Worum geht es?

Es stehen zwei Teams am Pranger: Super Aguri und Toro Rosso. Den Japanern wird vorgeworfen, dass ihr SA07 eine weiterentwickelte Kopie des letztjährigen Honda RA106 ist; also jenes Boliden mit dem Jenson Button den Ungarn GP gewann. Toro Rosso wird vorgeworfen, dass sie das gleiche Chassis wie das Schwesterteam Red Bull Racing verwenden. Der STR2 soll eine Kopie des RB3 sein. Beides ist in dieser Saison noch verboten, erst im kommenden Jahr sollen Kundenchassis erlaubt werden.

Wer sind die Kläger?

Im Vorfeld des Saisonstarts waren Spyker und Williams sich einig. In Melbourne hielt sich Williams allerdings aus den öffentlichen Diskussionen heraus. Nur Spyker blieb auch offiziell bei seiner Meinung.

Was sagen die Regeln?

Hier müssen wir zwei Dinge unterscheiden: das FIA-Reglement und das Concorde Agreement. Artikel 6.3 des Sportlichen Reglements der FIA besagt, dass ein Motoren- oder Chassishersteller die geistigen Urheberrechte besitzen muss. Abschnitt 3 des Concorde Agreements definiert einen Konstrukteur als eine "Person, welche die geistigen Urheberrechte eines Chassis besitzt, das sie derzeit einsetzt, und in dem keine Teile von einem anderen Konstrukteur von F1-Autos designt oder hergestellt wurden."

Was sagen die Betroffenen?

Super Aguri, Honda, Toro Rosso und Red Bull haben jeweils eine klare Meinung - sie sehen sich nicht schuldig. Ihre Begründung: die Urheberrechte an den Autos liegen nicht beim jeweiligen Schwesterteam. Im Fall Red Bull bedeutet dies, dass der STR2 und der RB3 von Red Bull Technologies designt und an die beiden Teams verkauft worden sei. Das ist eine Konstruktion, die man so von Jaguar übernommen hätte. Designer Adrian Newey ist seit einiger Zeit auch nicht mehr bei Red Bull Racing, sondern bei Red Bull Technologies angestellt. Genauso hat auch Toro Rosso-Technikchef Alex Hitzinger eine Rolle bei der Scuderia und eine bei Red Bull Technologies. Bei Honda ist das Konstrukt ähnlich: Man sagt, der SA07 sei unter der Mithilfe von Honda Japan entstanden - und somit keine Kopie des RA106 des britischen Werksteams.

"Aus unserer Sicht ist alles klar", sagt Gerhard Berger. "Unsere Rechtsabteilung hat es sich genau angeschaut und mit der FIA abgeklärt. Wir machen alles 100% innerhalb des Concorde Agreement. Wenn jemand eine andere Meinung hat, dann ist das okay. Aber man sollte nicht Williams oder Spyker fragen, ob es richtig oder falsch ist - denn als Konkurrent sagen sie natürlich nein. Das gehört zum Geschäft."

"Die FIA und unsere Anwälte haben uns bescheinigt, dass unsere Interpretation richtig ist und wir das Projekt so fahren dürfen", bestätigte Franz Tost. "Wenn jemand das anders sieht, können wir ihn nicht daran hindern. Wir haben für unseren Teil aber alles gemacht, um das Reglement einzuhalten."

Wo liegen die Nachteile?

Für Spyker und Williams liegt die Antwort auf der Hand: Sie haben jeweils einen Konkurrenten im Kampf um Positionen und Punkte mehr. Mario Theissen befürchtet aber noch größeres Übel. "Die ursprüngliche Idee war einem kleinen, neuen Team die Einstiegsschwelle in die F1 zu erleichtern, das kann man prima mit einem Vorjahresauto machen, zum Beispiel für einen Zeitraum von maximal drei Jahren."

Was Theissen und einige andere kritisch sehen, ist gar nicht die Nutzung eines gekauften Chassis, sondern die Möglichkeit eines Herstellers ein anderes Team zu kontrollieren. "So könnten wir relativ schnell 6 Herstellerteams mit je einem Wasserträgerteam am Start haben. Das wäre nicht gut für den Sport." BMW beobachtet die Situation genau. Müsste man notfalls selbst ein zweites Team kaufen? "Ich wünsche es mir nicht", betont Theissen. "Aber wir beobachten auf jeden fall die Situation und schauen, ob es einen Vorteil bringt."

Was sind die Vorteile?

Mehr konkurrenzfähige Rennställe sorgen für mehr Spannung, interessantere Rennen, mehr Action auf der Strecke und solche Überraschungen wie sie Super Aguri im Qualifying in Melbourne vollbrachte. Wer freut sich nicht gerne mit den kleinen, wenn diese mit einem Bruchteil des Budgets und dem Vorjahresauto das große Werksteam schlagen?

Was ist bisher passiert?

Über den Winter wurde pausenlos diskutiert, gedroht und abgewiegelt. Nach dem ersten Qualifying des Jahres kam es dann zum Protest. Spyker legte Protest gegen den SA07 ein - nicht gegen Toro Rosso, da dies ein anderer Fall sei. Der Protest wurde von den Rennstewards allerdings nicht akzeptiert. Dafür hätte er in diesem Fall bis spätestens zwei Stunden nach dem Scrutineering erfolgen müssen. Da der SA07 erst Mittwochmittag vorgestellt wurde, konnte Spyker diese Deadline nicht einhalten. Zudem betonten die Stewards, dass dieser Fall nicht das FIA-Reglement betreffe, sondern die Definition des Konstrukteursbegriffs aus dem Concorde Agreement, also jenem Vertrag, den alle F1-Teams unterschrieben haben.

Was kommt jetzt?

"Wenn jemand Probleme mit der Legalität eines der Autos hat, dann gibt es dafür Maßnahmen wie die Arbitration", sagt Ron Dennis. "Wenn jemand also ein Problem hat, sollte er die verfügbaren Maßnahmen einleiten, das würden wir genauso machen."

Dieser Aufforderung kommt Spyker nun nach. Man behält sich zwar vor rechtzeitig nach dem Scrutineering in Malaysia Protest gegen den SA07 einzulegen, aber gleichzeitig will man vor ein Schiedsgericht ziehen. Gerhard Berger hatte mit diesem Weg schon vor ein paar Wochen kein Problem. "Bei jedem Reglement gibt es verschiedene Interpretationen", sagte er. "Sie interpretieren es anders als wir." Deshalb brauche man eine dritte Partei, um es zu entscheiden. "Wenn das nicht reicht, dann geht es vor Gericht. Wir hätten damit kein Problem." Dennoch hätte Teamchef Franz Tost einen anderen Weg bevorzugt. "Eine Verhandlung ist immer unangenehm, weil man nie weiß, wie entschieden wird, aber wir haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt."

Die juristischen Schritte sollen neben Super Aguri und Toro Rosso auch Red Bull Racing erfassen und das Thema des STR1 behandeln, den Vorjahreswagen von Toro Rosso. "Unsere Anwälte arbeiten daran", sagte Kolles. "Wir haben starke Argumente." Trotzdem könnte alles noch außergerichtlich geregelt werden, wenn Super Aguri und Toro Rosso einen Kompromissvorschlag akzeptieren. Bernie Ecclestone soll deren schon vier gemacht haben. Kolles wäre aber nur zufrieden, wenn die beiden fraglichen Teams keine Konstrukteurspunkte erhalten würden oder ihre TV-Gelder teilen - denn in seinen Augen sind sie keine Konstrukteure im Sinne des Concorde Agreements.

Fortsetzung folgt...