Das erste Rennen auf deutschem Boden scheint in diesem Jahr wieder einmal alles zu bieten: Chaotische Zwischenfälle, spannende Duelle, verspätete Startaufstellungen und natürlich einen Lokalhelden ganz vorne im Getümmel.

1. - S wie Startaufstellung

Seit dem Malaysia GP sind wir es gewohnt, dass Startaufstellungen nicht immer gleich nach Qualifying-Ende veröffentlicht werden oder gar klar definiert sind. Das beste Beispiel dafür brachte der Europa GP in der Eifel. Erst kurz nach 21:00 Uhr verteilte die FIA im Media Centre die endgültige Version der Startaufstellung für den kommenden Sonntag.

"Regeln sind Regeln", hatte Giancarlo Fisichella einige Stunden vorher darauf gepocht, dass Jacques Villeneuve die Qualifying-Zeit aberkannt würde. Der Kanadier soll den Italiener auf dessen letzter Qualifying-Runde im 2. Qualifying-Teil aufgehalten haben. "Schau auf die Zeitentabelle: Mein Teamkollege hat die Pole Position errungen", wetterte der Römer. "Ich will nicht sagen, dass ich dies auch hätte schaffen können. Aber die zweite, dritte oder vierte Platzierung in der Startaufstellung wäre auch für mich möglich gewesen."

Erst spät stand die Startaufstellung fest., Foto: Sutton
Erst spät stand die Startaufstellung fest., Foto: Sutton

Die Bestrafung von Villeneuve änderte an Fisichellas Startposition aber nichts: Der Renault-Pilot geht nach den Motorwechseln bei den zwei Williams-Fahrern von Startplatz 11 ins Rennen - zwei Plätze hinter Villeneuve, der von acht auf neun zurückfiel.

"Ich hätte gerne die Pole geholt", sagte auch Michael Schumacher, "aber wenn ich dafür das Rennen gewinne, kann ich das gut verkraften." Vorerst steht er in der Startaufstellung neben Fernando Alonso auf Platz 2. Dahinter reihen sich sein Teamkollege Felipe Massa sowie Rubens Barrichello in der zweiten Reihe ein. Erst in Reihe drei steht mit Kimi Räikkönen der beste McLaren Mercedes Pilot.

2. - S wie Start

Gleich am Start könnte es haarig werden. Das weiß auch Fernando Alonso. "Der Nürburgring ist mit seiner engen ersten Kurve eine sehr schwierige Strecke", betonte der Spanier. "Je weiter vorne du startest, umso besser ist es. Denn es erhöht die Chance, einem Startunfall zu entgehen."

Nicht nur aus diesem Grund sagte er schon am Freitag: "Es ist immer ein Risiko, wenn du am Start nicht ganz vorne stehst und ganz auf die clevere Taktik setzt. Dabei gehören unsere Starts an sich noch immer zu den besten. Wenn wir den Grand Prix aus der ersten Reihe in Angriff nehmen, können wir das Rennen locker kontrollieren."

Nun muss er beweisen, dass diese Vorhersage korrekt war. "Bislang sind mir in diesem Jahr alle Starts gut gelungen", gibt er sich zuversichtlich, "also sollte ich auch morgen als erster in die erste Kurve einbiegen und die Führung übernehmen."

Michael Schumacher hat da naturgemäß etwas dagegen. "Wir Fahrer können alle gut startet, es liegt etwas daran wie viel Hilfe wir vom Material bekommen", weiß er jedoch, dass die Renault immer für Raketenstarts gut sind. "Renault ist traditionell sehr gut. Wir haben jedoch aufgeholt. Wie gut wir aber wirklich sind, wird sich morgen zeigen." Erschwerend kommt hinzu, dass Schumacher auf der "undankbaren dreckigen Seite" starten muss.

3. - S wie Setup

Der Nürburgring gilt als "komplette" Rennstrecke: Er weist einige Highspeed-Kurven auf, mittelschnelle Kombinationen, die das Auto aus der Balance bringen können, und sehr langsame Ecken, die besondere Anforderungen an die Traktion stellen. Die Autos müssen also auf eine Vielzahl von widersprüchlichen Ansprüchen abgestimmt werden.

Auf dem Ring fahren die Teams mit die höchsten Downforce-Level der ganzen Saison. Häufig geht es beim Setup darum, das Untersteuern abzustellen. In Kurve 8 ist das Auto außerdem immer sehr nervös. Durch den hohen Abtrieb lässt sich auch dies wirkungsvoll bekämpfen. Er macht das Auto fahrbarer und stabiler bei Richtungswechseln sowie beim Bremsen.

