Österreich, Zeltweg. Wir schreiben das Jahr 1979. Es ist ein Mittwoch und wir stehen in der Boxengasse des Österreichrings. Am Wochenende steigt hier der alljährliche Formel 1-GP. Damals hatten 13jährige Formel 1-Fans noch keinerlei Probleme, in das Fahrerlager einzudringen - und so stehen wir einfach nur da und beobachten einen sehr kleinen Mann mit schiefer Brille - der Mann im blütenweißen Hemd ist mit einem Funkgerät bewaffnet und verhält sich auffallend. Als er damit beginnt, die Mistkübel einer genauen Inspektion zu unterziehen, dämmerst es uns - das kann nur Bernie Ecclestone sein, der große Drahtzieher, der Zirkusdirektor, der nichts dem Zufall überlässt. Als er uns entdeckt und sein Blick uns zu mustern beginnt, beschließen wir kurzfristig, den Standort zu wechseln - man weiß ja nie, und ohne jedes Ticket sollte man - auch damals schon - besonders vorsichtig sein...

Somit haben wir den typischen Einstieg für eine Bernie Ecclestone-Geburtstagsgeschichte erschaffen. Der große kleine Kontrollfreak, der eigenhändig die Mistkübel kontrolliert. Das ist so Ehrfurcht einflößend wie jene Story, in der es heißt, dass Niki Lauda in seinen Flugzeugen schon mal selbst Hand anlegt beim Reinigen der Bord-Toiletten - auch da wird suggeriert: Der wirkliche Big Boss gibt die Kontrolle niemals ab - er kontrolliert einfach alles!

Alle lieben Bernie

Bernie Ecclestone wird heute 75 Jahre alt. Laut eigenen Worten möchte er noch weitere 25 Jahre unter uns bleiben und das Wort Pensionierung ist für den 1,58 Meter großen Briten ein Fremdwort: "Ich höre erst auf, wenn ich sterbe!" Ein Rücktritt von Bernie Ecclestone wird auch vielerorts gefürchtet - denn trotz seiner knallharten Geschäftsführung gilt Ecclestone immer noch als der Mann, dem alles zu verdanken ist. Im Chor sagen die Formel 1-Protagonisten: "Bernie hat die Formel 1 zu dem gemacht, was sie heute ist." Und auch Siebenfachweltmeister Michael Schumacher streut Ecclestone Rosen: "Alles, was er macht, hat Hand und Fuß. Er ist der Chef, derjenige, der die Formel 1 erfunden hat. Und wir wissen, dass wir uns auf ihn verlassen können."

Bernie Ecclestone 1978 - im Gespräch mit James Hunt., Foto: Sutton
Bernie Ecclestone 1978 - im Gespräch mit James Hunt., Foto: Sutton

Dass Bernie Ecclestone 75 Prozent der kommerziellen Rechte an ein Banken-Konsortium verkauft hat, wird ihm von vielen verziehen - schließlich hat er immer noch einen überproportioanlen Einfluss auf die Königsklasse - er ist immer noch der große Drahtzieher. Und er ist in seinem Herzen immer noch ein "Racer" - und das sagt nicht nur Ecclestone selbst. Der scheidende Minardi-Boss Paul Stoddart erklärte in einem Abschieds-Interview mit der Fachzeitung Motorsport aktuell: "2003 stand Minardi auf der Kippe. Ecclestone hat mir damals verbindlich zugesagt, dass er notfalls Anteile kaufen würde - wenn das nötig sei, um Minardi zu retten. Wie gesagt: Notfalls. Allein mit dieser Zusicherung stieg das Ansehen von Minardi plötzlich so dramatisch, dass ich neue Einnahmen generieren konnte." Und so sagt Stoddart: "Ich bin Bernie für diese Hilfestellung sehr dankbar. Er hat damit bewiesen, dass er sich wirklich um das Wohl der Formel 1 kümmert und auch die kleinen Teams im Blick hat." Dass ihm Ecclestone zuvor nahe gelegt hat, er möge sich "verpissen", erwähnt Stoddart nicht - aber Hunde die bellen, beißen nicht - und wir lernen: Sie retten einem mitunter sogar das Leben.

