In Monaco ist das Qualifying wichtiger als das Rennen. Diese Weisheit gilt schon lange in der Formel 1-Welt. Und obwohl Michael Schumacher auch vor dem Monaco GP an seinem Leitsatz festhielt, dass die Strategie wichtiger als das Qualifying sei, dürfte auch er mittlerweile einsehen, dass ein guter Startplatz an der Spitze gar nicht einmal so schlecht ist...

"Die Enttäuschung von gestern ist nach wie vor vorhanden - gerade nach dem, was heute im Rennen möglich war", spielte er auf seine schnellste Rennrunde an. Ohne den Start aus der Boxengasse hätten sich die Roten also einen solchen Sieg vorstellen können, wie ihn Fernando Alonso von der geschenkten Pole Position einfuhr. Aber dem stand etwas im Weg...

Der Parkplatz in Rascasse

La Rascasse - nach der Grand Hotel und früheren Loews-Kurve eine der langsamsten Kurven des F1-Rennkalenders. Vor einigen Jahren war diese Stelle noch für viele Dreher bekannt. Heute ist sie es wegen der teuren Café-Plätze hinter Gitter sowie dem wohl am meisten Imageschädigenden Parkmanöver der F1-Geschichte.

Einparken einmal anders..., Foto: Sutton
Einparken einmal anders..., Foto: Sutton

Es war kurz nach 15:00 Uhr am Samstagnachmittag. Das Qualifying zum Großen Preis von Monaco lag in den letzten Zügen - Michael Schumacher führte die Zeitenliste noch an. Aber alle seine Konkurrenten waren, genauso wie er, noch einmal auf einer schnellen Runde unterwegs. Die Anzeichen standen auf ein Herzschlagfinale - mit negativem Ausgang für den Deutschen. Während seine Rivalen Bestzeiten in den ersten Sektoren vorlegten, fehlte ihm im letzten Sektor ein Zehntel.

Dann der Fehler: Schumacher verpasste den Einlenkpunkt in der Rascasse und beschwor in der vorletzten Kurve eine Gelbphase herauf - die Runden der Konkurrenten waren zerstört: Schumacher hatte die Pole quasi im Stand errungen!

"Ich habe in Kurve 18 ein bisschen überbremst. Ich war zu schnell und bin in der Kurve raus getragen worden. Hier ist alles so eng und der kleinste Fehler verursacht solche Situationen." Damit schien die Angelegenheit für Michael Schumacher erledigt zu sein. Die Rennstewards sahen das allerdings anders: Nach einer achtstündigen Beratung und Analyse des Datenmaterials entschieden sie, dass Schumacher alle Qualifying-Zeiten wegen einer absichtlichen Behinderung der Konkurrenten gestrichen würden. Das Resultat: Startplatz 22.

"Ich war überrascht, dass die FIA überhaupt den Mut hatte, ihn zu verurteilen", sagte Marc Surer. "Sie wollten ein Exempel statuieren. Wenn man Fisichella drei Zeiten streicht, dann musste es hier bei einer Verurteilung eine Steigerung geben - und das war eben ganz nach hinten."

Aber wie kam es nun zu dieser Szene, die Michael Schumacher oben noch relativ einfach schilderte? "Er fährt in die Kurve hinein, das Auto übersteuert, er lenkt gegen und fängt das Auto wieder ab", beschreibt Niki Lauda seine Sicht der Parkplatzsuche. "Jetzt hätte er nur nach rechts lenken müssen, da die Geschwindigkeit bereits abgebaut war und das Auto nicht rutschte. Er hat aber nach rechts, dann wieder gerade und dann wieder ein bisschen nach rechts gelenkt - und das alles im Schneckentempo."

Somit war für Lauda "vom ersten Moment" an klar, was da los war. "Er wollte die Strecke blockieren - hat es aber so blöd gemacht, dass er nicht angeschlagen ist. Denn sonst hätte er zumindest sagen können, er habe einen Fehler gemacht."

