Wer Weltmeister werden will, muss dafür kämpfen. Sollte das einer der vier Titelanwärter bislang noch nicht gewusst haben, dürfte es ihm spätestens seit dem Start in den Spanien GP klar sein. Mit einem Punktegleichstand gingen Fernando Alonso, Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen in das vierte Saisonrennen. Nur Felipe Massa lag etwas abgeschlagen auf WM-Rang 4. Nach dem Rennwochenende gibt es eine eindeutige Reihenfolge: ausgerechnet der Rookie Lewis Hamilton führt die WM vor Titelverteidiger Fernando Alonso und Felipe Massa an. Kimi Räikkönen erlebte mit einem Elektronikdefekt einen herben Rückschlag.

Nach der ersten Kurve war Massas Sieg ungefährdet., Foto: Sutton
Nach der ersten Kurve war Massas Sieg ungefährdet., Foto: Sutton

Wie hart schon zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison gefightet wird, zeigt diese Aussage von Felipe Massa: "Es war sehr eng, ich musste Risiken eingehen, denn ich wollte keine Position verlieren." Massa wollte nicht schon wieder Prügel beziehen wie zuletzt nach seinem Fehler in Malaysia. Er wollte sich wichtige WM-Zähler sichern. Dafür riskierte er auch eine Startkollision mit seinem Titelgegner Alonso. "Ich war innen und habe draufgehalten, um meine Position zu verteidigen." Der Leidtragende war Alonso, der über das Kiesbett ausweichen musste und sich sein Auto leicht beschädigte. "Ja, wir haben uns berührt", bestätigte Massa. "Fernando wollte mich nach innen abdrängen, es gab einen leichten, aber spürbaren Kontakt."

Während Massas Auto unbeeinträchtigt blieb, war Alonsos McLaren danach schwierig zu fahren. "Meine Siegchance verflüchtigte sich schon in der ersten Kurve", klagte Alonso. "Ich kam am Start gut weg, konnte Felipe angreifen und war schon eine halbe Wagenlänge vorne als wir uns berührten. Wir hatten Glück, dass wir beide das Rennen beenden konnten; in 99% der Fälle fliegen in so einer Situation beide raus. Das war schon gefährlich." McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh versuchte die Wellen zu glätten. "Wir konnten Massa nicht schlagen, so lange wir ihn in der ersten Kurve nicht überholten", wusste er schon vorher. "Das Manöver war sehr robust. Wenn man aus so einer Aktion herauskommt, ist sie akzeptabel, wenn man in der Wiese landet, denkt man, dass es zu viel war. Aber so ist Motorsport."

Und so wird es in den ausstehenden 13 Rennen weitergehen. Vier Fahrer haben Siegchancen und vier Fahrer haben alle Chancen auf den Weltmeistertitel. "Wir kennen die Zutaten für einen erfolgreichen WM-Kampf und zweimal haben wir sie bislang in dieser Saison nicht zusammenbekommen", weiß Jean Todt aber auch, was sich Ferrari nicht mehr leisten darf - technische Defekte. "Wegen dieser liegen wir trotz drei Siegen und vier Poles nur auf Platz 2." Nicht nur für Massa ist die Zuverlässigkeit der Schlüssel. "Unser Performance-Level ist ohne jede Frage sehr gut", so Ferrari-Technikchef Mario Almondo. "Aber mit der Zuverlässigkeit sind wir natürlich nicht zufrieden." Daran werde man jetzt arbeiten. Bei McLaren ist man sich seines Vorteils durchaus bewusst. So betonte Whitmarsh, dass man jetzt nicht blind alles am Auto verbessern dürfe, nur um Ferrari vielleicht schon in Monaco zu überflügeln. "Wir dürfen unsere Zuverlässigkeit dabei nicht aufs Spiel setzen." Wer Weltmeister werden will, muss eben an allen Fronten kämpfen.

Die sieben Fragezeichen

McLaren war nur in der Verfolgerrolle., Foto: Sutton
McLaren war nur in der Verfolgerrolle., Foto: Sutton

Warum war Ferrari nicht so schnell wie bei den Tests?
Diese Frage stellten sich viele Beobachter. Ferraris Chefrenningenieur Luca Baldisseri löste das Geheimnis, das dann aber doch gar nicht so geheim war: "Zum einen waren die Streckenbedingungen am Freitag im Vergleich zu den Testfahrten komplett anders, und wir hatten ein paar Probleme, um uns darauf einzustellen.". Außerdem habe die Performance während der Freien Trainings stark vom Programm der einzelnen Teams abgehängt. "Und wir sind immer davon ausgegangen, dass die anderen leichter als wir waren."

Warum war Fernando Alonso langsamer als die Konkurrenten?
Nach dem Qualifying waren sich alle sicher: Lewis Hamilton hat mehr Sprit im Tank als Fernando Alonso. Warum konnte der Spanier dann nicht mit Kimi Räikkönen und später seinem Teamkollegen Hamilton mithalten oder diese gar überholen? Teil 1 der Frage lässt sich durch die Kollision in Kurve 1 erklären. Obwohl Räikkönen in der Anfangsphase schwerer als Alonso war, konnte der Spanier mit dem havarierten MP4-22 nicht vorbeigehen. Seinem ebenfalls um einige Kilo schwereren Teamkollegen konnte er im Mittelteil des Rennens wegen eines Fehlers des Teams nicht folgen. "Fernando war im 2. Stint auf den falschen Reifen, das war ein kleiner Nachteil", erklärte Martin Whitmarsh. "Unsere Stints waren allgemein ein bisschen zu lang, wir hatten 7 Runden mehr Sprit im Tank." Und all das in einer kritischen Phase des Rennens. "Wir hatten ein beschädigtes Auto mit den falschen Reifen und ein Auto mit dem falschen Reifendruck", nannte Whitmarsh auch noch einen Fehler an Hamiltons Auto.

