Nächster heftiger Rückschlag für Charles Leclerc im Kampf um die Formel-1-WM 2022: Beim Großen Preis von Aserbaidschan scheidet der Ferrari-Pilot in Runde 21 mit einem zweiten Motorschaden binnen drei Rennen aus - und das, wie schon in Barcelona, in Führung liegend. Noch dazu sieht auch Carlos Sainz die Zielflagge nicht. Den Spanier stoppt ein hydraulischer Defekt bereits nach acht Runden. Damit nicht genug: Mit Guanyu Zhou und Kevin Magnussen scheiden noch zwei weitere Piloten mit Ferrari-Antrieb aus.

"Ich weiß es nicht", kommentiert Leclerc im ersten Interview nach seinem bitteren Aus Nachfragen zu den Gründen für die jüngst so hohe Schlagzahl an Problemen bei Ferrari. "Wir waren schnell und wir hatten im ersten Teil der Saison keine besonders großen Probleme. Jetzt haben wir ein paar mehr verglichen mit dem Start der Saison, obwohl wir nichts geändert haben. Wenn, dann haben wir es verbessert. Deshalb ist es jetzt schwer zu verstehen", grübelt Leclerc.

Formel 1 Baku: Leclerc in WM-Tabelle wegen Ausfall weit zurückgefallen

Ein genaues Bild, was genau passiert sei, habe er noch nicht, so der Monegasse während des noch laufenden Rennens. "Aber es schmerzt. Wir müssen das wirklich ansehen, damit es nicht wieder passiert. Ich finde wirklich nicht die richtigen Worte, um es zu beschreiben. Es ist sehr, sehr enttäuschend. Wir müssen das anschauen", fordert Leclerc.

In der WM-Tabelle liegt Leclerc wegen des nächsten Verstappen-Sieges nun bereits 34 Punkte hinter dem Niederländer. Selbst Sergio Perez ist dank P2 vorbeigezogen und Leclerc um 13 Zähler enteilt. "Mir fehlen die Worte dafür. Das ist einfach eine riesige Enttäuschung. Ich hoffe, ich kann das wieder umdrehen", sagt Leclerc.

Gridstrafe für Leclerc in Kanada? Ferrari muss Motor erst analysieren

Zur genauen Ursache des Motorschadens kann auch Ferrari-Teamchef Mattia Binotto kurz nach dem Rennen noch keine genaueren Informationen liefern. "Wir müssen erstmal schauen, was passiert ist und dann nach Antworten suchen", sagt der Italiener. Auch eine Getriebestrafe schon beim nächsten Rennen in Kanada sei noch nicht ausgemacht. "Ich weiß noch nicht genau, was nötig ist. Wenn wir etwas austauschen müssen, werden wir es tun", sagt Binotto. Erst am Freitag hatte Ferrari Leclerc einen neuen Turbolader verpasst, den bereits dritten der Saison. Somit operiert der Monegasse nun bereits mit allen Hauptelementen der Power Unit am absoluten Limit.

Das Problem: Weil der Kanada-GP bereits am kommenden Wochenende im fernen Kanada stattfindet, bleibt Ferrari für einen angekündigten Check der Power Unit in Maranello und einen Weiterversand nach Montreal extrem wenig Zeit. Das weiß auch Binotto, weicht auf Nachfrage allerdings aus. "Bevor wir genau wissen, was wir jetzt kurz-, mittel und langfristig machen, müssen wir es erstmal verstanden haben", betont der Ferrari-Leiter. "Dafür ist es jetzt noch ein bisschen zu früh." Dass Ferrari in Zukunft die Leistung drosseln muss, erwartet der gelernte Ingenieur allerdings nicht. "Ich denke nicht, dass es sich auf die Leistung auswirkt. Wir müssen die Power Unit jetzt einfach verstärken", sagt Binotto.

Charles Leclerc in Führung liegend raus: Aber wirklich auf Siegkurs?

Dafür zeigt sich der Italiener zuversichtlich. "Das Team hat bewiesen, dass es in der Lage ist Probleme zu läsen. Das bleibt auch in Zukunft zu", versichert der Italiener. Allerdings müsse man nicht nur die Defekte aufarbeiten. "Wir haben auch gesehen, dass wir heute nicht die Schnellsten waren." So führte Leclerc zum Zeitpunkt des Ausfalls nur, weil er nach verlorenem Start gegen Perez eine VSC-Phase in Runde neun zum zeitsparenden Reifenwechsel von Medium auf Hard genutzt hatte und so nach den etwas späteren Red Bull-Stopps die Führung behielt. Durch den nun neun Runden längeren Stint und angesichts des schnell aufholenden Verstappen sah es realistisch betrachtet allerdings nicht sonderlich gut aus.

Leclerc sieht das etwas anders. "Im ersten Stint waren wir nicht so stark, aber dann konnte ich auf Checo aufholen, dann kam schon das VSC", berichtet Leclerc. "Wir haben uns entscheiden, die Gelegenheit zu nutzen. Ich denke, das war richtige Wahl. Ich lag dann in Führung und habe meine Reifen schonen können. Wir wussten, dass wir die Reifen dann bis zum Ende schonen mussten, waren aber in der besten Position dafür. Aber dann bin ich wieder einmal nicht ins Ziel gekommen. Das tut richtig weh."

Carlos Sainz scheidet mit Hydraulik-Defekt aus

Überhaupt erst heraufbeschwört hatte das virtuelle Safety Car ausgerechnet Teamkollege Carlos Sainz. In Kurve vier fingen die Kameras plötzlich seinen Ferrari in der Auslaufzone ein. Das Brake-by-wire habe versagt, meldete Sainz am Funk. Später klärte Ferrari auf: Es handelte sich um einen hydraulischen Defekt. "Wirklich schade", klagt Sainz. "Eigentlich bin ich ganz gut reingekommen, ich hatte die Reifen gut im Fenster, fing an, zu pushen und habe nach vorne aufgeschlossen. Aber dann gab es ein Problem mit der Hydraulik. Sehr, sehr schade."

Wie Leclerc fordert Sainz eine Aufarbeitung. Ganz wichtig sei es dabei nun, weiter als Team zusammen zu stehen. Umso mehr gelte das bei insgesamt gleich vier Ausfällen für Ferrari-befeuerte Autos an diesem Sonntag. Sainz: "Das Team weiß, dass wir uns bei der Zuverlässigkeit verbessern müssen. Eigentlich waren wir da gut. Aber besonders ich hatte sehr viel Pech. Da ist es dann auch schwer, in Schwung zu kommen. Wenn immer etwas ist. Und heute auch schon in der neunten Runden. Ich muss Runden fahren! Diese Saison läuft einfach nicht in meine Richtung."

Zumindest das Aus Zhous hatte nichts mit der Power Unit von Ferrari zu tun, berichtet Binotto. Bei Magnussen sah es durch Rauchentwicklung am Heck eher danach aus, ein Einschätzung abgeben wollte oder konnte Binotto hier allerdings noch nicht.

WM-Tabelle Formel 1: Red Bull jetzt 80 Punkte vor Ferrari

In der WM-Wertung der Formel 1 verlor Sainz durch seinen Ausfall wieder deutlich an Boden auf die Spitze. 67 Punkte fehlen auf Verstappen. Selbst George Russell im deutlich langsameren Mercedes ist dem Ferrari-Fahrer (P5) um 16 Punkte enteilt. In der Konstrukteurswertung sieht es für Ferrari nach der ersten Nullnummer des Jahres sogar noch schlechter aus als für beide Fahrer. Runde 80 Punkte fehlen auf Red Bull. Mercedes liegt nur 38 zurück.