Nur noch drei Rennen, dann ist auch die Mammut-Formel 1 Saison 2005 vorbei. Aber noch bevor sich der F1-Tross nach Asien auf macht, könnte zwischen den Seen von Interlagos die endgültige Titelentscheidung fallen. Ein Podestplatz würde Fernando Alonso bereits zu seinem ersten Titelgewinn und der Ehre des jüngsten F1-Champions aller Zeiten reichen.

S wie Startaufstellung

Die Ausgangsposition des Spaniers, dessen TV-Landsleute schon seit Tagen jeden Schritt ihres neuen Helden verfolgen, könnte jedenfalls nicht besser sein: Mit seiner fünften Pole Position setzte Alonso im Qualifying ein Zeichen.

Aber auch sein Teamkollege Giancarlo Fisichella bestätigte die verbesserte Form der Franzosen von Renault. Schließlich fuhr Fisichella als erster Starter im Qualifying auf die Strecke und erzielte dabei die drittschnellste Zeit. Nur sein Teamkollege sowie Juan Pablo Montoya waren schneller als der Italiener.

Kimi Räikkönen kostete hingegen ein Verbremser in der ersten Kurve die Chance auf die Pole. Er startet nun sogar noch hinter Jenson Button und neben Christian Klien von Startplatz 5. Die nächste Reihe verspricht ebenfalls Spannung: Nebeneinander gehen Michael Schumacher und sein nächstjähriger Teampartner Felipe Massa in das Heimrennen eines der drei Brasilianer.

S wie Start

Montoya möchte am Start in Führung gehen., Foto: Sutton
Montoya möchte am Start in Führung gehen., Foto: Sutton

Zumindest auf dem Papier besitzt auch die erste Startreihe viel Konfliktpotenzial. Während Montoya nichts mehr zu verlieren hat und ein Ausfall oder Problem von Alonso dem Teamkollegen des Brasilianers in die Hände spielen könnte, kann es der WM-Leader gelassen angehen.

"Es gibt keine Absicht Juan Pablo aggressiver oder behindernd eingreifen zu lassen", betonte Ron Dennis. "Alonso hat mehr zu verlieren als er und deshalb wird er kein Risiko eingehen. Juan Pablo kann hingegen Vollgas geben."

Genauso verlief das gleiche Duell übrigens schon in Silverstone. Dort steckte der Spanier im Zweikampf mit dem Südamerikaner ebenfalls in der ersten Kurve zurück. "Hoffentlich wird es ein sauberer Kampf", fügte Dennis hinzu. "Wir möchten keinen Unfall sehen."

In diesem Punkt stimmt auch Fernando Alonso mit Dennis überein: "Da ich auf der Pole stehe, muss ich mir hoffentlich keine Gedanken über eine Kollision in der ersten Kurve machen."

S wie Setup

Interlagos ist sowohl für die Fahrer als auch für die Ingenieure eine große Herausforderung. Bei der Fahrzeugabstimmung müssen die Teams dabei verschiedenen Ansprüchen gerecht werden: "Einerseits ist für die langen Geraden - besonders die lange Auffahrt zur Start-/Zielgeraden - minimaler Luftwiderstand wünschenswert, andererseits benötigt man maximalen Abtrieb für das enge Infield", schildert Sauber-Technikchef Willy Rampf.

Der Kurs von Interlagos ist bekannt für seine Bodenwellen., Foto: Sutton
Der Kurs von Interlagos ist bekannt für seine Bodenwellen., Foto: Sutton

"Man muss daher einen guten Kompromiss eingehen. Interlagos ist als Buckelpiste bekannt, deshalb ist es ebenso wichtig, dass das Fahrzeug von der mechanischen Seite mittels guter Feder- und Stabilisatoreneinstellung optimal abgestimmt ist, um eine gute Traktion und Bodenhaftung zu gewährleisten."

Für den Renningenieur von Fernando Alonso, Rod Nelson, spielt beim Setup vor allem die "Fahrbarkeit im Rennen" eine große Rolle. "Wer sein Auto für eine schnelle Runde einstellt, wird das im Rennen am Sonntag auf 71 Runden bereuen."

Die Höhenlage von 800 Metern über dem Meeresspiegel nimmt den Motoren durch den niedrigeren Luftdruck rund 7% an Leistung. "Zudem generieren die Flügel 7% weniger Downforce und Traktion", fügt Nelson hinzu. Für die Motoren bedeutet dies aber laut Renault-Motoreningenieur Rémi Taffin, dass manche Teile weniger stark belastet werden.

"Die Kolben werden beispielsweise zu 10% weniger belastet als bei normalen Bedingungen", führt Taffin aus. "Die Autos fahren zu 58% der Runde mit Volllast, aber auf Meereshöhe entspräche die Belastung nur 54%."

S wie Strategie

Die meisten Teams werden auf 2 Stopps setzen., Foto: Sutton
Die meisten Teams werden auf 2 Stopps setzen., Foto: Sutton

Alle Fahrer und Teams gehen am Samstagabend davon aus, dass sie eine "gute", "starke" oder sogar "sehr gute" Strategie gewählt haben. Wie diese Strategien aber aussehen, verrät natürlich keiner von ihnen. Bridgestone-Technikchef Hisao Suganuma erwartete allerdings schon vor dem Rennwochenende, dass "die meisten Teams eine Zweistoppstrategie" fahren werden. "Allerdings sind auch drei Stopps möglich", fügte der Japaner hinzu.