Auf dem Ring wird mit viel Abtrieb gefahren., Foto: McLaren
Auf dem Ring wird mit viel Abtrieb gefahren., Foto: McLaren

Die Reifenwahl ist nicht unkompliziert, da die schnell wechselnden Witterungsbedingungen in die Überlegungen mit einbezogen werden müssen - auch die oft sehr niedrigen Temperaturen. Wie üblich peilen die Techniker einen optimalen Kompromiss an: Ein Reifen soll weich genug sein, um eine schnelle Qualifying-Runde zu ermöglichen - was allerdings das Risiko des Grainings mit sich bringt - und auf der anderen Seite hart genug, um über die Distanz konstant zu funktionieren.

Die Bremssysteme stellen auf dem Nürburgring normalerweise kein Problem dar. Trotzdem behält das Team den Verschleiß von Scheiben und Bremsbelägen immer im Auge - die Bremszonen gelten aber als nicht besonders hart für das Material.

Der Nürburgring liegt im Mittelgebirgszug der Eifel auf etwa 500 Meter Höhe. Durch die geringere Luftdichte büßen die Triebwerke rund fünf Prozent Leistung ein, was Bauteile wie die Kolben etwas entlastet.

Das Layout der Strecke beansprucht die Motoren nicht außergewöhnlich. Die flüssige Streckenführung mit ihren Höhenunterschieden hält für die Piloten viel Abwechslung bereit. Wegen der vielen Kurven liegt der Vollgas-Anteil pro Runde bei nur 66 Prozent. Der Motor muss ein gutes Drehmoment aus niedrigen Drehzahlen bieten, um aus den langsamen Ecken gut herauszubeschleunigen. Es gibt keine besonders langen Geraden - die längste Strecke bei komplett offenen Drosselklappen dauert zehn Sekunden. Im Saisondurchschnitt ist dies ein sehr niedriger Wert.

Zwar fordert das Layout die Motoren nicht besonders, die stellenweise wellige Fahrbahnoberfläche des Nürburgrings - vor allem in den Kurven 4, 7 und der NGK-Schikane - bergen jedoch Risiken. Wenn die Piloten die falsche Linie erwischen, und die Antriebsräder abheben, kann dies zu ernsthaften Schäden führen - entweder durch übermäßigen Einsatz des Drehzahlbegrenzers oder durch Überdrehen des Triebwerks. Sowohl im Qualifying als auch im Rennen widmen die Techniker der Einstellung der Regelsysteme große Aufmerksamkeit.

4. - S. wie Strategie

Wie immer spielt die Strategie auf dem Ring eine entscheidende Rolle. Von ein bis drei Stopps erscheint alles möglich zu sein. Michael Schumacher geht davon aus, dass der Grand Prix "eher über die Taktik" als über Überholmanöver auf der Strecke entschieden wird. Überholmöglichkeiten sieht er genau zwei: "In Kurve 1 und in Kurve 13 auf der Gegengeraden."

Wer auf welcher Strategie und mit welcher Tankmenge unterwegs ist, wird sich erst im Laufe des Rennens zeigen. Bei McLaren Mercedes erwartet man allerdings abermals eine große Benzinmenge. Ob Renault aggressiver als zuletzt unterwegs ist, ist noch unklar. Fernandos Renningenieur Rod Nelson gab sich kryptisch. "Im Fahrerlager wird viel erzählt, wenn das Wochenende lang ist! Alles, was ich zu diesem Thema sagen kann: Wir gehen an den Großen Preis von Europa auf die gleiche Weise heran wie an alle bisherigen Grands Prix dieser Saison."

Der Europa GP wird ein Taktik-Rennen., Foto: Sutton
Der Europa GP wird ein Taktik-Rennen., Foto: Sutton

Die starke Leistung der Scuderia erklärt er sich über die Reifenwahl: "Ich hatte wirklich angenommen, dass die Performance der Scuderia in Imola ein Strohfeuer gewesen ist. Dass sie auch hier in der Eifel so konkurrenzfähig sind, darüber habe ich ehrlich gestaunt", gibt er zu. "Offensichtlich haben sie sich für besonders weiche Reifen entschieden. Das bringt große Vorteile im Qualifying, wo du nur auf einer Runde schnell sein musst. Ich bin gespannt, wie sich dies bei Ferrari nach mehreren Umläufen entwickelt."

