Motorsport-Magazin.com: Jedes Jahr das gleiche hier. Immer reden wir über die schönen Kerbs und jedes Jahr beschweren sie sich und fahren trotzdem wieder drüber.
Christian Danner: Ja, aber du wirst sehen. Bis Sonntag lernen sie es. Aus - dort hört die Strecke auf! Und das ist halt so. Du kannst nicht dahin fahren, wo keine mehr ist. Auch wenn man aus Sicherheitsgründen dort keine Mauer aufstellt, sondern nur Poller hinstellt, damit die Fahrer sich nicht gleich verletzen und man keinen Totalschaden hat, dann ist dort immer noch das Streckenende. Aus.

Für das zweite Training haben sie ja dann schon den einen oder anderen abgebaut. Das ist dann die falsche Richtung...? Nicht die Strecke sollte sich anpassen, sondern die Fahrer.
Christian Danner: Die völlig falsche Richtung. Man kann da langsamer durchfahren, auch wenn es einem schwerfällt. Schau her: Ich bin hier ja auch gefahren. Vergangenes Jahr habe ich hier einen GT4 Euro-Lauf gewonnen. Und da war ein riesen Problem - es gab keine Poller -, dass man natürlich, wenn man die Strecke verlässt, wesentlich schneller fährt. Da sind wir brutal bestraft worden, weil das nicht vorgesehen war. Heißt Durchfahrtsstrafe wenn ich zweimal hintereinander mit vier Rädern im Aus war.

Danner erinnert an Streckenprotokoll: Keine Parkplatzrennen!

Da muss ich eben so fahren, dass ich innen bleibe. Weil das nun einmal die Vorschrift ist. Wir fahren hier kein Parkplatzrennen, wo jeder hinfahren kann, wo er will. Man nennt das Rundstreckensport. Und diese Rundstrecke ist definiert durch ein Streckenprotokoll und alles was dazugehört. Die ganzen Sicherheitsbestimmungen, die ganzen .. alles ist im Streckenprotokoll. Und dann muss ich auf dieser Strecke fahren und nicht neben dieser Strecke. (lacht)

Man führt das Ganze damit aber doch irgendwie ad absurdum. Da beschwert man sich, dass nichts los ist. Und dann ist mal was los, und dann macht man die Strecke wieder so, dass man es wieder anders machen kann ...
Christian Danner: Schau' her: Die Diskussion ist absurd und Irrsinn. Und zwar deswegen: Jetzt wird erst diskutiert: 'Wenn die asphaltierten Auslaufzonen da sind, ist ja alles blöd, weil da passiert ja nichts und da kann ja jeder hinfahren, wo er will. Wir wollen mehr Kiesbetten.' Und jetzt haben wir die Kiesbetten, jetzt rumpelt der Bottas über das Kiesbett und es haut ihn in den Reifenstapel und es heißt 'Ja, wenn hier asphaltiert gewesen wäre, dann wäre das doch viel besser!' Und das andere ist: Hinten ist ja asphaltiert am Ausgang von Kurve neun. Da sagen sie jetzt alle: 'Ja, das ist zwar asphaltiert, aber da kann ich ja gar nicht ans Limit gehen, weil da diese Poller sind.'

Danner: Kerb-Thema in Spielberg altbekannt

Ja, das Limit ist innerhalb dieser Poller, außerhalb ist Strecke verlassen! Das ist das, was mich wahnsinnig macht. Du kannst es machen, wie du es willst. Du kannst es hart machen, weich machen, hoch machen, tief machen. Asphaltieren. Kiesbett. Astroturf, diesen Teppich da. Du kannst machen, was du willst. Es ist immer falsch. Weil der, der drüber fährt sich immer beschwert. Es gibt nur ein Mittel: nicht drüberfahren! Weil da die Strecke aufhört.

Man sollte also etwas resoluter vorgehen. Einfach alles lassen wie es ist. Generell. Gar nicht auf Diskussionen einlassen und sich die Fahrer erziehen, oder? Weil sonst kommt das Gemecker ja immer wieder wenn ich einmal damit erfolgreich war.
Christian Danner: Es ist never ending. Wir haben das jedes Jahr. Wir wusste das ja letztes Jahr schon. Wie viele Frontflügel sind da kaputt gegangen? Alle haben sich beschwert, dass es so teuer ist und so viel Geld kostet und gefährlich ist. Und was ist? Der Hülkenberg fährt sofort wieder drüber und wundert sich, dass der Frontflügel hin ist. Ja! Er ist aber noch viel mehr hin, wenn er gegen die Wand fährt. Nochmal: Es ist außerordentlich schwierig, einen Kompromiss zu finden, der den Aspekt Sicherheit beinhaltet und respektiert - und den Aspekt der Track Limits beinhaltet - und auch für die Fahrer eine Vorgabe beinhaltet, mit der man gut über ein Rennwochenende kommt.

