"Natürlich ist es enttäuschend, nicht mehr um den Titel kämpfen zu können - aber wir wussten auch, dass nur noch wenige Rennen ausstanden und dass wir den Fahrertitel nur mit einer großen Portion Glück gewinnen konnten", sagte Kimi Räikkönen, als alle Welt den neuen Champion Fernando Alonso zu feiern begann. Kühle, professionelle Worte - doch die Augen des "Iceman" - auf dem Siegerpodest, und nachher, im Pressesaal - ließen doch ein wenig erahnen, wie sich der Finne in dem Moment seiner endgültigen Niederlage gefühlt haben muss.

Denn diese zweite WM-Niederlage in seiner Karriere wäre nicht nötig gewesen, hätte McLaren-Mercedes weniger Defekte und Ausfälle produziert. Räikkönen: "Wir haben den Titel in diesem Jahr verloren, doch es hat keinen Sinn, über unsere Technikprobleme zu lamentieren - denn es ändert sich dadurch nichts. Es lief nicht perfekt für mich und für das Team, doch leider passieren diese Dinge nun einmal im Rennsport. Wir werden versuchen, diese Probleme zu minimieren und im kommenden Jahr den Titel zu holen."

Und dann sagt Räikkönen: "Für Fernando Alonso und für Renault war es ein gutes Jahr und er hat den Titel definitiv verdient. Wer immer am Ende der Saison, oder vor dem Ende der Saison, die meisten Punkte auf dem Konto hat, verdient es, Weltmeister zu werden. Und ich hege diesbezüglich keinerlei böse Gedanken." Und: "So etwas ist niemals schön - aber ich gratuliere Fernando zu seinem Titelgewinn, er hat es wirklich verdient..."

Zu oft musste Räikkönen einen Defekt hinnehmen., Foto: Sutton
Zu oft musste Räikkönen einen Defekt hinnehmen., Foto: Sutton

Zwischen den Zeilen lässt sich doch eine gewisse Bitterkeit ausmachen - seit dem Europa-Auftakt sitzt Kimi Räikkönen de facto im schnellsten Formel 1-Auto - und oft durfte er sich von hinten vorkämpfen, weil wieder einmal der Motor gewechselt werden musste. Die Meinungen gehen auseinander - aber nicht wenige Formel 1-Fans finden, dass der verlorene Fahrertitel einzig auf das Konto von McLaren-Mercedes geht. Dass Kimi Räikkönen jetzt für sein Team um den Konstrukteurstitel kämpfen darf, ist die Ironie des Schicksals.

Alleiniges Technikopfer?

Doch nicht alle sehen in Kimi Räikkönen ein alleiniges Technikopfer. Und nicht alle sehen in Fernando Alonso jenen Mann, der einfach nur seinen gelb-blauen Boliden ins Ziel tragen musste. Dass diese Simplifizierung, wie sie jetzt von manchen Räikkönen-Fans an den Tag gelegt wird, nicht wirklich gerecht ist, hat niemand anderer als Kimi Räikkönen höchstpersönlich unter Beweis gestellt. Denn während Fernando Alonso bei diesem geschichtsträchtigen Formel 1-Gastspiel in Brasilien einmal mehr eine fehlerlose und höchst professionelle Performance lieferte, hat der "Iceman" am Samstag, in seiner Qualifikationsrunde, einfach nur gepatzt. Und so wurde aus einer möglichen Pole-Position ein fünfter Startplatz, während sein Teamkollege Juan Pablo Montoya den schwer betankten Silberpfeil in die erste Startreihe stellte. Kimi Räikkönen hat somit jenen Alonso-Kritikern den Wind aus den Segeln genommen, die den Spanier lediglich als Nutznießer der silbernen Defektserie darstellen wollen. Freilich gilt: Sowohl Alonso als auch Räikkönen haben in diesem Jahr ihre WM-Reife unter Beweis stellen können...

McLaren-Boss Ron Dennis erklärt gegenüber Autosport-Atlas: "Renault fand sich am Beginn der Saison in einer Position, in der Alonso die WM anführen konnte und er sich auch keine Fehler geleistet hat." Später sei der Spanier "verständlicherweise in der Lage gewesen, strategisch zu fahren, um sich den Weltmeistertitel zu sichern", fügt Dennis hinzu. Und: "Wir waren am Anfang jene, die hinten lagen und wir mussten daher puschen - und dabei sind dem Team Fehler unterlaufen. Und wenn ich von Fehlern spreche, meine ich damit jeden Teil des Teams - die Fahrer und uns selbst."

Montoya hat sich prächtig eingelebt - auch er möchte den Titel..., Foto: Sutton
Montoya hat sich prächtig eingelebt - auch er möchte den Titel..., Foto: Sutton

Dennis kann nachempfinden, dass vielerorts das große Hätte/Wäre-Spiel ausgebrochen ist - es sei "verständlich, dass die Menschen sich jetzt ausmalen, was möglich gewesen wäre und sie nun alle Szenarios durchspielen und all die Fehler, die uns passiert sind, zu subtrahieren beginnen. Doch letztlich sind wir ein Rennteam und wir leben dafür, Rennen zu gewinnen. Und ich werde mich jetzt nicht hinstellen und sagen, dies oder das hätten wir anders machen müssen. Es ist schon klar - wenn uns früher in der Saison eine bessere Performance gelungen wäre, dann wäre die Geschichte womöglich anders ausgegangen - aber so ist nun mal der Rennsport."

Leichter wird es nicht für Kimi...

Der McLaren-Boss möchte jetzt in den kommenden zwei Saisonrennen nur noch eines: Zwei Doppelsiege und natürlich die in Interlagos errungene WM-Führung behalten und Konstrukteurs-Weltmeister werden. "Wir erlauben unseren Piloten, gegeneinander zu kämpfen", sagt Ron Dennis beiläufig. Der schmallippige Brite darf sich freuen - Juan Pablo Montoya hat sich mittlerweile bestens eingelebt im silbernen Team. Dennis verfügt über zwei Spitzenfahrer, die im kommenden Jahr gleichermaßen die Chance haben, Weltmeister zu werden.

Für Kimi Räikkönen wäre der zweite Verlust einer Weltmeisterschaft, nach 2003, womöglich ein wenig leichter zu ertragen gewesen, wäre er ganz oben auf dem Interlagos-Podium gestanden - und nicht Juan Pablo Montoya. Räikkönen hat in Brasilien nicht nur den Titel an seinen Rivalen Fernando Alonso, sondern auch das Rennen an seinen Teamkollegen verloren. Die Zeiten, als Montoya am Beginn seiner McLaren-Dienstzeit noch im Schatten des Finnen stand, scheinen jedenfalls endgültig vorbei zu sein.

Selbst wenn McLaren-Mercedes die Dominanz der Gegenwart in das kommende Jahr mitnehmen und weiterhin das stärkste Paket stellen könnte, weht Kimi ein harter Wind entgegen - aus der eigenen Box. Leichter wird es jedenfalls nicht für den "Iceman". Sowohl Kimi als auch Juan Pablo wissen, dass sie einander zur Karriere-Gefahr werden könnten, sollte 2006 einer den anderen in den Schatten stellen. Nur wenn sie einander ebenbürtig sein sollten - wie dies in diesem Jahr beispielsweise bei Mark Webber und Nick Heidfeld im glücklosen Williams-Stall der Fall war - würden beide profitieren. Doch letztlich gilt: Weltmeister kann immer nur einer werden...