Schumachers Startplatz blieb frei., Foto: Sutton
Schumachers Startplatz blieb frei., Foto: Sutton

Zu einem gewissen Grad kann der Ex-Weltmeister dieses Vorgehen sogar verstehen. "Rennfahrer müssen von Geburt an egozentrische Typen sein, die mit allen Mitteln gewinnen möchten. Das ist das Grundprinzip eines Rennfahrers", sagt Lauda. "Da schließe ich mich nicht aus. Früher konnten wir viele Tricks machen, da die Fernsehübertragungen nicht gut genug waren, um uns etwas nachzuweisen."

Allerdings versteht Lauda nicht, warum Schumacher so etwas "nötig" hatte. "Als siebenfacher Weltmeister sollte er über all diesen Dingen stehen. Das schlimmste was ihm hätte passieren können, wäre ein zweiter oder dritter Platz gewesen. Von dort hätte er noch immer gewinnen können."

Tatsächlich sagte Michael Schumacher noch vor dem Rennwochenende: "Ich sehe das Qualifying hier nicht als so wichtig an - man kann hier auch von Startplatz 4 oder 5 noch gewinnen." Enttäuscht ist Lauda von dieser Aktion nicht. "Mich enttäuscht in der Formel 1 nichts mehr. Ich bin nur enttäuscht, wie blöd er es gemacht hat."

Marc Surer hätte Schumacher eine solche Aktion ebenfalls "nicht mehr" zugetraut. "Früher hat er solche Tricks gemacht, aber ich glaube es war so ein Reflex: Wenn ich die Runde nicht schaffe, ist meine Pole weg." Nun ist zumindest vorerst sein guter Ruf weg: "Er beendet seine Karriere wohl genauso, wie er sie begonnen hat."

Rennalyse: Ein ganz normaler Monaco GP

Die Geschichte des Rennens ist schnell erzählt: Dank der überholfeindlichen Streckencharakteristik konnte sich Fernando Alonso im Kampf gegen den scheinbar schnelleren Kimi Räikkönen behaupten. Als dieser sich mit einem rauchenden Heck aus dem Rennen verabschiedete, konnte der WM-Spitzenreiter seelenruhig zu seinem vierten Saisonsieg cruisen.

Spannung gab es derweil im Mittelfeld: Dort kämpften sich Michael Schumacher und Giancarlo Fisichella mit sehenswerten Manövern durch das Feld. Vor allem der Italiener legte einen mächtigen Zwischenspurt mit mehreren Überholmanövern innerhalb weniger Runden ein.

Die Podestplätze neben Alonso schienen derweil verflucht zu sein: Räikkönen, Webber, Trulli und auch Barrichello scheiterten wegen technischer Defekte oder einer Durchfahrtsstrafe an einem verdienten Podestplatz. So war es am Ende David Coulthard, der sich zum echten Supermann des Wochenendes krönen durfte.

Teamanalyse: Nicht nur die üblichen Verdächtigen

Alonso fuhr zu einem sicheren Sieg., Foto: Sutton
Alonso fuhr zu einem sicheren Sieg., Foto: Sutton

Renault Die Franzosen hatte vor dem Rennen jeder auf der Rechnung. Entsprechend war der Sieg von Fernando Alonso keine große Überraschung. Was im ganzen Schumacher-Rummel etwas unterging: Die Bestrafung von Giancarlo Fisichella (dem die besten drei Qualifying-Zeiten gestrichen wurden) kostete Renault einen möglichen Doppelsieg. Denn wie stark Fisichellas Speed war, bewies der Italiener auf seiner Aufholjagd. Andererseits war es fast schon wieder typisch, dass ausgerechnet er nicht die Ansprüche des Teams erfüllen konnte.

Ferrari Wie stark Ferrari wirklich war, lässt sich nur anhand der schnellsten Rennrunde von Michael Schumacher ablesen. Ob es zum Sieg gereicht hätte, bleibt für ewig ungeklärt - angesichts der wenigen Überholmöglichkeiten bei gleichschnellen Autos, hätte die Pole aber wohl dafür gereicht. Statt eines Sieges, gab es ein rabenschwarzes Wochenende für die Roten. Denn neben dem großen Aufruhr und der Strafe, komplettierte Felipe Massas Unfall im Qualifying das enttäuschende Resultat der Scuderia.