Paul Stoddart erklärt den Unterschied zwischen FIA-Präsident Max Mosley und Bernie Ecclestone - aus seiner Perspektive: "Mosley - wie der sich im Verlaufe dieses Jahres präsentiert hat - einfach entsetzlich. Er trägt die Schuld an all den Problemen. Mit Bernie hat niemand Probleme im Fahrerlager. Im Gegenteil: Wir alle lieben ihn!"

Big Business mit Bleistiften und Fahrradpumpen

Das könnte auch daran liegen, dass Bernie Ecclestone wirklich ganz unten begonnen hat - als Gebrauchtwagenhändler. Oder auch daran, dass er eigentlich Rennfahrer werden wollte und es auch probiert hat. Zunächst als Beifahrer im Seitenwagensport. Als Pilot hat er es sogar bis in die Formel 1 geschafft - allerdings verpasste er bei seinem Monaco-Gastspiel die Rennqualifikation. Nach einem schweren Unfall mit einem Formel 3-Boliden beendete der Kurzsichtige seine aktive Karriere.

Bernie Ecclestone 1981 - im Gespräch mit Ken Tyrrell., Foto: Sutton
Bernie Ecclestone 1981 - im Gespräch mit Ken Tyrrell., Foto: Sutton

Längst wusste er, dass er über ein goldenes Management-Händchen verfügt - angeblich soll Klein-Bernie, als Sohn eines Fischkutterinhabers, schon in der Volksschule mit Bleistiften und Fahrradpumpen Geld gemacht haben. Er begann im Management, betreute beispielsweise den legendären Jochen Rindt. Später dann agierte er als Teamchef, in der Formel 1 leitete er lange Zeit das Brabham-Team. Und schon 1971 gründete er die FOCA ("Formula One Constructors Association"), die Vereinigung der Formel 1-Rennställe. Seit 1978 zieht er als Inhaber der Fernsehrechte den TV-Stationen die Kohle aus der Tasche...

Die Kehrseite der Medaille

Zwar hat Bernie Ecclestone der Formel 1 ihren Status als weltweit größte Rennserie erarbeitet - doch die Medaille hat auch eine Kehrseite, die bei all den Huldigungen zum 75er quasi unter den Tisch fällt. Denn es ist Bernie Ecclestone, der den Veranstaltern den letzten Cent raubt - und damit sorgt er für die stark überhöhten Eintrittspreise. Ecclestone hat die Formel 1 groß gemacht, er hat sie aber auch aus der Reichweite der Fans gerückt. Der Mann, der auf der britischen Insel mit einem Vermögen von rund drei Milliarden Euro als der sechstreichste Einwohner gilt, wischt solcherlei Bedenken grantig vom Tisch: "Die Eintrittspreise sind nicht zu hoch..."

Bernie Ecclestone 1994 - im Gespräch mit Michael Schumacher., Foto: Sutton
Bernie Ecclestone 1994 - im Gespräch mit Michael Schumacher., Foto: Sutton

Doch abseits der Eintrittskassa beweist Ecclestone dennoch immer wieder, dass er auch wissen dürfte, dass er seine Erfolgsstory ohne die Fans nicht geschrieben hätte. Und so hat er sich erst jetzt wieder dafür eingesetzt, dass die Formel 1 im kommenden Jahr nicht noch ein Jahr mit einem Qualifikationsmodus fährt, den die große Mehrheit der Fans nicht haben möchte...

Privat gilt Bernie Ecclestone als ein liebenswürdiger Familienvater, der zuhause von seinen drei Frauen (die um 25 Zentimeter größere und 30 Jahre jüngere zweite Ehefrau Slavica und die beiden Töchter Tamara und Petra) zum Geschirrabwaschen verurteilt wird. Für sein tägliches Wohlbefinden brauche er nur eines, sagt Bernie Ecclestone: "Mein Flugzeug, mein Steak und einen Salat." In diesem Sinne: Alles Gute zum 75igsten! Guten Flug und Mahlzeit, Herr Zirkusdirektor!