hunderttausenden Fans in Suzuka ihm immer entgegengebracht haben, grenzt an die Schumi-Hysterie in Deutschland. Nur etwas leiser... Der Sato-Fan tritt in Japan immer in Gruppen von mindestens 20 Personen auf. In Summe haben sie den Gegenwert eines Kleinwagens für Merchandise und Tickets ausgegeben, bevor sie auch nur in die Nähe des Leibhaftigen kommen.

Wenn sie das seltene Glück haben, ihn persönlich erspähen zu können, tritt augenblicklich Unruhe ein. Ein Schieben und Ziehen und eine Mauer von "Ooohs" und "Aaaaahs" endet in japanischer Tradition einen Meter vor Sato-San. Also "Herr Sato", denn eine Verunglimpfung wie "Schumi" ist nicht opportun.

Was ich damit zum Ausdruck bringen will: Sato ist nicht Japaner, Sato ist Japan in der Formel 1. Wer hätte es sonst fertig gebracht, extra ein Team gegründet zu bekommen, nur um nicht das Gesicht zu verlieren? Taku ist quasi der Nationalrennfahrer. Der japanische Abgesandte im fernen Europa. Der Staatsbeamte. Und er hat ein paar junge Landsleute in der Formel 1 auch schon wieder überlebt: Ide, Motoyama, Yamamoto zum Beispiel. Super Aguri hat sich die Sympathien des gesamten Fahrerlagers redlich erarbeitet und ich kenne keinen außer den Spyker-Jungs, die neidisch wären.

Doch wie gut ist Sato wirklich? Die Formel 1 ist viel zu kurzlebig, und ebenso das Gedächtnis vieler Berichterstatter. Noch vor drei Jahren fuhr er im damals zweitbesten Team des Feldes. Immerhin ein Podestplatz in Indy war das Ergebnis. Im direkten BAR-Honda-Vergleich stand Button aber im selben Zeitraum zehn Mal öfter auf dem Podium. Und wie alt der im Moment aussieht kann jeder Formel 1-Fan selbst am besten beurteilen. Ich halte ihn für extrem fit, aber nicht sehr stark im Kopf. Sato ist keiner wie Räikkönen, für den das Rennfahren die einzige Chance war, aus der Plumpsklo-Barracke im finnischen Hinterland wegzukommen. Taku kommt aus einem begüterten Elternhaus. Und kämpfen musste er Zeit seines Rennfahrerlebens am meisten gegen sich selbst.

Takuma Sato kennt nur eine Richtung: aggressiv nach vorne., Foto: Sutton
Takuma Sato kennt nur eine Richtung: aggressiv nach vorne., Foto: Sutton

Eddie Jordan hat mir mal erzählt, er sei wahnsinnig froh, einen guten Versicherungsdeal abgeschlossen zu haben, denn Taku sei mit Sicherheit der Fahrer mit den größten Dollar-pro-Kilometer-Kosten der Geschichte. Im Red Bulletin, der bekannt bissigen, ironischen Fahrerlagerzeitung war heuer ein Psychogramm einiger Formel 1-Piloten zu lesen. Auf einem illustrierten Querschnitt des Gehirns von Takuma Sato stand sein vorherrschendes Denkmuster zu lesen: AGRRESSION - OVERTAKING - APOLOGIZE!

Diesen Ruf wird er auch so rasch nicht mehr los. Auch unter seinen Kollegen. Ein ehemaliger flüsterte mir mal nach dem Umbau von Hockenheim zu: "Da steht jetzt eine Mauer ganz nah an der Strecke, genau in der Falllinie. Wenn Du dort neben einem Sato liegst, kannst Du sehr schnell tot sein."

Die einzige Frage, die mir allerdings noch unklar ist: Warum lässt sich Honda von Super Aguri mit den Vorjahresautos öffentlich so demütigen? Angesichts der miserablen Performance des A-Teams liegt eine Panikreaktion förmlich in der Luft. Wer weiß? Sind am Ende nicht nur die Sympathien von Tokio sondern auch schon die besten Leute auf dem Weg zu Aguri?