McLaren In Monaco kommt es weniger auf die aerodynamische Effizienz als auf die inneren Werte eines Rennautos an. Deshalb erhoffte sich McLaren Mercedes schon vor dem Wochenende einen Aufwärtstrend. Dieser bestätigte sich vom ersten Tag an - allerdings sorgte die mangelhafte Zuverlässigkeit bei Kimi Räikkönen abermals für einen Ausfall. Der Speed für den Sieg war aber vorhanden - zumindest in Monaco. Wie es auf einer 'richtigen' Rennstrecke aussieht, wird sich in zwei Wochen in Silverstone herausstellen.

Button zog den Kürzeren gegen Barrichello., Foto: Sutton
Button zog den Kürzeren gegen Barrichello., Foto: Sutton

Honda Honda hatte sich vor dem Wochenende ebenso viel wie McLaren vorgenommen. Doch bei den Weißen lief es nicht rund: Beiden Piloten fehlte der Speed, wobei sich der Trend fortsetzte, dass Barrichello klar besser als Button war. Am Ende hätte der Brasilianer sogar einen Podestplatz stehlen können, aber ein Fehler beim Betätigen des Pitlimiter-Knopfes kostete ihn sein erstes Honda-Podium.

BMW Sauber Auch unter dem neuen Namen setzte das Team die eher mäßigen Monaco-Leistungen der Sauber-Truppe fort. Umso erfreuter waren Nick Heidfeld und Mario Theissen darüber, am Ende doch noch zwei Punkte mitnehmen zu dürfen. Aus eigener Kraft hätten sie den Sprung in die Punkteränge aber nicht geschafft. Dafür fehlte es Sauber eindeutig an Performance.

Williams Bei Williams schlug in Monaco das altbekannte Syndrom zu: Das Auto ist schnell, aber unzuverlässig. Beide Fahrer fielen wegen einer schlechten Hitzedämmung am Auspuffsystem aus. Übrigens war dies ein ähnliches Problem, wie es Kimi Räikkönen an seinem MP4-21 heimsuchte. Von der schlechten Standfestigkeit abgesehen, hätten sich Mark Webber und Nico Rosberg aber WM-Punkte verdient gehabt. Der Australier lag sogar auf einem sicheren zweiten Platz, als ihm sein FW28 eindeutige Rauchzeichen gab. So bleibt für die Mitternachtsblauen die Hoffnung auf das Heimrennen in Silverstone - und eine bessere Zuverlässigkeit.

Bei RBR war am Ende fast alles super..., Foto: Sutton
Bei RBR war am Ende fast alles super..., Foto: Sutton

Red Bull Racing Wie McLaren und Williams konnte auch Red Bull Racing auf dem Straßenkurs von Monaco die eigenen Schwächen der letzten Rennen übertünchen und zu großer Form auflaufen. Schon am Donnerstag wusste David Coulthard zu überzeugen. Im Rennen lagen sogar beide Fahrer in Podestnähe, als Christian Klien vom Defektteufel um das erste RBR-Podium gebracht wurde - an seiner Stelle hüpfte DC auf die fürstlichen Treppen. Dank dieser 6 WM-Punkte zog man mit Toyota in der Konstrukteurswertung gleich.

Toyota Allerdings hätte Toyota dies verhindern können: Denn bevor Coulthard den 3. Platz erbte, lag Jarno Trulli im neuen TF106B auf Position 3. Doch dann stoppte ihn ein Hydraulikproblem. Ralf Schumacher fuhr immerhin einen Zähler ein. Insgesamt blieben die Weiß-Roten beim Debüt ihres überarbeiteten Autos hinter den Erwartungen zurück - denn ohne die üblichen Monaco-Ausfälle wären sie niemals in Podestnähe gekommen. Andererseits konnte Trulli vor allem mit einer starken Qualifying-Runde überzeugen - denn er hatte mächtig viel Sprit für seine Einstoppstrategie an Bord.

Scuderia Toro Rosso Nichts Neues am Ende des Feldes: Der befürchtete Drehmoment-Vorteil blieb in den engen Straßen von Monte Carlo aus. Dennoch trauerte das Team nach dem Rennen der ersten Punkteankunft nach - zumindest der ersten regulären. Bekanntlich holte Scott Speed schon in Australien einen Zähler, dieser wurde ihm später aber wieder aberkannt.