5. - S wie Sonntagswetter

Das Wetter in der Eifel ist genauso vorhersehbar wie die offiziellen Startaufstellungen der FIA: Bis es soweit ist, weiß man nie, wie es wird. Unsere Wetterfrösche sprechen für die Region um den Nürburgring von Tageshöchst-Temperaturen um die 20 Grad. Das Regenrisiko soll zum Rennstart um 14:00 Uhr rund 20% betragen. Aber was heißt das in der Eifel schon?

6. - S wie Speed

Nur hauchdünn setzte sich Michael Schumacher in der Radarfalle gegen Giancarlo Fisichella durch. Was im normalen Straßenverkehr eher schlecht ist, bringt auf der Rennstrecke ein paar km/h mehr und ermöglicht so vielleicht ein Überholmanöver - oder eben doch eher ein paar Tausendstel auf der Stoppuhr.

Dabei standen die Top-Speeds der Scuderia abermals unter Beobachtung: Nachdem sich bisher vor allem Honda mehrfach öffentlich darüber beschwert hatte, dass die Höchstgeschwindigkeiten der Roten "keinen Sinn" machen würden und auf versteckte "flexible Flügelelemente" zurückzuführen wären, erklärte nun auch Fernando Alonso erstmals Bedenken. Der Spanier konnte die hohen Top-Speedwerte der Italiener an bestimmten Stellen überhaupt nicht nachvollziehen.

Platz Fahrer Top-Speed
1. Michael Schumacher / Ferrari 295,6
2. Giancarlo Fisichella / Renault 295,4
3. Felipe Massa / Ferrari 294,4
4. Fernando Alonso / Renault 293,7
5. Nick Heidfeld / BMW 292,2
6. Kimi Räikkönen / Mercedes 289,3
7. Jacques Villeneuve / BMW 288,9
8. Juan Pablo Montoya / Mercedes 287,9
9. Jarno Trulli / Toyota 287,0
10. Nico Rosberg / Cosworth 287,0
11. Mark Webber / Cosworth 285,7
12. Ralf Schumacher / Toyota 285,4
13. Rubens Barrichello / Honda 285,2
14. Jenson Button / Honda 283,9
15. Scott Speed / Cosworth V10 282,2
16. Franck Montagny / Honda 281,9
17. Takuma Sato / Honda 281,9
18. David Coulthard / Ferrari 280,3
19. Tonio Liuzzi / Cosworth V10 280,3
20. Tiago Monteiro / Toyota 279,7
21. Christijan Albers / Toyota 278,7
22. Christian Klien / Ferrari 276,1

7. - S wie Spannung

Wie vor zwei Wochen heißen die beiden großen Sieganwärter Michael Schumacher und Fernando Alonso. Diesmal stehen sie in umgekehrter Reihenfolge zum Rennausgang in der ersten Startreihe. Doch wer gewinnt diesmal oder gibt es gar einen lachenden Dritten?

"Ich bin mir sicher, dass das Rennen sehr spannend wird", prophezeit Fernando Alonso. "Wir sind nicht nur auf einer Runde schnell, sondern über den gesamten Turn bis zum nächsten Tankstopp. Das trifft auf Ferrari allerdings auch zu. Also wird es zwischen uns sehr eng."

Die Fans wünschen sich den 2. Schumacher-Sieg in Folge., Foto: Sutton
Die Fans wünschen sich den 2. Schumacher-Sieg in Folge., Foto: Sutton

Den R26 schätzt Alonso ebenso als "konkurrenzfähig" ein, wie Michael Schumacher seinen 248 F1. "Es wird also ein enger Kampf, aber wir sollten um den Sieg mitfahren können", sagt der Spanier. "Wir sind sehr konkurrenzfähig", kontert Schumacher. "Dass Renault hier stark sein würde, hatten wir erwartet. Ich denke aber, dass wir im Rennen ganz gut aussehen und Renault einen guten Kampf liefern können."

Ein Reifenproblem wie in Imola erwartet der Ex-Champion nicht. "Wir haben das Problem von Imola erkannt und verhindert, dass wir die gleichen Probleme wieder haben werden." Demnach gebe es "keinen Grund", warum Ferrari "nicht überall stark" sein sollte.

Aus diesem Grund hofft Schumacher auch auf seinen Teamkollegen Felipe Massa. Dieser soll sich im besten Fall vor Alonso schieben. "Es ist schön, wenn sich die Besten untereinander messen", freut sich der Kerpener über das Duell. "Aber mir wäre es recht, wenn noch der ein oder andere dabei wäre, der Alonso Punkte wegnehmen könnte. Ich hoffe auf Felipe, alles andere sieht nicht sehr viel versprechend aus."