Was benötigt man um in der Formel 1 Erfolg zu haben? Den besten Fahrer. Ganz gewiss. Das schnellste Auto. Den stärksten Motor. Die konkurrenzfähigsten Reifen. Und die am meisten ausgeklügelte Aerodynamik. Also nichts, was das größte Budget nicht beschaffen könnte.

Aber die Königsklasse des Motorsports verlangt ihren Teams und deren Chefs noch mehr ab. Es geht um Personalführung und Delegation. Es geht um Atmosphäre und es geht um Motivation. Nur wer seine bis zu 1.000 Mitarbeiter auch effizient einsetzt, deren Potenzial ausnutzt und sie zu unzähligen Überstunden motivieren kann, der kann am Ende viele Siegerpokale und vielleicht auch den großen WM-Pokal für den Konstrukteurstitel in die Vitrinen stellen.

"In diesem Sport geht es um Menschen", betont Red Bull Racing Sportdirektor Christian Horner seinen Führungsansatz. "Es geht darum die richtige Gruppe an Leuten zusammenzubringen, sie zu unterstützen und sie zusammen auf ein großes Ziel hinarbeiten zu lassen. Hier geht es nicht um Raketenwissenschaft - es geht um die Grundlagen und darum diese richtig hinzubekommen."

Der ganze Stolz von Ron Dennis: Das MTC., Foto: Sutton
Der ganze Stolz von Ron Dennis: Das MTC., Foto: Sutton

Wie wichtig diese Grundlagen und die Einführung einer bestimmten Struktur sind, zeigen der Erfolg von Renault und die ansteigende Formkurve von Toyota. Für beides ist ein einziger Mann federführend: Mike Gascoyne.

Es war Gascoyne, der vor seinem Abgang in Richtung Köln-Marsdorf, die Strukturen in der Renault-Chassisfabrik in Enstone schuf, welche es im Jahr 2005 ermöglichten beide WM-Titel zu gewinnen. "Wir arbeiten eng zusammen. Alle ziehen am selben Strick", sagt Gascoynes frühere rechte Hand Bob Bell. Heute ist er als Technischer Direktor Chassis der Nachfolger des 'Pitpull'. "Wenn wir Erfolg haben, feiern wir als Team", so Bell, der auch die Harmonie zwischen dem Chassiswerk in Enstone sowie dem Motorenwerk in Viry-Châtillon lobt. "Der Teamgeist ist in den letzten Jahren gewachsen. Das konnte man anhand des R25 ablesen."

Kaum war Gascoyne bei Renault verschwunden, installierte er das gleiche System auch bei Toyota - und siehe da: Langsam trägt dies auch bei den Weiß-Roten Früchte. "Statt im jährlichen Zyklus zu arbeiten, also ein Auto zu entwickeln, es in den Rennen fahren zu lassen und gleichzeitig zu versuchen, ein neues zu designen, arbeiten wir im Zwei-Jahres-Turnus", beschreibt Gascoyne seine Philosophie.

So lange der erste Projektleiter Paul White in der vergangenen Saison an der Weiterentwicklung des TF105 arbeitete, betreute der zweite Projektleiter John Litjens bereits die Arbeiten am nächstjährigen TF106. Momentan bereitet Paul White die Arbeit am 2007er Modell vor.

Der Unterschied zwischen Toyota und Renault: Bei den Japanern wird alles unter einem Dach in Köln-Marsdorf gefertigt. Sowohl der Motor als auch das Chassis. Somit werden nicht nur die beiden Projektleiter miteinander kurzgeschlossen, sondern auch immer die Motorenseite und Luca Marmorini mit einbezogen.

Ein F1-Team besteht aus mehr als nur den Fahrern., Foto: Sutton
Ein F1-Team besteht aus mehr als nur den Fahrern., Foto: Sutton

"Sie arbeiten gemeinsam im selben Büro und nehmen an den Meetings des anderen teil. Sie wissen also immer, was los ist", beschreibt Gascoyne die Arbeitsweise der beiden Projektleiter. "Am Ende des Tages halten sie über Chefdesigner Gustav Brunner Rücksprache mit mir, und ich kann sicherstellen, dass alle in die Richtung arbeiten, die ich vorgebe."

