Müsste man den optimalen Namen für einen Rennfahrer erfinden, würde man sehr bald bei "Scott Speed" landen - es gibt keinen besseren Namen für einen Autorennfahrer. Immer noch wollen es viele Menschen nicht glauben, dass in der Formel 1 tatsächlich einer fährt, der Scott Speed heißt. Und der auch wirklich so heißt. Aber es gibt ihn - und zurzeit bestreitet er gerade sein Heimspiel, das erste volle Grand Prix-Wochenende auf dem legendären Indianapolis Speedway.

Wer ist dieser Scott Speed? Die Fakten: Geboren am 24. Januar 1983 in Manteca, Kalifornien. Einstieg in den amerikanischen Kartsport mit 10 Jahren, zwei Jahre später der erste nationale Kart-Titel. In der Folge verschiedene weitere Titel und Trophäen im Kartsport. Im Jahr 2001 wechselt er in den Formelsport und wird sogleich Champion in der Russell Racing-Serie. Im Jahr darauf gewinnt er die Red Bull Driver Search, bestreitet die nationale Barber Dodge Serie sowie die Formel Mazda. 2003 der Wechsel nach Europa - Speed fährt in der britischen Formel 3, 2004 wird er deutscher und europäischer Formel Renault Champion, 2005 wird er Dritter in der GP2-Serie und testet für Red Bull Racing in der Formel 1. 2006 bestreitet er bei der Scuderia Toro Rosso seine erste volle Grand Prix-Saison.

Freches Image, nachdenklicher Kern

Soweit die Facts. Dazu kommt sein Image als vorlauter, mitunter sympathisch frecher Typ, der sich nichts vorschreiben lässt. Am Saisonbeginn sagte er: "Ich bin mit meiner Überheblichkeit bislang am besten gefahren." Und: "Ich sage einfach was ich mir denke." Und so hat Scott Speed auch kein Problem damit, in Amerika, bei seinem Heim-GP, öffentlich zu erklären, dass seiner Meinung nach die europäischen Rennserien "mehr Wettbewerb" aufweisen würden. Er hat kein Problem damit, in Amerika jungen Piloten zu empfehlen, nach Europa zu gehen. Speed pfeift auf Höflichkeiten und Konventionen. Und wenn er verärgert ist, lässt er seinem Ärger freien Lauf - was David Coulthard bereits erlebt hat. Doch es gibt noch einen weiteren Scott Speed, den nicht so viele Menschen kennen. Erstens einen hart an sich selbst arbeitenden Scott Speed. Und zweitens einen nachdenklichen Scott Speed...

Cooles Image - Scott Speed, wie ihn viele kennen., Foto: Sutton
Cooles Image - Scott Speed, wie ihn viele kennen., Foto: Sutton

Auf seiner Website setzt sich Scott für die Crohn's & Colitis-Foundation ein - und erzählt von seinem eigenen beinharten Leidensweg. Kolitis bedeutet so viel wie eine Dickdarmentzündung. Speed erzählt: "Am Beginn des Jahres 2003 wurde bei mir eine eiternde Kolitis diagnostiziert - was dazu führt, dass es innere Blutungen gibt und die Organe an Funktionalität verlieren - es handelt sich dabei um eine chronische Erkrankung. Das Resultat ist ein Verlust an Nährstoffen, unkontrollierbare Blutungen und der Verlust der Darm-Kontrolle." In diesem Jahr fuhr Scott in der britischen Formel 3 - doch zur Saisonmitte war er bereits so geschwächt, dass er sich dazu entschloss, nach Amerika zurückzukehren. Doch die Medikamente, die er erhielt, wirkten nicht.

Speed kehrte wieder nach Europa zurück. Dort bestritt er das letzte Rennen der britischen Formel 3 - vor allem aber suchte er in Österreich Spezialisten auf. Vom Dezember 2003 bis in den Sommer 2004 lief es viel besser - Speed war erfolgreich, die Krankheit störte ihn nur noch in abgeschwächter Form. "Ich konnte mir zu der Zeit einen Namen in Europa aufbauen", schreibt Speed.

Wenn das Ende droht

Doch nach seinem Formel Renault-Doppelsieg in Brünn erfährt Scott im Red Bull-Trainingscenter eine böse Nachricht - seine Blutwerte sind derart schlecht, dass man ihm eine Transfusion vorschlägt. Man entscheidet, einen weiteren Spezialisten in Wien aufzusuchen. "Das war sehr hart. Er sagte mir, dass ich ein grobes Problem hätte und dass sich meine Krankheit bereits über die gesamten Eingeweide ausgeweitet habe. Er riet mir darüber nachzudenken, meinen Dickdarm operativ entfernen zu lassen - dann hätte ich eine Art Tasche am Bauch tragen müssen. Oder ich solle meine Rennfahrerkarriere beenden, um den Stressfaktor zu minimieren. Glücklicherweise entschloss sich der Arzt dann doch, ein neues Medikament auszuprobieren."

Siege 2004 - dazu ein ganz besonderer, weiterer Sieg., Foto: Sutton
Siege 2004 - dazu ein ganz besonderer, weiterer Sieg., Foto: Sutton

Nach nur einem Monat sprach Scott auf das Medikament an: "Ich fühlte mich so gut wie schon lange nicht, ich hatte wieder die Kontrolle über meinen Darm erlangt und auch die Blutungen gab es nicht mehr. Von diesem Moment an musste ich mir keine Sorgen mehr darüber machen, ob ich es noch rechtzeitig ins Badezimmer schaffen würde. Mein einziger Fokus war dann, meine Rehabilitation zu fördern und mich für die Formel 1 zu stärken."

Speed sagt: "Nach zwei Jahren mit dieser Krankheit wieder so weit zu kommen, dass ich in der Lage war, GP2-Rennen und F1-Tests zu bestreiten war ein langer und sehr harter Weg. Ich bedanke mich bei allen, die mir dabei geholfen haben." Er wird wohl einen Grund dafür haben, dass er seine Leidensgeschichte veröffentlicht hat. Dieser andere Scott Speed, abseits von dem frechen, coolen Typen, hat nicht aufgegeben, hat Dinge erlebt, die für andere Menschen gar nicht vorstellbar sind - unsagbare Schmerzen inklusive. Auf seiner Website steht nichts davon, dass man nicht aufgeben soll, dass es sich lohnt, zu kämpfen und so weiter - allein die nüchterne Schilderung dieses harten Weges, mit den Höhen und den fürchterlichen Tiefschlägen, könnte ein paar Menschen, die sich vielleicht gerade in einer ähnlich schlimmen Situation befinden, neuen Mut geben.