Die Formel 1 wirft in jedem Jahr unzählige neue Fragen auf und gibt nur zu selten Antworten auf diese. Zu Jahresbeginn bewegt uns traditionell aber nur eine einzige Frage: Haben die zehn Teams in der zurückliegenden Winterpause ihre Hausaufgaben gut gemacht?

In unserer alljährlichen ersten Saisonvorschau fragten wir uns deshalb vor dem Beginn der Saison 2005: "Haben die Teams die Hausaufgaben vielleicht so gut gemacht, dass sie von Saisonbeginn an mit dem Klassenprimus der vergangenen Semester mithalten oder diesen sogar übertrumpfen können?"

In der längsten F1-Saison aller Zeiten sollte es lange nicht alle der 19 WM-Läufe brauchen, um diese Frage mit einer vernichtenden Antwort für den ehemaligen Klassenprimus aus Maranello zu beantworten. Nach dem Ende der Mammutsaison stellen wir nun die zweite wichtige Frage eines jeden F1-Jahres: Haben die Teams ihr Saisonziel erreicht?

Minardi: Ein Abschied ohne Wunder

Patrick Friesachers F1-Abenteuer endete vorzeitig., Foto: Sutton
Patrick Friesachers F1-Abenteuer endete vorzeitig., Foto: Sutton

Das Saisonziel: Überleben - und danach den Kampf gegen Jordan aufnehmen.

Die Punkteausbeute: 7 - dem Indy-Debakel sei Dank.

Die Teambilanz: Minardi war schon immer ein Hinterbänkler-Team. Dennoch flogen den sprichwörtlich Kleinen aus Faenza nicht nur die Sympathien zu. Die Truppe von Paul Stoddart stand trotz ihrer auf Dauer gepachteten roten Laterne von jeher in den Schlagzeilen. Unter anderem aufgrund des nie enden wollenden Überlebenskampfes.

Mit dem Ende der Saison 2005 zogen die Weiß-Schwarzen einen klaren Schlussstrich unter den Hochseilakt ohne Netz und doppelten Boden: Paul Stoddart verkaufte seinen Rennstall an Didi Mateschitz und Red Bull. Damit verschwindet zwar einer der traditionsreichsten Rennstallnamen aus der F1-Welt, aber das Team lebt als Squadra Toro Rosso weiter.

Entsprechend muss die Saison 2005 als voller Erfolg gewertet werden. Und das obwohl die Mannschaft aus dem kleinen Faenza in dieser Saison keines ihrer berüchtigten Wunder verbringen konnte. Jedenfalls was den sportlichen Part betrifft. Schließlich sind die 7 WM-Zähler aus den USA weniger auf ein Wunder, als vielmehr auf das Reifen-Fiasko zurückzuführen.

Dennoch konnte das Team in seiner Abschlusssaison mehrfach mit guten Leistungen überraschen. Diese reichten zwar nicht zum Sprung in die Punkteränge. Dafür standen die Minardi-Boliden ein ums andere Mal überraschend vor den gelben Autos aus Silverstone. Diese hatte Paul Stoddart auch zum Gegner Nummer 1 auserkoren. Nach dem Debüt des PS05 hatte man plötzlich wieder einen Gegner auf der Strecke! Eine Erfahrung, welche die Italiener seit Jahren vermissten.

Am Ende fehlte ihnen jedoch das notwendige Quentchen Glück, um in Indianapolis bim Mini Prix der Lächerlichkeit einen Podestplatz einzufahren oder bei den Regenrennen gegen Saisonende mit einem glücklichen Händchen sowie der richtigen Strategie den Sprung in die Punkte zu schaffen.

Christijan Alber durfte die gesamte Saison absolvieren., Foto: Sutton
Christijan Alber durfte die gesamte Saison absolvieren., Foto: Sutton

Die Fahrerbilanz: Auf der Fahrerseite bestritten gleich drei Piloten Rennen für die kleine Scuderia aus Italien. Die größte Überraschung war dabei die Verpflichtung des Österreichers Patrick Friesacher als Stammpiloten. Dieser konnte es selbst kaum glauben, dass er nicht als Test-, sondern als Stammfahrer in die F1 aufstieg. Ebenso unfassbar war für ihn sein vorzeitiger Abschied aus der Königsklasse: Die Sponsorengelder gingen aus und Friesacher wurde gegen Robert Doornbos ausgetauscht.

Zuvor konnte der Österreicher aber zumindest zu Saisonbeginn mehrmals auf sich aufmerksam machen und seinen Teamkollegen Christijan Albers bei einigen Gelegenheiten entzaubern. Gegen Saisonmitte gewann allerdings der Ex-DTM-Vizechampion die Oberhand im unvollendeten Teamduell.