Für Toyota-Präsident John Howett spiegelt sich dies in der Philosophie der Japaner wider: "Ein Grund warum Toyota so gute PKW baut, ist der feste Glaube daran, dass die Mitarbeiter am besten wissen, worauf es ankommt", sagt der Brite. "Dies ist ein integraler Bestandteil der Firmenphilosophie. Sie werden ermutigt, Verbesserungsvorschläge einzubringen."

"Jene, die die Teile herstellen, können zu den Designern gehen und Vorschläge bezüglich der Konzeption vorbringen, um sie schneller und einfacher zu produzieren", gibt er ein Beispiel. "Durch diesen Dialog finden sie gemeinsam eine bessere Lösung. Das Mitspracherecht ist eine von Toyotas Stärken."

Bei Renault läuft das zumindest in den Einflussbereichen von Teamboss Flavio Briatore, und diese sind überall, etwas anders ab. "Ein Team muss militärisch organisiert werden", hält Briatore dagegen. "Okay, es gibt Phasen, in denen man mal entspannen kann, aber nicht auf Kosten dessen, dass man irgendetwas durchgehen lässt."

"Wenn Sie mit so vielen Leuten an einer Sache arbeiten wie ich, dann brauchen Sie eines: Disziplin! Meine Aufgabe ist es, Stabilität ins Team zu bringen. Und wenn es nötig ist, scheue ich einfach nicht davor zurück, wichtige Entscheidungen zu fällen."

Ein Gruß in die Fabrik., Foto: Sutton
Ein Gruß in die Fabrik., Foto: Sutton

Deshalb fällt es Briatore schwer, "jemandem eine zweite Chance" einzuräumen. Schließlich könne man "nicht jedem" gefallen. "Wenn du etwas falsch machst, dann wirst Du es irgendwann noch mal falsch machen", sagt er ohne mit der Wimper zu zucken. "Jeder kann mal einen dämlichen Fehler machen – wir alle tun das – aber wenn Sachen wirklich klar ausgegeben worden sind und nicht befolgt werden, dann kann ich das nicht akzeptieren. Ich werde keine schlechte Einstellung oder Unruhestifterei hinnehmen." Und das gilt für alle: Egal ob Fahrer, Ingenieure oder Mechaniker.

Genauso ernst, aber mit ein bisschen mehr Humor wird in Milton Keynes gearbeitet. "Wir nehmen unsere Sache unheimlich ernst", betont Christian Horner, "aber es gibt keinen Grund auch etwas Spaß zu haben. Wenn die Leute ihre Arbeit gerne machen, dann machen sie sie besser."

Das beste Beispiel liefert David Coulthard, der bei McLaren Mercedes als perfekter Gentlemen und PR-Fahrer galt und nun bei Red Bull sogar einen Bart tragen und flotte Sprüche abgeben darf. "Bei McLaren Mercedes war man doch nur ein Fahrer und ein Marketinginstrument", blickt er zurück. "Hier erlebe ich auch eine andere Seite des Jobs - nämlich neue Leute, mit denen ich früher schon zusammengearbeitet hatte, ins Team zu holen und gemeinsam die Entwicklung voranzutreiben."

Und tatsächlich: Der Schotte nahm großen Einfluss auf die Entscheidungen potenzieller Neuzugänge. Neben Adrian Newey lockte er auch Anton Stipinovich von McLaren zu RBR. Von heute auf Morgen wird aber auch ein Adrian Newey die dunkelblaue Red Bull Welt nicht verändern können.

"Newey kommt Anfang nächsten Jahres an Bord, aber er wird eine gewisse Eingewöhnungszeit benötigen, um sich mit unseren Strukturen vertraut zu machen", weiß Horner. "2007 wird sich dann die Verpflichtung von Adrian erst richtig auszahlen." Denn dann hat er sich mit der vorhandenen Struktur vertraut und seinen eigenen Einfluss geltend gemacht. Wozu das führen kann, zeigen die Hinterlassenschaften von Kollege Gascoyne in Enstone und Köln-Marsdorf.