Bei McLaren darf man diese aber wohl kaum erwarten. Im Gegenteil: Die beiden Silberpfeile dürften wieder einmal zu Silbertankern mutieren. Jedenfalls so lange man die zwischen den Zeilen angedeuteten Hinweise von Ron Dennis und Norbert Haug richtig deutet.

Eine ähnliche Strategie scheint auch Minardi zu verfolgen, deren ohnehin schon schwer fahrbares Auto durch das hohe Spritgewicht erst recht zickig zu fahren wurde. Noch unklar sind die Tankstrategien bei Jordan und Williams, die entweder besser oder schlechter als erwartet abgeschnitten haben.

Die Boxengasse verläuft parallel zum Senna S., Foto: Sutton
Die Boxengasse verläuft parallel zum Senna S., Foto: Sutton

Ziemlich klar ist hingegen die Strategie bei Sauber: Hier bestätigte Peter Sauber, dass man aus Angst vor einem Regenrennen zwei unterschiedliche Strategien gewählt hat. Mit 99%iger Wahrscheinlichkeit ist deshalb Jacques Villeneuve mit einem schwereren und Felipe Massa mit einem leichteren Auto unterwegs.

S wie Schlüsselstellen

In Interlagos finden sich hauptsächlich keine Schlüsselstellen, sondern vielmehr viele Schlüsselwellen. Die unebene Streckenoberfläche des Autodromo Carlo Pace eilt dem Kurs als unangenehmer Ruf voraus. Aber es gibt auch noch einige andere Stellen, an denen die Piloten aufpassen müssen.

Beispielsweise das Senna S direkt am Ende der Start- & Zielgeraden. Hier bietet sich den Piloten nämlich die beste Überholmöglichkeit am Ende der langen Geraden. Wer später als sein Konkurrent bremst, kann möglicherweise eine Position auf der Stecke gutmachen.

S wie Speed

Um die einzig wahre Überholchance des Kurses nutzen zu können, müssen die Piloten wie üblich eine hohe Höchstgeschwindigkeit vorweisen können. Im Qualifying war in dieser Disziplin Michael Schumacher der Krösus. Knapp dahinter reihten sich die beiden McLaren-Fahrer ein. Die ansonsten bei Top-Speed-Wertungen dominierenden Renault finden sich hingegen erst im Mittelfeld auf den Rängen 6 und 7 wieder.

Der Top-Speed kann über die Überholchancen entscheiden., Foto: Sutton
Der Top-Speed kann über die Überholchancen entscheiden., Foto: Sutton

Beachtet werden muss hierbei allerdings auch, dass manche Piloten vielleicht aus Angst vor einem Regenrennen etwas mehr Flügel auf ihre Boliden gepackt haben. Der langsame Top-Speed von Jenson Button und seine drittbeste Qualifying-Zeit deuten zudem darauf hin, dass Button den fehlenden Grip mit genügend Abtrieb bekämpfen konnte. Die Frage bleibt nun, ob sich das im Rennen rächen wird?

Platz Fahrer Top-Speed
1. Michael Schumacher / Ferrari 318,5
2. Juan Pablo Montoya / McLaren 318,4
3. Kimi Räikkönen / McLaren 317,6
4. Felipe Massa / Sauber 317,0
5. Antonio Pizzonia / Williams 316,3
6. Giancarlo Fisichella / Renault 315,8
7. Fernando Alonso / Renault 314,1
8. Jarno Trulli / Toyota 312,4
9. David Coulthard / Red Bull Racing 311,6
10. Christian Klien / Red Bull Racing 310,9
11. Ralf Schumacher / Toyota 310,1
12. Jacques Villeneuve / Sauber 309,9
13. Christijan Albers / Minardi 309,2
14. Rubens Barrichello / Ferrari 308,4
15. Mark Webber / Williams 307,9
16. Narain Karthikeyan / Jordan 307,7
17. Tiago Monteiro / Jordan 306,9
18. Jenson Button / B·A·R 306,0
19. Robert Doornbos / Minardi 301,0
20. Takuma Sato / B·A·R -

S wie Spannung

25 WM-Punkte Vorsprung hat Fernando Alonso drei Rennen vor dem Saisonende auf seinen einzigen WM-Rivalen. Besonders viel Spannung verspricht diese Punktekonstellation nicht. Dennoch kann in der Formel 1 bekanntlich alles passieren. Auch wenn die Chance auf ein spannendes WM-Finale in Japan und China eher gering ist.

Winkt Alonso schon heute als Weltmeister?, Foto: Sutton
Winkt Alonso schon heute als Weltmeister?, Foto: Sutton

Zumindest im Bezug auf die Fahrer-WM. Denn in der Konstrukteursweltmeisterschaft ist momentan noch alles offen. Durch die gesteigerte Form von Renault scheint die Teamwertung sogar noch einmal an Brisanz gewonnen zu haben. Denn nun können die Franzosen wie es scheint auch auf der Strecke mit ähnlich guten Waffen gegen die Silbernen kämpfen.

Der Brasilien GP bezieht seine Spannung aber nicht nur aus dem zu erwartenden Duell Silber gegen Gelb-Blau. Auch der Kampf zwischen Toyota und Ferrari um WM-Rang 3 und die Frage nach den Wetterbedingungen sorgen vor dem Start für viel Diskussionsstoff.

Schließlich quaken die Wetterfrösche schon seit Tagen von Regenwahrscheinlichkeiten zwischen 70 und 90 Prozent für den Renntag. Und das könnte dann wie vor zwei Jahren alles auf den Kopf stellen.