In der niederländischen Meisterschaft zwischen Albers und Doornbos gab es gegen Saisonende ein Unentschieden. Keiner der Beiden schaffte den Sprung in die Punkte. Aber beide fahrenden Holländer wussten hin und wieder die Jordan zu ärgern.

Die Expertenmeinung: "Es ist schade, dass der Name Minardi aus der Formel 1 verschwinden wird. Denn dort haben viele Fahrer die Möglichkeit bekommen erstmals F1-Luft zu schnuppern und den Rennzirkus ohne großen Druck kennen zu lernen. Dieses Privileg wird in Zukunft wohl nur noch Red Bull Junioren vorbehalten bleiben." (Sven Heidfeld)

Saisonziel erreicht? Ja - sogar übererfüllt.

Jordan: Abschied in Gelb

Jordan engagierte den schnellsten Inder auf Rädern., Foto: Sutton
Jordan engagierte den schnellsten Inder auf Rädern., Foto: Sutton

Das Saisonziel: Eine gute Basis für das 1. Jahr als MidlandF1 schaffen.

Die Punkteausbeute: 12 - dank des Fiaskos von Indy und des Regens von Spa.

Die Teambilanz: Lange wurde über mögliche Käufer des Jordan Teams spekuliert. Diverse arabische Konsortien und Stahlmagnaten machten die Runde. Am Ende erhielt Alex Shnaider mit seiner Midland Gruppe den Zuschlag. Eddie Jordan dankte ab und Shnaider zog seinen F1-.Enstieg um ein Jahr vor.

Allerdings wollte er unter dem Namen Jordan GP nicht mehr Geld als unbedingt nötig in das Team stecken. Schließlich würde das ja nicht dem Image des Midland Konzerns zugute kommen. Außerdem befand sich Jordan nach Aussagen der neuen Teamführung in einem derart schlechten Zustand, dass die Konsolidierung der Gelben mehr Gelder verschlang, als man eingeplant hatte.>

Auf der Strecke schlug sich dies in der ersten Saisonhälfte in einer quasi nicht vorhandenen Weiterentwicklung nieder. Danach wurde der überarbeitete EJ15B zum großen Hoffnungsträger hochstilisiert. Allerdings verspätete sich dieser immer mehr. Einen Quantensprung stellte nach seinem Debüt erwartungsgemäß nicht dar.

Hinter den Kulissen sorgte der vorzeitige Abgang von Sportdirektor Trevor Carlin für ebensolche negativen Nebentöne, wie die wenig positiven Einschätzungen des Geschäftsführers Colin Kolles, der bei vielen mit seinem Auftreten auf wenig Gegenliebe stieß.

Die Gelben bekommen für 2006 neue Faren., Foto: Sutton
Die Gelben bekommen für 2006 neue Faren., Foto: Sutton

Die Fahrerbilanz: Einer der mit Kolles aneinander geriet war der selbst ernannte schnellste Inder auf Rädern: Narain Karthikeyan. Der ehemalige Carlin-Schützling schien nach einem öffentlichen Wortgefecht fast schon alle Chancen auf ein Cockpit für 2006 verspielt zu haben, konnte sich aber durch gute Leistungen wieder aus der Schusslinie nehmen. Dennoch lässt er auch heute keine Gelegenheit für einen Seitenhieb gegen seinen Managing Director aus.

Ganz anders Tiago Monteiro. Der Portugiese hatte das zweite Cockpit ebenso überraschend erhalten wie Narain das seine. Allerdings konnte er durch seine unglaubliche Zielankunftsserie von 18 Zielankünften in 19 Rennen, seinen Podestplatz vom Mioni Prix in den USA sowie seinem Punktgewinn in der Nässe von Spa-Francorchamps gewichtige Argumente auf seinem Konto verbuchen.

Im direkten Duell präsentierten sich die beiden Jordan-Piloten weitestgehend ausgeglichen: Während Monteiro die Saison unter Wert begann, steigerte sich der Südeuropäer im Laufe des Jahres immer mehr. Narain Karthikeyan ließ hingegen nach einem akzeptablen Start zu Saisonmitte etwas nach, was auch Wechselgerüchte um seine Person schürte. Ob zumindest einer der beiden auch 2006 in der F1-Welt zu sehen sein wird, bleibt angesichts der vielen Ungewissheiten bei Midland zu bezweifeln.

Die Expertenmeinung: "Früher war Jordan noch etwas Besonderes. Sie boten Rock'n'Roll, Boxenluder und Fun. Diese Rolle hat nun Red Bull für sie übernommen. Jordan ist hingegen nur noch gelb. Und das auch nicht mehr lange..." (Sven Heidfeld)

Saisonziel erreicht? Ja und nein - Es hat sich nicht viel getan.