Was löste das Feuer bei Massas Boxenstopp aus?
Feuer in der Ferrari-Box, das kennen die Tifosi noch aus Österreich. Damals wie heute siegte der angebrannte Ferrari. Die Roten spielten den Vorfall herunter; Massa wollte hinterher gar nichts bemerkt haben und Mario Almondo sagte: "Das waren nur ein paar Tropfen Benzin", die man schnell gelöscht habe. Noch wisse man nicht, wie es dazu kommen konnte, aber man werde das natürlich genau untersuchen.

Was ging bei den Renault-Boxenstopps schief?
Auch bei Renault steigt man nach Barcelona groß in die Tankanlagenuntersuchung ein. Denn diese streikte bei beiden Fahrern. "Das Problem tauchte bei beiden Autos auf, auch mit getauschten Tankanlagen, und das ist mehr als ein Zufall", betonte Chefingenieur Pat Symonds, der danach umdenken musste. Kovalainen wurde von zwei auf drei Stopps umgestellt, Fisichella musste einen zusätzlichen Boxenstopp am Ende einlegen. "Bei Giancarlo trat das Problem beim zweiten Nachtanken auf - seinem eigentlich letzten Stopp. Wir mussten ihn schlicht noch einmal hereinholen, eine Umstellung seiner Strategie war nicht mehr möglich", so Symonds.

Bei Kovalainen trat das Problem sogar zweimal auf. "Bei meinem ersten Boxenstopp habe ich Benzin für zehn Runden zu wenig bekommen, bei dem zweiten Stopp noch mal für acht Runden zu wenig", erzählte Kovalainen. "Fakt ist, dass wir heute bei insgesamt drei Stopps Probleme mit den Tankanlagen hatten - keine unserer Anlagen funktionierte ordnungsgemäß", bestätigte Alan Permane.

Hier war noch alles in Ordnung. Doch dann kam der erste Stopp..., Foto: Sutton
Hier war noch alles in Ordnung. Doch dann kam der erste Stopp..., Foto: Sutton

Was war das Problem bei Heidfelds Boxenstopp?
Und noch einmal Boxenprobleme: eigentlich war es ein ganz normaler Boxenstopp für Nick Heidfeld. Er bekam das Zeichen loszubrausen und plötzlich brach das Chaos über BMW Sauber herein. "Das Rad vorne rechts war nicht fest", so Heidfeld. "Es sah so aus, als ob die Freigabe zu früh erfolgt ist", fügte Mario Theissen hinzu. "Vorne rechts war der Schlagschrauber noch drauf, deshalb war die Radmutter nicht fest und ist davon gerollt."

"Wir müssen schauen, wie das passiert ist. Anscheinend hat es mein Team nicht gesehen", sagte Nick weiter. "Ich habe gewartet und gewartet und gewartet... Ich dachte, dass sie mich zurückschieben, aber als das nicht geschah, bin ich wieder losgefahren." In der Hektik fragten sich die Verantwortlichen, ob die davon geflogene Radmutter jene vom aktuellen Reifen war oder die vom vorherigen, die beim Wechsel heruntergefallen war. "Deswegen war die Reaktion nicht perfekt", gestand Theissen.

Was passierte beim Unfall Wurz/Schumacher?
Alex Wurz hatte einen guten Start und lag hinter Ralf Schumacher. "In Kurve 10 musste Ralf dann lupfen oder bremsen, leider hing ich genau in seinem Getriebe", schilderte Wurz. "Ich hatte keine Chance, etwas zu tun. Das war ein unglücklicher Unfall." So sah es auch Ralf. "Es ist schade und ärgerlich, aber es war eine Rennsituation - da konnte niemand etwas dafür."

Warum musste Coulthard doppelt zittern?
David Coulthard sah den fünften Platz und die ersten Saisonpunkte schon vor sich, als sich der dritte Gang in seinem RB3 verabschiedete. Von da an musste er sich in den Schlussrunden mit den Gängen vier bis sechs begnügen. "Das hat mich im letzten Sektor Zeit gekostet, aber ich war im ersten immer noch schnell", sagte der Schotte, der danach Besuch von hinten bekam. "Mir hat man schon gesagt, dass ich die Motorleistung herunter drehen soll, weil ich Rosberg nicht mehr hätte einholen können", beschrieb Heikki Kovalainen die letzten Runden. "Bald darauf habe ich dann über Funk gehört, dass Coulthard Probleme hat. Und so habe ich die Leistung wieder hoch gedreht, aber das hat dann nicht mehr gereicht." Den gleichen Funkspruch erhielt auch Nico Rosberg vor ihm. "Ja, push, push, push. Am liebsten würde ich da zurückfunken: 'Was glaubt ihr, was ich tue?'"