Ferrari steht mit dem neuen SF1000 in der Formel 1 2020 vor drei großen Herausforderungen. Neben dem Kampf gegen Mercedes und Red Bull müssen die Italiener vor allem Sebastian Vettel und Charles Leclerc in den Griff bekommen. Die beiden Ferrari-Teamkollegen gerieten 2019 regelmäßig aneinander, crashten sogar. Doch trotz der hitzigen Duelle hat Mattia Binotto eine mutige Entscheidung getroffen. Er will seine Piloten weiter gegeneinander kämpfen lassen.

"Letztes Jahr haben wir zu dieser Zeit noch gesagt, dass Seb die Nummer eins ist und Charles die Nummer zwei. Aber ich denke, nach einem Jahr können beide um die besten Resultate kämpfen. Also, let them race!", kündigt der Ferrari-Teamchef bei der Präsentation des neuen Boliden im Teatro Municipale Romolo Valli in Reggio Emilia an.

Im ersten gemeinsamen Jahr dauerte es nicht lange, bis Youngster Leclerc dem Platzhirsch in Maranello die Hölle heiß machte. Im Sommer wurde Vettel regelmäßig vom Teamkollegen ausgestochen. In der zweiten Saisonhälfte eskalierte der Kampf um die Vorherrschaft im Team daraufhin in Psychospielchen, welche in Brasilien in einer Kollision gipfelten, die für Ferrari einen Doppelausfall zur Folge hatte.

Formel 1 2020: Das steckt im neuen Ferrari SF1000 (15:44 Min.)

Leclerc geläutert: Im Kampf gegen Vettel zukünftig vorsichtiger

Etwas, das sich 2020 auf gar keinen Fall wiederholen darf - schon gar nicht, wenn die Scuderia mit dem neuen Auto WM-fähig sein sollte. "Wir haben zweifelsohne beide unsere Lektion aus dem gelernt, was in Brasilien passiert ist", beteuert Leclerc. "Also können wir natürlich gegeneinander Rennen fahren."

Der 22-Jährige gibt sich geläutert. Kampf gegen Vettel, ja, aber: "Andererseits sind wir Teamkollegen und hinter den Kulissen arbeiten viele Menschen an unserem Auto, damit wir auf der Rennstrecke unser bestes geben können, auch für das Team", sagt er. "Dinge wie in Brasilien sollten nicht passieren. Deshalb werden wir in Zukunft wohl etwas mehr Platz lassen, um auf der sicheren Seite zu sein"

All das klingt nach einem Versprechen, dass sich außerhalb des Cockpits leicht abgeben lässt. Auf der Rennstrecke hingegen könnten diese Vorsätze schnell über Bord geworfen werden. Beide Piloten fahren um ihre Zukunft bei Ferrari. Der kürzlich bei Ferrari bis 2024 verlängerte Leclerc muss seinen neuen Vertrag rechtfertigen, Vettel fährt um einen neuen Kontrakt.

Vettel sieht trotz Niederlage gegen Leclerc keinen Abwärtstrend

"Es ist natürlich toll, zu wissen, dass ich für fünf weitere Jahre bei Ferrari fahren werde", so Leclerc über den für seine Karriere wegweisenden Deal. "Es ist großartig und gibt mir Selbstvertrauen. Das ist ein langfristiges Projekt und sowohl für mich als auch für das Team interessant. Hoffentlich wird es uns viel Erfolg bringen."

Angesichts der Verhältnisse im Vorjahr glauben nicht wenige, dass die teaminterne Hierarchie spätestens mit Leclercs neuem Vertrag längst klar ist. "Nein, ich sehe das überhaupt nicht so", widerspricht Vettel, der in seine sechste Saison für das Team geht. Er sieht seine Karriere trotz der Niederlage gegen den Stallgefährten nicht auf dem absteigenden Ast: "Bei uns beiden ging es im vergangenen Jahr aufwärts. Ich sehe nicht, dass es beim einen aufwärts und beim anderen abwärts ging."

Der viermalige Champion sieht sich weiterhin in der Position, bei Ferrari wieder das Kommando zu übernehmen. "Es ist nicht so, dass wir unterschiedliche Autos hatten. Ich denke, das ist das Wichtigste. Wir wollen beide das gleiche Auto und die gleiche Chance, gute Rennen zu fahren", stellt er klar.

Vettel hofft auf fairen Kampf, Leclerc auf neue Stärke

Von einem Machtwechsel will er nichts wissen. Dass Ferrari ihm und Leclerc einen fairen Kampf zugesteht, stand und steht für ihn nicht in Frage: "Ich habe das letztes Jahr nie angezweifelt und Charles auch nicht, denke ich. Wir hatten die gleichen Voraussetzungen und werden sie auch dieses Jahr haben."

Der Kampf gegen Leclerc wird allerdings ein härterer, denn nach einem Jahr hat sich der ehemalige Ferrari-Junior beim Top-Team eingelebt. "Ich kenne das Team jetzt viel besser und weiß, was ich erwarten kann", so der Monegasse. "Ich habe in dieser ersten Saison viel gelernt, neben Seb und dank Seb, und dank dem Team. Ich hoffe, dass ich in der zweiten Saison darauf aufbauen kann."