Vor dem Start ins Baku-Wochenende war Ferrari zu einem Siegkandidaten erklärt worden, und ein Blick auf das Ergebnis des 2. Freien Trainings unterstreicht das mit einer knappen Bestzeit durch Charles Leclerc. Man würde sich freuen, wenn das alles wäre. Denn der ganze Tag von Ferrari war ein gebrauchter, mit mehreren Defekten, einen Unfall, und einem körperlich angeschlagenen Fahrer.

Der angeschlagene Fahrer ist aber nicht Leclerc, und es ist auch keine Folge der Strecke. Carlos Sainz wachte schon am Freitagmorgen mit Nackenschmerzen auf: "Ich habe richtig schlecht geschlafen, und jetzt kann ich mich fast nicht bewegen! Aber ich habe es durch den Tag geschafft." Unter den Umständen ist ein vierter Platz mit 0,466 Sekunden Rückstand auf Leclerc respektabel.

Crash & Defekt: Leclerc-Ferrari in Baku schon zweimal kaputt

Genauso respektabel ist aber auch eine Bestzeit mit minimaler Anlaufzeit. In FP1 hatte Leclerc schon stark losgelegt, ehe er auf seiner 12. Runde den SF-24 in Kurve 15 in der Absperrung begrub: "Ich habe ein bisschen zu weit rechts gebremst, und da ist die Strecke so extrem schmutzig."

"Dann habe ich mich verbremst, und es war zu spät, um nach rechts [in den Notausgang] zu ziehen, also bin ich in die Wand", beschreibt Leclerc. Das kostete seinen Mechanikern einen Großteil ihrer Mittagspause. Kaum war er in FP2 wieder auf der Strecke, ging es munter weiter. Diesmal mit einem technischen Problem.

Leclerc bemängelte fast sofort nach dem Rausfahren, dass sich die Lenkung je nach Richtung unterschiedlich stark anfühlte. Die Box sah zwar kein Problem damit, ihn weiterfahren zu lassen, aber er selbst schon. Spätestens als er sich in Kurve 15 noch einmal verbremste, diesmal immerhin den Notausgang erwischte. "Damit fahre ich nicht", setzte er dem Spuk daraufhin ein Ende und forderte einen Reparaturstopp ein.

"Es hatte nichts mit dem Crash zu tun", erklärt Leclerc nach dem Training. "Wir hatten ein Problem mit einem neuen Teil, das wir gerade erst ins Auto gebaut hatten. Ich will nicht zu viel verraten, aber das hat mir ein sehr seltsames Gefühl mit dem Lenkrad gegeben." Das nicht näher spezifizierte Teil an der Lenkung zu tauschen kostete weitere 25 Minuten. Leclerc beendete den Tag mit mageren 31 Runden.

Leclerc fährt Baku-Trainings mit viel Vertrauen, Sainz nicht

"Aber ich hatte noch immer sehr viel Vertrauen ins Auto", sieht es Baku-Profi Leclerc entspannt. Als er im letzten Drittel des Trainings endlich die Soft-Reifen aufziehen durfte, fuhr er sofort die Tages-Bestzeit: "Wir haben auch noch einiges zu verbessern. Auf fahrerischer Seite, weil ich in FP2 noch immer meine Referenzen gesucht habe. Aber wir sind schnell. Das ist ein gutes Zeichen."

Crash von Ferrari-Fahrer Charles Leclerc
Am Ende war die Ferrari-Stimmung in Baku deutlich besser, Foto: LAT Images

Schnell, aber fragil. Bei Teamkollege Sainz war unglücklicherweise nämlich auch mehr kaputt als nur der Nacken. In FP1 laborierte sein SF-24 an einem Bremsproblem: "Das haben wir dann für FP2 verbessert." Trotzdem war es ein harter Tag für Sainz, der mit wiederholten Verbremsern schon fast Dauergast in den Auslaufzonen war.

Und überhaupt - damit ist das Ende der Liste noch immer nicht erreicht. Sainz wurde am Abend noch vor die Stewards zitiert, weil er kurz vor dem Ende des 2. Trainings Sergio Perez in der unübersichtlichen Highspeed-Ecke Kurve 14 im Weg gestanden war. Eine potenziell brandgefährliche Stelle.

Da es nur Training war und nicht Qualifying kommt Sainz mit einer offiziellen Warnung davon. Die Schuld muss er sich aber anheften lassen, denn er hatte vom Team alle nötigen Infos erhalten und Perez auch im Rückspiegel gesehen. Doch zugleich waren auf seinem Lenkrad mehrere Alarme aufgepoppt. Davon abgelenkt, schätzte Sainz das Tempo von Perez falsch ein.

Unter all diesen Umständen sind die Plätze eins und vier dann sicherlich zufriedenstellend für Ferrari. Doch es bleibt alles offen, mahnt Sainz: "Wir sind auf einem Level mit McLaren, Red Bull und Mercedes. Es wird sehr eng dieses Wochenende. Da wird es darum gehen, den Reifen vorzubereiten, die Runde zusammenzubekommen und bei Gelb oder Rot zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein."