Ein lautes, befreiendes Lachen am Ferrari-Funk und die ungläubige Frage "Pole, wirklich?!?" Nach dem desaströsen Saisonauftakt in Australien hatte kaum jemand Ferrari – und erst recht nicht Lewis Hamilton – auf dem Zettel für die Sprint-Pole in China. Dem Briten ging es nicht anders. "Ich bin etwas geschockt. Kaum zu glauben, dass wir auf Pole stehen", erklärte der Ferrari-Pilot mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Die Erleichterung nach den negativen Schlagzeilen der letzten Tage war ihm deutlich anzusehen.

"Das letzte Rennen war offensichtlich ein Desaster, aber wir wussten, dass mehr im Auto steckt, wir konnten es einfach nicht auf die Strecke bringen. Hier [in Shanghai; Anm. d. Red.] erwachte das Auto wieder zum Leben", freute sich der siebenfache Champion. Für ihn als auch für Ferrari ist es die zweite Sprint-Pole. 2021 ging Charles Leclerc in Baku von Startposition 1 ins Sprintrennen.

In China sprach zunächst alles für eine McLaren-Pole. Oscar Piastri und Lando Norris zeigten in SQ1 und SQ2 auf dem Medium eine starke Leistung, selbst als böige Winde aufkamen und die Bedingungen in SQ2 schwieriger wurden. In SQ3 setzte Ferrari auf einen schnellen Run, McLaren auf zwei. Hamilton nutzte die Patzer der papaya-farbenen Konkurrenz, setzte sich im Shootout in 1:30,849 Minuten auf P1 und stellte gleichzeitig einen neuen Streckenrekord auf.

Hamilton profitiert von Norris-Patzer

"Wir waren im ersten Sektor recht stark. Ich denke, da haben wir die meiste Zeit gut gemacht, aber ich muss mir erst die Daten ansehen. Ich denke schon, dass wir noch Zeit finden können", erklärte Hamilton direkt nach dem Sprint-Qualifying. Der Ferrari-Pilot setzte sich hauchdünn gegen Max Verstappen durch, der mit 0,018 Sekunden Rückstand auf Platz zwei landete. Oscar Piastri wurde Dritter, für Norris, der seinen letzten Versuch abbrach, reichte es nur zu Platz sechs.

Ohne diesen Fehler wäre die Pole für Lando Norris absolut drin gewesen. Wie die Daten zeigen, lag der McLaren-Pilot vor seinem Patzer nur 0,06 Sekunden hinter Hamilton, der in der letzten Kurve sehr viel Zeit liegen ließ. Gegen Verstappen verlor Hamilton in der letzten Kurve zwei bis drei Zehntel.

Ein Blick auf die Daten (Grafik 1) zeigt, dass Hamilton seine Zeit gegenüber der Konkurrenz in den langsamen Kurven 1, 2, 8 und 9 herausholte. Dafür ließ er sehr viel Zeit durch Turn 10 und die letzte Kurve liegen.

Charles Leclerc kämpft mit SF-25

Charles Leclerc hatte in allen drei Sessions mehr mit dem Auto zu kämpfen und musste sich schlussendlich mit dem vierten Platz begnügen. "Es ist nicht ideal, das Sprintrennen von Platz vier zu starten, aber ich werde alles geben, um mich nach vorne zu kämpfen", erklärte Leclerc. Dem Monegassen gelang es im Sprint-Qualifying nicht eine fehlerfreie Runde hinzubekommen. "Unsere größte Herausforderung waren die Kurven 1 und 3", verriet Leclerc. Es zeigt sich, dass Hamilton im teaminternen Vergleich ein Setup gewählt hat, das ihm zwar Zeit in Kurve 10 und die letzte Kurve kostet, aber dafür auf der restlichen Strecke entgegenkommt. Damit zeigt sich zwischen Hamilton und Leclerc das gleiche Bild wie Hamilton zur Konkurrenz.

Leclerc drohte in China kurzzeitig Ungemach. Der Ferrari-Pilot und Lance Stroll wurden vorgeladen, weil sie im Sprint-Qualifying die maximale Delta-Zeit nicht eingehalten hatten. Normalerweise werden solche Vorfälle zur Kenntnis genommen und dann aus offensichtlichen Gründen geklärt, aber in diesem Fall wurde eine vollständige Untersuchung eingeleitet. Kurze Zeit später folgte Entwarnung: Leclerc ging straffrei aus. "Nach dem schwierigen Qualifying letzte Woche in Australien ist die heutige Leistung ein großer Motivationsschub für das gesamte Team und definitiv sehr positiv", freute sich Teamchef Fred Vasseur.

Für das Rennen bleibt Vasseur vorsichtig. "Die McLarens haben eindeutig einen hohen Speed, sowohl auf eine Runde als auch über eine längere Distanz. Wir müssen konzentriert bleiben und bis ins kleinste Detail planen, wie wir das Rennen angehen." Ferrari erhofft sich aus dem 19 Runden langen Sprint wertvolle Informationen für den Grand Prix am Sonntag zu erhalten. Vor allem gilt es Daten über den neuen Streckenbelag zu sammeln, der bislang in den Sessions zwar für hervorragenden Grip sorgte, die Reifen aber auch stärker beansprucht. "Morgen wird ein echter Test", weiß Hamilton. Für ihn ist der China-Grand-Prix das erste Rennen im SF-25 unter trockenen Bedingungen.

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