Danner erinnert sich: Geflogen bis Knittelfeld

Wenn man aber in der Besprechung die Vorgaben definiert und der eine oder andere hält sich nicht dran, indem er eben einen Fehler macht und drüber fährt. Dann sage ich: Entschuldigung, Fuß vom Gas. Dann hast du das Problem nicht. Und ich habe überhaupt nichts dagegen, dass man ans Limit geht.

Aber geh' mal zurück. Als ich hier auf dem alten Österreichring gefahren bin. Da war die erste Schikane im vierten oder fünften Gang. Sagenhaft schnell. Die Kerbs waren 45 Grad und ungefähr 30 Zentimeter hoch. Wenn du die getroffen hast, dann bist du geflogen bis Knittelfeld. Heißt, du musstest dir ganz genau überlegen, wo das Limit der Strecke, wo das Limit des Autos ist - und wo das Limit von dir selbst ist. Und du musstest gleichzeitig noch die anderen, die da so mitgefahren sind, respektieren. Nicht einfach reinhalten und schauen, wird schon irgendwie gehen und wenn es nicht geht, beschwere ich mich hinterher. Es ist immer ... es tut mir ja leid, aber ich muss da ausholen ..

Christian Danner 1986 in betreffender Schikane auf dem alten Österreichring, Foto: Christian Danner
Christian Danner 1986 in betreffender Schikane auf dem alten Österreichring, Foto: Christian Danner

Danner: Früher war mehr Respekt

Kein Problem, das zieht ja immer einen ganzen Rattenschwanz nach sich.
Christian Danner: Ja, logisch. Schau' her: Jetzt haben alle den Zweikampf Arnoux/Villeneuve in Dijon stilisiert. Der Rene Arnoux hat den Emmanuele Pirro angerufen nach der Kanada-Entscheidung und hat gesagt: 'Emmanuele, super! Das war nicht fair, deshalb hast du hier die richtige Entscheidung getroffen.' Da sagt der Emmanuele: 'Ja, aber Entschuldigung. Du hast ja da mit Villeneuve ...' Moment mal. Wir wussten ganz genau, dass wir uns respektieren müssen. Weil wir sonst tot sind. Wenn wir uns nicht respektieren, sind wir tot. Natürlich sind wir hart gefahren, natürlich haben wir uns gedrückt und gedrängelt und gequengelt so gut es ging. Und natürlich wollten wir die Nase vorne haben. Aber der Respekt vor dem anderen Fahrer war so hoch. Weil wir wussten, wenn ich den nicht habe, springe ich auch in die Kiste.

Das ist der Unterschied zu heute. Es ist allen egal. Weil es ja eh immer irgendwie gutgeht. Da den richtigen Weg zu finden ist die Aufgabe der Zukunft. Wir dürfen auf keinen Fall die Sicherheit vernachlässigen, wir dürfen auf keinen Fall die Track Limits vernachlässigen. So wie sie es da bei der IndyCar gemacht haben. Wie die da in Austin irgendwo auf einer ganz anderen Strecke gefahren sind ...

Danner analysiert Crash-Training: Alles der Wind

(lacht) Ja, da im letzten Sektor - lächerlich!
Christian Danner: Ja natürlich, das ist ja lächerlich. Entschuldigung - das ist Rundstreckensport! Da ist die Strecke definiert. Und so wie das früher war, mit der Unmöglichkeit, die Strecke ohne großen oder größten Schaden zu verlassen, das ist heute Gott sei Dank vorbei. Das darf aber nicht dazu führen, dass ich mein Rennen rechts oder links von der Strecke austrage, sondern bitte auf der Strecke. Da muss man einfach den richtigen Kompromiss finden zwischen Sicherheit, Racing und vor allem Respekt untereinander. Sich zu respektieren heißt, dass man sich eben nicht gegenseitig rausschickt.

Noch kurz zu den Fehlern, die wir heute gesehen haben. Was war da los? Wirklich Wind?
Christian Danner: Ja, das war alles Wind. Ich bin in Turn eins oben gestanden und da hat es teilweise echt gehackt. Das kann nur Wind sein, sonst fährst du da nicht so blöd.

Das ist dann einfach Pech?
Christian Danner: Ja, Pech. Die waren natürlich alle auf einer heißen Runde. Der Bottas hat einen Satz frische rote Reifen drauf gehabt, der Verstappen einen frischen Satz rote und der Vettel auch. Die sind also nicht irgendwie normal gefahren, sondern haben gepusht. Das kann dann passieren.

Kann das auch mit den Reifen zusammenhängen bei den Temperaturen?
Christian Danner: Nein. Die Temperaturen sind jetzt so abnormal nicht. Letzte Woche war das noch mehr. 52. Aber hier siehst du es eben. Sicherheit. Es ist doch ganz gut, wenn es doch ein bisschen Sicherheit gibt. Dann stirbt nicht dauern jemand.