STR verpasste den ersten Punkt., Foto: Sutton
STR verpasste den ersten Punkt., Foto: Sutton

MF1 Racing Die Midland-Truppe freute sich nach Rennende über die geschrumpfte Lücke zur Konkurrenz - wie könnte es auch anders sein. Zählbares kam dabei nicht heraus, vor allem auch, weil Christijan Albers seinen Teamkollegen Tiago Monteiro direkt am Start in die Mauer drängte. Dafür wurde er von der Rennleitung sogar mit einer Strafe versehen. Der Niederländer wollte trotzdem nicht wahr haben, was er eigentlich falsch gemacht hatte...

Super Aguri 7 Rennen - 0 Punkte: Besonders überraschend ist diese Bilanz des Super Aguri Teams nicht. Dem erklärten Ziel beide Autos über die Ziellinie zu bringen, fahren die Weißen aber auch weiterhin hinterher. Diesmal war es das Auto von Takuma Sato, das den Japaner im Stich ließ. Franck Montagny durfte sich derweil über seine erste F1-Zielankunft freuen. Mehr gibt es bei Super Aguri nicht zu feiern.

WM-Ausblick: Ein Fernduell

Vor dem Rennen machten nicht ohne Grund Aussagen die Runde, wonach die Strafe für Michael Schumacher die WM entscheiden könnte. Mit der Pole für Fernando Alonso und dem letzten Startplatz für den Deutschen standen die Vorzeichen klar auf einen um 10 Punkte erweiterten Vorsprung des Titelverteidigers.

Am Ende konnten Michael Schumacher und Ferrari mit Rang 5 zumindest ein bisschen Schadensbegrenzung betreiben. Der Dritte im Titelbunde musste sich in Monaco wohl endgültig von allen WM-Träumen verabschieden: "Wir denken nicht mehr an den Titelgewinn, sondern an Rennsiege", sagte Kimi Räikkönens Motorsportchef Norbert Haug. "Ich habe Michael Schumacher sechs Punkte abgeknöpft, Kimi Räikkönen sogar zehn. Darum geht es", gab sich Alonso zufrieden.

"So langsam habe ich mir einen ganz gesunden Vorsprung erarbeitet. Aber deswegen lassen wir jetzt die Zügel nicht locker. Wir arbeiten weiter hart daran, unseren Vorsprung weiter auszubauen. Stück für Stück. Wenn es weiterhin so gut läuft, dann könnte diese Saison erneut ein gutes Ende für uns finden." In den bisherigen sieben WM-Läufen konnte Alonso viermal gewinnen, bei den übrigen drei Grand Prix landete er auf Rang 2. "Wenn ich diese Erfolgsquote für die kommenden sieben Rennen fortsetze, sieht es nicht schlecht aus."

Oder anders ausgedrückt: "Podestplätze sind der Schlüssel zum Erfolg und bislang hatten wir in dieser Saison in sieben Rennen sieben Podestplätze."

Kann Schumacher den Rückstand noch aufholen?, Foto: Sutton
Kann Schumacher den Rückstand noch aufholen?, Foto: Sutton

In der WM-Wertung schlägt sich dies in 21 Punkten Vorsprung auf Michael Schumacher nieder. Ans Aufgeben denkt dieser deswegen aber noch lange nicht. "Wenn er unüberwindbar wäre, dann würden wir nicht antreten und zu hause vor dem Kamin sitzen", betonte der Ferrari-Star. "Es kommen noch viele Rennen und da kann sich jeder ausrechnen wie viele Punkte noch zu vergeben sind und was noch alles passieren kann. Wer mich kennt und heute das Rennen gesehen hat, der weiß, dass ich niemals aufgeben werde."

Hoffnung macht ihm FIA-Präsident Max Mosley, der die Bestrafung des Deutschen nicht als Vorentscheidung ansieht. "Es scheint momentan ein großer Nachteil zu sein, aber man muss immer bedenken: Das ist nur ein Rennen und die Meisterschaft ist noch lang. Derzeit ist es also ein großes Drama, aber niemand weiß, was bis zum Saisonende noch alles passieren wird. Es ist unwahrscheinlich, dass es die WM beeinflussen wird - aber wenn es so sein sollte, dann ist es eben so."