Sauber: Ein Abschied mit Wehmut

Der Sauber lief nicht immer wie ein Schweizer Uhrwerk., Foto: Sutton
Der Sauber lief nicht immer wie ein Schweizer Uhrwerk., Foto: Sutton

Das Saisonziel: So viele Punkte wie möglich sammeln. Ab Saisonmitte: Das 1. Jahr als BMW-Werksteam vorbereiten.

Die Punkteausbeute: 20 - mit vielen Nullern über das Jahr verteilt.

Die Teambilanz: Zu Sportwagenzeiten war das Sauber-Team bereits Weltmeister; sogar Doppelweltmeister. In dieser Saison bekamen die Hinwiler mit Jacques Villeneuve auch ihren ersten F1-Champion. Allerdings brachte dieser nicht nur PR- und Medien-Präsenz mit sich. Er sorgte auch für einen enttäuschenden Saisonstart.

Erst in Bahrain konnten die Schweizer ihre ersten Saisonzähler einfahren, welchen in diesem Jahr nur sporadisch weitere folgten. Der Aufwärtstrend des Vorjahres konnte nicht fortgesetzt werden. Konnten Felipe Massa und vor allem Giancarlo Fisichella anno 2004 noch bei jedem Rennen auf neue Teile und Entwicklungen zählen und damit bis zum Saisonende die Performance des Autos immer weiter steigern, so ließen die Hinwiler in dieser Saison merklich nach. Oder anders ausgedrückt: Sie konnten sich zumindest nicht mehr großartig verbessern.

Der Grund dafür ist ebenso offensichtlich wie verständlich: Nach der Bekanntgabe des BMW-Deals wurden fast alle Energien auf die Vorbereitungen für die erste Saison als BMW-Werksteam umgeleitet. Der Fokus lag demnach nicht mehr auf den Abschieds-Rennen als Sauber Team. Stattdessen wurde über Personalneueinstellungen, Fabrikerweiterungen und das anstehende Aufbaujahr diskutiert.

Zum Ende reichte es dank Felipe Massas sechsten Rang in Shanghai aber dennoch zu einem versöhnlichen und würdigen Abschluss des F1-Abenteuers von Peter Sauber. Die F1-Welt wird ihn ebenso wie die tapferen Recken von Minardi und die Spaß-Truppe von Eddie Jordan vermissen!

Felipe Massa stahl Jacques Villeneuve die Show., Foto: Sutton
Felipe Massa stahl Jacques Villeneuve die Show., Foto: Sutton

Die Fahrerbilanz: Vor Saisonbeginn beugten viel Experten das zweite Comeback von Ex-Champion Jacques Villeneuve mit skeptischen Argusaugen. Er Kanadier hatte bei seinem kurzen Renault-Gastspiel zum Ende der Vorsaison nicht überzeugen können. Deshalb war es für seine Kritiker ein gefundenes Fressen, als er auch in seinen ersen Grand Prix für Sauber enttäuschte.

Seine Begründung: Das Team teste zu wenig und er komme mit dem Fahrverhalten des Boliden nicht zurecht. Viel besser erging es hingegen Felipe Massa, der das Team und dessen Auto schon lange genug kannte. Somit ist es nicht verwunderlich, dass es der Brasilianer war, der die meisten der insgesamt 20 Saisonpunkte für die Hinwiler einfuhr.

Dennoch konnte Villeneuve seine Form im Laufe des Jahres steigern und selbst für einige Ausrufezeichen sorgen. Sein bestes Ergebnis fuhr er mit ganzen 5 WM-Zählern beim San Marino GP ein. Ebenso gut schnitt Massa beim Heimspiel des Kanadiers in Montreal ab. Letztlich holte das Sauber-Duo, abgesehen von der dummen Kollision in Monaco, das Beste aus einem alles andere als perfekten Paket heraus.

Die Expertenmeinung: "Durch den BMW-Deal gehört Sauber eigentlich zu den großen Gewinnern der Saison. Auf der Rennstrecke konnten die Hinwiler in diesem Jahr aber nicht so sehr überzeugen wie noch 2004. Stattdessen traten die Schweizer abseits der BMW-Meldungen kaum in Erscheinung. Sie waren nicht schlecht, aber auch nicht überragend gut. Sauber fuhr im soliden Mittelfeld und vermittelte ganz eindeutig den Eindruck, dass man sich schon ausgiebig mit der Saison 2006 und dem Debüt als BMW-Werksteam beschäftigte." (Sven Heidfeld)

Saisonziel erreicht? Ja - aber mit Abstrichen.