Ron Dennis dürfte wohl schon besser geschlafen haben als dieser Tage. In zwei Jahrzehnten an der Spitze des McLaren-Teams hat er immer wieder eine glückliche Hand in der Fahrerwahl bewiesen. Fast alle Großen ihrer Zeit hat der ehemalige Rennmechaniker von Jochen Rindt zur Vertragsunterzeichnung gebracht: allen voran Lauda, Prost, Senna, Berger, Mansell, Häkkinen, Räikkönen. Alonso folgt 2007.

Dass er für sein - vorsichtig ausgedrückt - wenig warmherziges Auftreten im Fahrerlager leicht abschätzig "His Ronness" tituliert wird, ist irgendwie auch schon wieder eine Art Anerkennung.

Es käme niemandem außerhalb des McLaren-Teams über die Lippen über Ron Dennis auch nur ein lobendes Wort zu verlieren. Aber der Umgang mit seinen Starpiloten gibt ihm recht: Das ultimative Bekenntnis zur Professionalität, die ein Lauda oder Senna einforderten gepaart mit der nötigen Nestwärme, die aus einem Häkkinen das letzte herausholte.

Ron ist ein Besessener, ein Racer, auch wenn das viele nicht gerne hören. Und in seiner Hingabe (inkl. Lebenswerk McLaren Technology Center) ist er ehrlicher und zuverlässiger als der Großteil der Mächtigen nebenan.

Im Falle Räikkönen hatte der McLaren-Chef bereits Mitte 2001 genug gesehen. Der Finne bekam einen Vertrag für 5 Jahre mit einer astronomischen Gage für einen 21-jährigen. Peter Sauber durfte den bestehenden Vertrag zerreißen, dafür aber eine zweistellige Millionen-Ablöse einstreifen.

In 5 Jahren ist es McLaren jedoch nie gelungen, Räikkönen ein Auto hinzustellen, das über die ganze Saison gut genug für die WM war. 2003 war er knapp dran, aber nie knapp genug. Im Vorjahr begann der Siegeszug zu spät - ein hausgemachtes Geschenk an Renault.

Räikkönen hat bereits im Sauber-Jahr bewiesen: Wenn er weg will, dann lässt er das auch alle spüren. Die Leistung am Jahresende sank dramatisch, als die Tinte unter dem McLaren-Vertrag trocken war. Daher meine Vermutung: Kimi ist so gut wie weg. Auch er ist emotional, und insgeheim genießt er das Liebeswerben der anderen Teams, denn er weiß: Von allen verfügbaren Piloten ist er mit Abstand die heißeste Aktie am Transfermarkt.

Montoyas Verpflichtung Mitte 2003 war ein glücklicher Zufall. Der Kolumbianer war auf dem Höhepunkt seines Könnens und Titelkandidat. In Magny Cours schimpfte er zunächst wie ein Rohrspatz am Boxenfunk, weil er sich durch die Teamtaktik gegenüber Ralf Schumacher benachteiligt sah. Dann sagte er zu Patrick Head ein paar Dinge, die in jedem Unternehmen für eine fristlose Kündigung reichen.

Da hatte Ron Dennis den Füller bereits in der Hand, Montoya lief ihm geradewegs in die Arme - 17 Monate vor Auslaufen seines BMW-Williams-Vertrags.

Montoya konnte nur an guten Tagen aus dem Schatten von Kimi treten, und die waren auffällig rar. Mein Tipp: Chancen 30:70, dass er bleiben darf. Nämlich genau dann, wenn man befindet, dass sich Lewis Hamilton lieber doch ein Jahr als Testfahrer seine Hörner abstoßen soll.

Den Titel nach dem 6. Rennen bereits in den Wind zu schreiben, wie es Räikkönen in Barcelona getan hat, kommt bei einem erfolgsorientierten Team wie McLaren-Mercedes einer Kapitulation gleich. Ron Dennis wird wie immer viel Fingerspitzengefühl benötigen, um die Moral im Team nicht in den Keller sinken zu lassen. Die Aufgabe scheint nahezu unlösbar.

Doch er hat Übung im Lösen solcher Krisen. Darauf angesprochen hat er mir folgendes gesagt: "Wissen Sie, meine Kinder haben mich einmal gefragt - wie isst man eigentlich einen Elefanten? Da habe ich ihnen geantwortet: Es ist ganz einfach: Stück für Stück für Stück..."