Charles Leclerc ging als Favorit in das Formel-1-Qualifying in Monaco. Entgegen den Unkenrufen vieler Fans behielt er diese Stellung auch und musste sich nicht wieder hinter Max Verstappen anstellen, der es sich in den letzten Wochen eine Gewohnheit daraus gemacht hatte, nach starken Freitagen der Konkurrenz am Ende doch wieder die Pole Position zu ergattern.

Der Red-Bull-Pilot wird in Monaco aller Voraussicht nach keine Rolle um den Sieg spielen, denn von Platz 6 aus sind auch den schier übernatürlichen Fähigkeiten Verstappens gewisse Grenzen gesetzt. Unter normalen Bedingungen jedenfalls. Der Sieg wird wohl über Charles Leclerc führen. Der Monegasse kennt das Gefühl, bei seinem Heimrennen die Pole Position einzufahren - und dann nicht den GP zu gewinnen.

Charles Leclerc auf Pole: Was können McLaren und Co tun?

2022 stand ihm die Kombination aus Regenwetter und einer suboptimalen Ferrari-Strategie im Weg, 2021 stand er es sich gewissermaßen selbst. Denn als Folgeschaden aus seinem Unfall im Qualifying erlitt er damals einen Getriebe-Defekt auf dem Weg zur Startaufstellung. Die Pole durfte er in seiner Statistik behalten, aber das war alles, was ihn vom damaligen Grand Prix blieb.

Beides wird es in diesem Jahr wohl nicht geben. Einerseits blieb der SF-24 im Qualifying heil, andererseits deutet der Wetterbericht für den Renn-Sonntag unmissverständlich auf trockene Bedingungen hin. Ein Selbstläufer ist das Rennen dennoch nicht. Das zeigt auch die Pole-Statistik der letzten Jahre. Von den letzten 8 GPs im Fürstentum wurden lediglich drei vom ersten Startplatz aus gewonnen.

Die Pole ist in Monaco schon die halbe Miete - aber keine Sieg-Garantie, Foto: Red Bull Content Pool
Die Pole ist in Monaco schon die halbe Miete - aber keine Sieg-Garantie, Foto: Red Bull Content Pool

Was Leclerc das Leben schwer machen könnte, ist die Rennpace. Ja, Track Position ist beim Monaco-GP in den meisten Fällen der entscheidende Faktor, aber ohne gute Longruns ist die Aufgabe, 78 Runden lang dem Druck von hinten standhalten zu müssen, doch um einiges schwieriger. Leclerc klagte am Freitag über die Pace des Ferraris im Dauerlauf. Ein "Desaster" sei der Longrun gewesen. Zugegebenermaßen, mit einem Verbremser zu Beginn des Runs machte er sich die Aufgabe nicht unbedingt einfacher.

Ferrari hatte am Freitag der Formel 1 in Monaco ein Luxus-Problem: Das Setup bei Carlos Sainz verfügte über starke Longrun-Pace, zeigte aber Schwächen auf eine Runde, bei Leclerc andersherum. Im Zweifel setzt man in Monaco immer auf den Shortrun, aber wie gut Ferrari den Spagat zwischen beiden Setups bis zum Qualifying hinbekommen hat, werden wir erst im Laufe der 78 Rennrunden sehen. Der Longrun des Qualifying-Zweiten Oscar Piastri war nach jenem von Sainz übrigens der zweitbeste im 2. Training.

Start, Strategie oder Schaden, wie ist Leclerc zu knacken?

Wie soll der McLaren aber vorbeikommen, selbst wenn er die bessere Pace hat? Eventuell über die Strategie. Die ist in Monaco meist eher eintönig. 1-Stopp ist praktisch alternativlos, vor allem an der Spitze des Feldes. Start auf Mediums und dann ein Wechsel auf die Hard-Reifen scheint der bevorzugte Weg zu sein.

Ein Poker mit einem Start auf Softs scheint möglich, aber der Weg zu Kurve 1 ist kurz und Positionswechsel bis dorthin sind eine Rarität. 2002 gab es zum letzten Mal einen Führungswechsel am Start, ansonsten kam beim Formel-1-Rennen im Stadtstaat immer auch der Polesetter auf Position 1 aus dem ersten Knick. Wenn dieser unwahrscheinliche Fall eines Überholmanövers am Start nicht gelingt, dann wäre Piastri anschließend klar im Nachteil - nicht nur gegen Leclerc, sondern auch gegen die Verfolger.

Ein Undercut bietet sich auf dem Papier an, aber früh im Rennen wird Leclerc wohl kaum ein Interesse daran haben, das Feld schon früh so weit auseinanderzuziehen. Wenn, dann öffnet sich die Undercut-Tür womöglich später durch eine günstige Lücke im Verkehr. Doch die lange Haltbarkeit der Reifen lässt auch dahingehend nur geringen Spielraum zu.

Aber es gibt natürlich auch noch andere Wege ein Rennen zu verlieren. An einen davon wurde Leclerc zwischen FP3 und dem Qualifying erinnert. Ferrari erkannte an seiner Power Unit ein Problem und tauschte diese schnell aus. Dabei griff man auf ein Aggregat zurück, das sich bereits im Pool des Monegassen befand, welches ist unklar.

Was ist mit dem Ferrari-Motor los?

In Miami wechselte Ferrari zum ersten Mal den Motor an seinem Auto. In Imola wurde als Vorsichtsmaßnahme nach Unregelmäßigkeiten bei Routine-Checks schon der dritte eingebaut. Allerdings mit dem Hinweis, dass man das zweite Aggregat noch bei Trainings-Sessions einsetzen wolle, um seine Tauglichkeit zu überprüfen. Ob es sich bei dem fehlerhaften Motor, der nach FP3 ausgewechselt wurde, um diese Power Unit handelt, oder ob nach wie vor der Imola-Motor eingebaut war und vor allem welcher dann jetzt verbaut ist, ist nicht bekannt.

Unabhängig davon, welcher Motor es nun war: Der Verschleiß bei der Mannschaft aus Maranello (kein anderer Fahrer außer Leclerc ist schon auf seinem dritten Motor) könnte für Sorgenfalten sorgen und der Konkurrenz Hoffnung machen. Hoffen lässt sich in der Formel 1 aus Sicht von McLaren und Co. natürlich auch immer auf ein günstig getimtes Safety Car.

Die Wahrscheinlichkeit auf eine Renn-Neutralisation ist in Monaco hoch, Ferrari wird dementsprechend wohl kaum ein Risiko eingehen wollen und Leclerc früher als McLaren stoppen. Paradoxerweise könnte genau das mit fortschreitender Renndauer den schmalen Spalt der Undercut-Tür öffnen.

Ein Safety Car würde Leclerc in den meisten Fällen allerdings wohl in die Hände spielen. Eine rote Flagge und ein damit verbundener Gratis-Reifenwechsel erst recht. Denn mit den harten Reifen kann man praktisch von Runde 1 an das ganze Rennen durchfahren. Dass er mit Carlos Sainz auf Unterstützung aus der zweiten Reihe zählen kann, kommt noch dazu. Also alles in allem: Charles Leclerc hält alle Trümpfe in der Hand, dass es endlich mit seinem lang ersehnten Monaco-Sieg klappt. Aber zu diesem Fazit fanden wir schon 2021 und 2022…

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