Der Formel-1-Freitag in Monaco ist Geschichte und die Prognosen vor dem Rennwochenende im Fürstentum scheinen sich bewahrheitet zu haben. Ferrari rückt Max Verstappen erstmals in diesem Jahr ganz dicht auf die Pelle und könnte sogar die Nase ein bisschen vorne haben, während auch Fernando Alonso vorne mitmischt.

Sowohl bei Ferrari als auch bei Red Bull herrscht noch ausreichend Aufholbedarf bis zum Qualifying am Samstag. In beiden Lagern ist man mit der Balance des Boliden noch nicht zufrieden. Die letzten Kniffe am Setup könnten sowohl für die Mannschaft aus Maranello als auch für die erfolgsverwöhnte Milton-Keynes-Truppe den Ausschlag geben um im so häufig alles entscheidenden Qualifying die Nase vorne zu haben.

Red Bull verzockt Setup: Planänderung nach FP1

Den schlechtesten Start in den Trainings-Freitag erwischte Red Bull. Bei den Bullen hatte man ein bisschen zu stark auf das Setup aus dem Simulator vertraut, doch die Sim-Abstimmung erwies sich als Schlag ins Wasser. Dadurch verlor man das komplette erste Training. Erst für FP2 konnte man die Abstimmung korrigieren. "Jetzt sind wir in die richtige Richtung unterwegs, aber es ist immer noch nicht ideal", sagte Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko.

Max Verstappen kam mit dem RB19 in FP2 schon deutlich besser zurecht, die Defizite blieben aber markant. "Es fehlt uns immer noch einiges am Auto. Wie es sich auf den Kerbs und auf den Bodenwellen verhält. Daran müssen wir arbeiten", kritisierte der Niederländer.

Sergio Perez im Niemandsland

Bei Sergio Perez stellte sich auch nachdem Red Bull das Fahrzeug-Setup vollkommen überarbeitete, keine Verbesserung ein. Die Setup-Änderungen zwischen FP1 und FP2 bewirkten an seinem Boliden sogar eine Verschlechterung. Der Vorjahres-Sieger findet in Monaco keinen Zugang zu seinem Auto. Seine größten Baustellen gibt es auf den langsamsten Ecken des Kurses. Konkret verliert er auf Verstappen vor allem in der Haarnadel in Sektor 2, als auch in Rascasse (Kurve 18), aber auch auf der restlichen Runde ist er der langsamere Bulle.

Wenn sich daran nicht dramatisch etwas ändert, befindet sich wohl nur ein Red Bull im Kampf um Startplatz 1. Der Gegner in Rot ist etwas schwieriger auszumachen. Carlos Sainz erwischte den besten Start in den Freitag und sah auch in FP2 lange gut aus. "Was die Zuversicht und die Rundenzeit angeht, waren wir den ganzen Tag voll dabei", so der Spanier. Doch er war es auch, der seinen Ferrari während FP2 in der Mauer versenkte.

Charles Leclerc hingegen schimpfte etwas mehr über sein Auto. Während FP2 richtete er ähnliche Klagen an sein Team, wie Verstappen es bei Red Bull tat. Die Bodenwellen machten Probleme, ganz besonders jene vor Mirabeau. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, der schnellere der beiden Ferraris zu sein - schon vor Sainz' Unfall. An dieser Stelle müsste Ferrari wohl Kompromisse am Setup eingehen, etwa über die Steifheit der Aufhängung oder über die Fahrzeughöhe. Das würde natürlich auf Kosten der Rundenzeit gehen.

Die Furcht von Red Bull von den Ferraris kommt nicht von ungefähr. "Der Ferrari hat aus den engen Kurven heraus die bessere Traktion und natürlich wärmen sie die Reifen besser auf als wir", analysiert Dr. Helmut Marko. Reifentemperatur ist ein gutes Stichwort. Das ist nämlich in Monaco besonders kritisch. Vor allem an der Front ist es schwierig die Pneus auf der ersten schnellen Runde ins Arbeitsfenster zu bekommen, wie Pirelli-Chefingenieur Simone Berra festhielt.

Im zweiten schnellen Versuch ist das Arbeitsfenster der Pirellis breiter und somit einfach zur treffen. Mit zunehmender Zeit wird der Hinterreifen der limitierende Faktor. Wie in Monaco beinahe üblich, kann man also mehrere schnelle Runden auf einem Reifensatz erwarten. Dass Ferrari die Reifen schneller auf Temperatur bekommt, zeichnete sich bereits in den bisherigen Formel-1-Rennen 2023 ab, genauso wie der Traktionsvorteil aus langsamen Ecken heraus.

Red Bull fürchtet Charles Leclerc

Bei Red Bull hat man sowieso in erster Linie Charles Leclerc auf der Rechnung. Bei einem Blick in die Daten zeigt sich auch warum. Der Monegasse profitiert von den allgemeinen Ferrari-Stärken am Kurvenausgang, macht aber auch an den harten Bremspunkten etwas mehr Zeit gut als Sainz. Sainz holt seine Rundenzeit verteilt auf der ganzen Strecke heraus, während Leclerc an einzelnen Stellen überdurchschnittlich viel verliert (wie etwa die vorhin angesprochene Kurve 5). Falls Ferrari diese Stellen bei ihm in den Griff bekommt, ist der Lokalmatador ein ganz heißes Eisen auf die Pole.

Geheimfavorit Fernando Alonso?

Wirklich glücklich mit seinem Auto war am Freitag im Spitenfeld nur einer und das war der Strahlemann der bisherigen Formel-1-Saison: Fernando Alonso. Der Spanier lobte die Balance des Aston Martins in höchsten Tönen. "Ich bin schon mit viel Zuversicht hierher gekommen und das Auto hat mich auch heute nicht enttäuscht. Das Auto fühlte sich einfach zu fahren an", freute sich der zweifache Monaco-Sieger.

Aston Martin macht seine Rundenzeit vor allem im flüssigeren Streckenabschnitt zwischen der Hafenschikane bis zur Ausfahrt nach der Schwimmbad-Schikane gut. Er ist unter den Spitzenpiloten aber der Außenseiter auf die Pole. "Alonso muss eine optimale Runde erwischen, auf der alles passt", rechnete Marko. Doch Alonso ist auf jeden Fall in Schlagdistanz.

Bislang konnte sich Alonso genauso wie das Red-Bull-Duo auf die Rennpace verlassen. Doch auf dem Circuit de Monaco ist das ein zu vernachlässigender Faktor, denn Überholen ist bekanntermaßen so gut wie unmöglich. Aston Martin und Mercedes fuhren auf den Longruns die schnellsten Zeiten. Die Red Bulls waren langsamer, dafür aber am konstanten unterwegs. Marko fasste es passend zusammen: "Auf dem Longrun waren wir sehr gut, aber das hilft hier ja gar nichts." Den ganzen Qualifying-Tag der Formel 1 heute in Monaco gibt es hier im Liveticker.