Im Samba-Takt über die Rüttelpiste: Obwohl das Autodromo Carlos Pace vor rund drei Jahren zu einem Großteil völlig neu asphaltiert wurde, verdient sich die Strecke ihren Beinamen "Waschbrett-Kurs" nach wie vor. Auf dem welligen Belag der 4,309 Kilometer langen Strecke werden die Formel 1-Boliden und ihre Fahrer kräftig durchgeschüttelt.

Ein besonderes Kennzeichen der Grand Prix Strecke von Interlagos ist das Faktum, dass sie zusammen mit dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari in Imola und dem neuen GP-Kurs in der Türkei die einzige Strecke im aktuellen F1-Kalender ist, welche entgegen dem Uhrzeigersinn gefahren wird. Deshalb müssen sich die Fahrer mit zusätzlichem Training der Nackenmuskulatur auf dieses schwierige Rennen vorbereiten.

Die Buckelpiste von Interlagos im Überblick., Foto: Sutton
Die Buckelpiste von Interlagos im Überblick., Foto: Sutton

Der Kurs in den Außenbezirken der Millionen-Metropole Sao Paulo fordert aber nicht nur die Piloten besonders stark. In puncto Fahrzeugabstimmung müssen auch die Ingenieure hohe Ansprüche erfüllen. Dafür sorgt neben dem welligen Streckenbelag zum Beispiel auch das Streckenlayout, das mit seinen langen Geraden und den vielen langsamen bis mittelschnellen Kurven gute Überholmöglichkeiten bietet. Gerade in den Biegungen vor den Geraden benötigen die Autos eine gute Fahrzeugbalance.

Zudem weist die Strecke nur ein verhältnismäßig niedriges Grip-Niveau auf. Besondere Würze erhält die Suche nach dem optimalen Setup schließlich durch das teilweise unberechenbare brasilianische Wetter zu dieser Jahreszeit.

Samba do Brasil

Auf der wegen der unebenen Fahrbahn gerne "Samba-Kurs" getauften Strecke, gibt es eigentlich nur eine einzige richtige Überholmöglichkeit am Ende der langen Start-/Zielgeraden kurz vor dem so genannten "Senna-S". Ansonsten besteht der Kurs aus einem sehr schnellen und einem sehr langsamen Teilabschnitt, auf dem die Unebenheiten ein weich abgestimmtes Fahrwerk sowie die langen Geraden flach eingestellte Flügel erfordern.

Für den Formel-1-Auftritt 2003 wurden zahlreiche Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt. Verbessert wurden unter anderem die Entwässerungsanlagen, die Randsteine, die Reifenstapelwände und die Auslaufzonen. Außerdem wurden neue Fangzäune nach dem Vorbild des Indianapolis Motor Speedway errichtet.

Interlagos: Zwischen den Seen und vielen Häusern., Foto: Sutton
Interlagos: Zwischen den Seen und vielen Häusern., Foto: Sutton

Zudem wurden die Streckenabschnitte zwischen den Kurven Lago und Laranjinha, Pinheirinho und Bico de Pato und zwischen der Gerade entlang der Boxen und der Boxengasseneinfahrt neu asphaltiert, was den heftigen Bodenwellen, für welche die Strecke bekannt ist, entgegenwirken sollte. Für die Büros der Teams wurde außerdem hinter den Garagen ein neuer Gebäudekomplex errichtet, in dem sich kleine Küchen, Besprechungs- und Ruheräume befinden. In der Saison 2005 kamen weitere Verbesserungen an den Wasserdrainagen sowie die Entfernung der hohen Trennmauer am Ende der Boxengasse hinzu.

Die Streckengeschichte

Die Strecke von Interlagos, was wörtlich übersetzt "zwischen den Seen" bedeutet, wurde 1940 eröffnet und war damals ungewöhnlich, weil sie neben einem lang gestreckten äußeren Bereich auch einen kurvenreichen Innenraum bot. Dem Namen entsprechend lag die Strecke damals zwischen den Seen weit außerhalb der Stadt, die inzwischen förmlich bis an die Leitplanken herangewuchert ist. Der Kurs liegt in einem natürlichen Amphitheater, weshalb die Rennfans von nahezu jedem Punkt aus die halbe Strecke einsehen können.

In den Jahren 1989 und 1990 wurde die Strecke dann umgebaut. Es entstand eine 4,309 Kilometer lange Strecke, die im Jahr 2000 stellenweise neu asphaltiert worden ist, um die auch klimatisch bedingten Asphaltschäden auszumerzen.

Auch in diesem Jahr gab es einige Änderungen an der Strecke., Foto: adrivo Sportpresse
Auch in diesem Jahr gab es einige Änderungen an der Strecke., Foto: adrivo Sportpresse

Seinen ersten Formel 1 Grand Prix erlebte der einstmals 7,96 Kilometer lange Kurs im Jahre 1973. Es siegte Lokalmatador Emerson Fittipaldi in einem Lotus-Ford. Nach acht Jahren Interlagos wurde der Große Preis von Brasilien dann allerdings auf der Strecke von Jacarepagua in der Nähe von Rio de Janeiro ausgetragen. Erst 1990 kehrte der Grand Prix auf das Autodromo Carlos Pace zurück. Benannt wurde der Kurs nach dem 1977 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen brasilianischen Rennfahrer Carlos Pace.

Das sagen die Experten über Interlagos

Der Fahrer - Ralf Schumacher: "Meine Güte, was war der GP Brasilien 2003 für ein Durcheinander! Wetterchaos, Unfälle, das Safety-Car war so viel unterwegs, dass es fast zum Boxenstopp gemusst hätte, schließlich wurde vorzeitig abgebrochen. Dass dann der falsche Mann auf dem Siegerpodest geehrt wurde, hatte auch eine besondere Note. Der Abbruch war Pech für mich. Eigentlich hatte ich Kurs auf einen Podiumsplatz, war aber unmittelbar vor dem Abbruch an der Box und wurde so letztlich nur Siebter. Grundsätzlich hat Interlagos eine interessante Streckenführung, allerdings lassen der Belag und die Boxenanlage auch nach Teilrenovierungen Wünsche offen. Die Stadt Sao Paulo gehört nicht gerade zu meinen liebsten Reisezielen."

Das Senna-S ist nun besser einsehbar., Foto: adrivo Sportpresse
Das Senna-S ist nun besser einsehbar., Foto: adrivo Sportpresse

Der Techniker - Sam Michael: "In Interlagos bestimmen langsame bis mittelschnelle Kurven das Bild. Vor allem für die Kurven vor den langen Geraden ist eine gute Balance gefragt. Der Verlauf bietet auch gute Überholmöglichkeiten. Die Strategie ist durch die lange Boxengasse und der Tendenz zu frühen ersten Tankstopps besonders interessant."

Der Motorenmann - Mario Theissen: "Auf der langen und ansteigenden Start-Ziel-Geraden ist der BMW P84/5 Motor gefordert. Eine andere Besonderheit: Die Höhenlage von rund 800 Metern über dem Meeresspiegel kostet wegen geringerer Luftdichte zirka acht Prozent Motorleistung. Das trifft natürlich alle in gleichem Maß."