Nehmen wir einmal an, dass Sie sich an einem beliebigen Tag mitten ins F1-Fahrerlager oder Media Centre stellen und in die Runde schreien: "Wer glaubt, dass Toyota in der Formel 1 erfolgreich sein wird?" Die schallende Antwort wird ein von in die Höhe schnellenden Armen begleitetes, lautstarkes "Ich!" sein.

Ob der am Samstag in Frankreich offiziell präsentierte TF106 bereits die Antwort auf die unvermeidliche Nachfrage "Und wann?" sein wird, erfahren wir frühestens am 12. März in Bahrain. Aber über den TF106 wird heute ohnehin noch genügend gesagt und geschrieben.

Deshalb konzentrieren wir uns lieber auf den weiß-roten Riesen aus Köln-Marsdorf und Tokio: Auf die Toyota Motorsport GmbH und deren Mutterkonzern Toyota Japan.

Unter diesem Dach entstehen die Toyota-Boliden., Foto: Sutton
Unter diesem Dach entstehen die Toyota-Boliden., Foto: Sutton

Zu diesem Zweck sprach motorsport-magazin.com mit Diplomingenieur Johannes Proschek, seines Zeichens Groupleader Programme Planning & Decentral Controlling im Car Programme Management von Toyota Motorsport. Zusammen mit ihm förderten wir einige interessante und nicht unbedingt jedem bekannte Fakten über das angebliche zukünftige Weltmeisterteam zu Tage.

Wenn ein japanischer Automobilhersteller sein F1-Team in Deutschland ansiedelt, kommt schnell die Frage auf: Wer hat hier eigentlich das Sagen?

"Langfristige und strategische Entscheidungen werden auf höchster Ebene in Japan getroffen", gibt Proschek die einfache Antwort. "Dazu zählen beispielsweise die Fahrerwahl oder der Reifenwechsel von Michelin zu Bridgestone."

In Köln-Marsdorf werden hingegen die Entscheidungen des alltäglichen F1-Geschäfts getroffen. "Alles was das Tagesgeschäft und die technische Spezifikation des Fahrzeugs betrifft, wird von den Technischen Direktoren in Köln beschlossen."

Allerdings hängt dies eng mit dem Budget zusammen, welches wiederum "in Japan festgelegt" wird. Womit wir schon beim nächsten Stichwort wären: Das Budget. Bereits seit dem F1-Einstieg des Toyota Teams ranken sich spektakuläre Gerüchte um die Höhe des weiß-roten Budgets.

Eine definitive Antwort in Form von Zahlen konnte Proschek uns natürlich auch nicht geben: "Die Budgets der Spitzenteams bewegen sich auf sehr ähnlich hohem Niveau", sagt er. "Aber meines Wissens sind wir nicht der Spitzenreiter unter den Teams."

Dies jedoch behaupten hartnäckige Paddock-Gerüchte. Aber wenn wir schon nicht enthüllen können wie viel Geld Toyota ausgibt, können wir zumindest verraten wo das viele Geld, welches die F1 verschlingt, herkommt. "Bei der Aufteilung gehen alle Sponsorengelder zuerst nach Japan an Toyota", stellt Proschek klar. "Von dort erhalten wir dann unsere 'Gage'. Wir sind also zu 100% von Toyota finanziert."

Toyota nutzt die F1 auch als Lehrbank für seine Ingenieure., Foto: Toyota
Toyota nutzt die F1 auch als Lehrbank für seine Ingenieure., Foto: Toyota

Und Toyota gibt auch die Richtung für die Zukunft vor: "Es gibt bekanntlich zwei Seiten: Bernie Ecclestone und die Hersteller. Toyota ist ein Hersteller", beschreibt Proschek die Lage im Zukunftsstreit. "Die Vision von Toyota ist die F1 als Königsklasse des Motorsports und die Technik als Merkmal der F1 zu erhalten. Wir möchten hier unsere Entwicklungskompetenz unter Beweis stellen."

Zudem soll die F1 als Fortbildungs- und Ausbildungsmöglichkeit für Toyota-Ingenieure fungieren. "Toyota pflegt ein Austauschprogramm für seine Ingenieure", erläutert Proschek. "Viele der Kollegen werden für vier Jahre zu uns geschickt und arbeiten in den einzelnen Fachteams mit." Der Anteil der japanischen Mitarbeiter soll bei rund 15% liegen. Zusätzlich unterstützt Toyota Japan das F1-Team mit Entwicklungs- und Produktionskapazitäten. "Der Motorsport wird als Lehrbank für die Ingenieure verwendet", fasst Proschek zusammen.

Während die Mitarbeiter also in der F1 viele neue Dinge erlernen können, hält sich der Technologietransfer von der Rennstrecke auf die Straße eher in Grenzen. "Das ist ein gutes Argument, um Motorsport zu begründen, aber seit mehreren Jahren ist es eher umgekehrt", überrascht Proschek. "Im Pkw-Bereich wird eine Grundlagenforschung betrieben, die dann in der F1 Verwendung findet." Danach erfolgt ein Austausch in beide Richtungen, der sich auch auf die Pkw-Industrie auswirkt.

Toyota fertigt als eines der wenigen Teams das komplette Auto unter einem Dach. Dass heißt sowohl der Motor als auch das Chassis werden in der Fabrik in Köln-Marsdorf gebaut. Aber wie viele Teile des TF106 sind eigen- und wie viele fremdgefertigt?

"Die Reifen kommen logischerweise vom Reifenhersteller", beginnt Proschek mit einem der offensichtlichsten Fremdteile. "Allerdings haben wir für unsere eigenen Anforderungen einen Reifenexperten von Michelin übernehmen können, um auf diese Weise eigenen Input geben zu können", spricht er die im letzten Jahr getätigte Verpflichtung von Ex-Michelin-Projektleiter Pascal Vasselon an.

Ähnlich verhält es sich beim Kraftstoff sowie vielen weiteren Fahrzeugkomponenten, die Toyota nicht selbst fertigt, sondern von technischen Partnern herstellen lässt. "Zusammen mit unseren Partnern versuchen wir unsere Anforderungen und Ziele zu erreichen und zu optimieren", so Proschek. "Ansonsten werden 100% des Autos von uns konstruiert und definiert."

Die Weiß-Roten möchten ganz nach oben., Foto: Sutton
Die Weiß-Roten möchten ganz nach oben., Foto: Sutton

Es sei aber äußerst schwierig die Fertigungstiefe und die Anzahl der In-House produzierten Teile in konkreten Werten auszudrücken. "Unsere Strategie ist es, dass jene Teile die ein Kern-Know-How darstellen auch von uns entwickelt und gefertigt werden." So ist es zum Beispiel mit den Zylinderköpfen, die abgesehen vom Guss bei Toyota im Haus konstruiert und gebaut werden. "Auch Komponenten wie Radaufhängungen, die sicherheitsrelevant sind, werden wir nie extern vergeben."

Schließlich ist das große Ziel von Toyota eines Tages die Nummer 1 der Formel 1 zu werden: "Unsere Mission ist es den Weltmeistertitel zu erringen und dann kontinuierlich an der Spitze zu bleiben." Angesichts der Vorgehensweise und des Aufwands, den Toyota für die F1 betreibt, ist es keine Überraschung, dass alle F1-Experten diese Ankündigung ernst nehmen.