In einem Punkt dürften sich alle Formel 1-Fans einig sein: Der aufregendste Moment eines Formel-1-Rennens ist der Start. Wenn die Motoren aufheulen wie ein Rudel hungriger Wölfe, kaum dass die Lichter der Startampel erloschen sind, wenn sich die Reifen auf der Suche nach dem besten Grip in den Asphalt krallen und die Boliden wie ein Jagdgeschwader auf die erste Kurve zufliegen, läuft es den Fans auf den Tribünen und vor den Bildschirmen eiskalt über den Rücken. Es sind nur Sekunden, aber die gehen unter die Haut.

Was den Start angeht, ist auch beim Großen Preis von Ungarn alles bestens geregelt. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen, denn die einzelnen Phasen der Startprozedur sind im Sportlichen Reglement der FIA bis ins Detail aufgelistet, der zeitliche Ablauf auf die Sekunde genau festgelegt. Was passiert nun aber in den letzten 15 Minuten vor dem Start und wie erleben die Fahrer und die Teams diesen Final Countdown?

Was geschieht vor dem Start im Grid?, Foto: Allianz
Was geschieht vor dem Start im Grid?, Foto: Allianz

15.00 Minuten: Die Ampel am Ausgang der Boxengasse schaltet auf Rot. Wer jetzt noch nicht mit seinem Auto in der Startaufstellung steht oder auf der Rennstrecke unterwegs zu seinem Startplatz ist, hat Pech gehabt – er muss warten und nach dem Start aus der Boxengasse dem Feld hinterher fahren. Noch 15 Minuten. In der Startaufstellung, zu diesem Zeitpunkt noch eine Flaniermeile der Eitelkeiten, herrscht Hochbetrieb. Während TV-Journalisten auf der Suche nach Interviewpartnern durch die Startreihen streifen, kontrollieren Mechaniker noch einmal alle wichtigen Systeme der Autos. Einige der Fahrer wollen jetzt schon in Ruhe gelassen werden, sich ganz auf das Rennen konzentrieren, andere geben sich ganz relaxed und stehen plaudernd neben der Piste. Dickie Stanford vom BMW Williams Team hat schon viele Fahrer erlebt, und die meisten von ihnen wollten reden, um sich abzulenken, Nigel Mansell genau so wie Riccardo Patrese, Juan Pablo Montoya sowieso, "der hat fast ununterbrochen geredet. Nur um Jacques Villeneuve machte man so kurz vor dem Start besser einen großen Bogen."

10.00 Minuten: Ein Hupsignal ertönt und eine Tafel wird gezeigt: Alle mit Ausnahme der Fahrer, Teammitglieder und Offiziellen müssen die Startaufstellung räumen. Die Spannung steigt, auch für die Piloten. Die Zeit des unverbindlichen Smalltalks ist vorbei. "Wer jetzt noch reden will, will über das Auto reden, will sicher gehen, ob auch ja nichts vergessen wurde", sagt Dickie Stanford. "Einige sind so aufgeregt, dass sie nach dem Wetter fragen, obwohl die Sonne vom blauen Himmel strahlt." Einfach nur reden, egal über was.

Im Grid herrscht vor dem Start ein hoher Wuselfaktor., Foto: Sutton
Im Grid herrscht vor dem Start ein hoher Wuselfaktor., Foto: Sutton

05.00 Minuten: Die meisten Fahrer sitzen in ihren Autos. Die Reifen müssen montiert sein, dürfen von jetzt an nur noch in der Boxengasse gewechselt werden, wenn sie beschädigt sind. Normalerweise gelten Formel-1-Piloten als Männer ohne Nerven. Doch so kurz vor dem Start fällt es so manchem Favoriten schwer, einen kühlen Kopf zu behalten. Wie groß die Anspannung ist, verrät der Puls der Fahrer. Betrug er in der Box, als sie sich auf den Moment der Wahrheit vorbereiteten, noch 60 Schläge pro Minute, ist er jetzt auf 90 Schläge gestiegen. Die Ingenieure gehen noch mal ihre Checkliste durch, kontrollieren Dinge wie Differentialeinstellung, Bremskraft und Temperaturen. Zusammen mit dem Fahrer stellen sie sicher, dass der beim Einsteigen ins Cockpit nicht versehentlich irgendwelche wichtigen Schalter umgelegt hat. Sonst können sie nichts mehr tun.

03.00 Minuten: An der Startampel leuchten drei Doppellichter. Die Fahrer werden angeschnallt. Bei ihnen sind nur noch ihr Ingenieur, ein Motorenmann, die Elektroniker und die Mechaniker. Für alle Fälle.

01.00 Minuten: Die Motoren werden angelassen. An der Startampel leuchten nur noch zwei Doppellichter.

00.15 Minuten: Jetzt ist es nur noch ein Doppellicht. Auch die letzten Leute der Teams haben mit ihrem Equipment die Startaufstellung verlassen. Die Fahrer sind auf sich alleine gestellt. Wenn sie jetzt noch technische Hilfe brauchen, müssen sie einen Arm heben und warten, bis das Feld auf der Einführungsrunde ist. Ein Marshal mit einer gelben Flagge stellt sich in diesem Fall hinter das Auto und warnt die dahinter postierten Starter. In der Boxengasse warten die schnellen Eingreiftruppen der Teams auf ihren Einsatz. Sie sind auch mit einem Anlasser zur Stelle, falls einer ihrer Piloten beim Losfahren den Motor abwürgt.

Gleich geht es los!, Foto: Sutton
Gleich geht es los!, Foto: Sutton

00.00 Minuten: Das letzte Doppellicht der Startampel erlischt und fünf grüne Lichter gehen an: Start zur Einführungsrunde. Der Puls steigt auf 110. Jetzt gibt es kein Zurück mehr – the race is on.

Wussten Sie schon...

... dass die Stressbelastung der Formel-1-Piloten kurz nach dem Start am größten ist? Wenn sie auf die erste Kurve zurasen, steigt ihr Puls in wenigen Sekunden auf 180 Schläge pro Minute. Adrenalin und Noradrenalin versetzen sie in den körperlichen Ausnahmezustand, etwa doppelt so stark wie bei einem Athleten, der auf dem Fahrrad-Ergometer an seine Leistungsgrenze geht. Noch übertroffen wird diese Zahl im Kurvenlabyrinth von Monaco, so es neben der Piste statt Kiesbetten nur Mauern und Leitplanken gibt. Das treibt den Puls der Piloten auf den Spitzenwert von 210 Schlägen.