Die Formel 1 feiert 2019 mit dem Großen Preis von China ihr 1000. Rennen. Der erste Grand Prix am 13. Mai 1950 in Silverstone begründete den Mythos der Königsklasse auf vier Rädern. Legendäre Piloten, Teamchefs und Konstrukteure gingen in die Geschichte ein, genauso wie ihre spektakulären Rennen, Manöver und Boliden. Wir werfen in der Jubiläumswoche einen Blick zurück auf 69 Jahre Formel 1.
Im fünften Teil blicken wir zurück auf einige der atemberaubendsten Performances der Geschichte. Nicht immer waren es die Seriensieger oder großen Ausnahmetalente, die an einem Rennsonntag über sich hinauswuchsen und das schier Unmögliche vollbrachten. Und nicht immer bedeutete eine Fahrt wie vom anderen Stern den Triumph.
Juan Manuel Fangio - Deutschland 1957
In den 1950ern ein Rennen mit nur dreieinhalb Sekunden Vorsprung zu gewinnen, war schon das erste Wunder. Doch Juan Manuel Fangios 24. und letzter Sieg in der Formel 1 beim Großen Preis von Deutschland 1957 war ein Meisterstück und ein Höllenritt zugleich. Von der Pole Position gestartet, enteilte er dem Feld in seinem Maserati 250F zunächst. Der Argentinier und seine Strategen hatten für das Rennen auf der Nordschleife einen Coup geplant. Ein halbvoller Tank und weiche Reifen für den Start sollten den Rennsieg per Einstoppstrategie bringen.
Doch Fangios Service in der 13. von 22. Runden wurde zum Desaster, als eine Radmutter unter das Auto rollte. Die 30 Sekunden Vorsprung auf Mike Hawthorn und Peter Collins reichten nicht. Fangio fiel hinter seine Rivalen zurück. Schon in der ersten Runde nahm er Hawthorne über 15 Sekunden ab. El Maestro fuhr in den verbleibenden zehn Runden neun Mal einen neuen Rundenrekord. Fangio gewann mit 3,6 Sekunden Vorsprung und kommentierte hinterher, nie zuvor in seinem Leben derart schnell gefahren zu sein.
Jim Clark - Belgien 1963
Der Grand Prix von Belgien 1963 war ein Musterbeispiel von Jim Clarks außerordentlichen Fähigkeiten. Auf dem damals noch vollständig über öffentliche Straßen verlaufenden Circuit de Spa-Francorchamps wurde am Rennsonntag eine Regenschlacht ausgefochten. Vom achten Startplatz aus katapultierte sich Clark noch vor der ersten Kurve an die Spitze. Die Strecke trocknete nach heftigen Regenschauern am Vormittag zunächst ab. Doch gegen Rennmitte begann es erneut sintflutartig zu regnen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit sank von über 210 km/h auf nur noch 100 km/h.
Das Feld lichtete sich Runde um Runde mehr. Einige Piloten flogen bei den schwierigen Bedingungen ab. Andere, wie Clarks einziger verbliebener Verfolger, BRM-Pilot Graham Hill, wurden von technischen Defekten ereilt. Lotus-Teamchef Colin Chapman forderte in Anbetracht der gefährlichen Bedingungen einen Rennabbruch, stieß bei der Rennleitung jedoch auf taube Ohren. Sein eigener Fahrer gab den Offiziellen Recht. Clark meisterte das Regenchaos, fuhr auf den Zweitplatzierten einen sensationellen Vorsprung von fünf Minuten heraus und gewann das Rennen souverän.
Niki Lauda - Italien 1976
Auf seinem Weg zu drei WM-Titeln gewann die österreichische Legende 25 Grands Prix. Doch Niki Laudas größte Leistung war wohl der vierte Platz beim Grand Prix von Italien 1976. Einen Monat und fünf Tage zuvor war der amtierende Weltmeister mit seinem Ferrari 312T auf der Nordschleife schwer verunglückt. Der verheerende Feuerunfall im Streckenabschnitt Bergwerk ließ das Schlimmste vermuten. Selbst einige der Ärzte hatten ihre Zweifel, ob Lauda die schweren Verbrennungen und Verätzungen seiner Lunge überleben würde. Entgegen aller Prognosen heilte Laudas geschundener Körper schneller als gedacht.
Der Titelfavorit verpasste lediglich die Rennen in Österreich und den Niederlanden. Wäre es nach Ferrari gegangen, hätte Lauda in Monza noch nicht wieder im Cockpit gesessen. Doch der 27-Jährige widersetzte sich seinem Team und holte von den Ärzten trotz längst nicht abgeschlossener Wundheilung die Freigabe für das Rennen ein. Nach einer Panikattacke bei der ersten Ausfahrt im Training fing sich der Champion. Als Vierter war er im Qualifying der schnellste Ferrari-Pilot, im Rennen wurde er unter großen Schmerzen Vierter.
Gilles Villeneuve - Spanien 1981
Der Weltmeistertitel blieb ihm verwehrt, dennoch ging Gilles Villeneuve als Formel-1-Ikone und Ferrari-Legende in die Geschichte ein. Der Kanadier zeigte in seiner viel zu kurzen Karriere einige atemberaubende Rennen, in denen er eine nur selten gesehene Fahrzeugbeherrschung zur Schau stellte, gepaart mit einem unbändigen Racerherz. Sein Sieg beim Großen Preis von Spanien 1981 in Jarama war eine dieser Vorstellungen, die Villeneuve bis heute unvergessen machen. Im unterlegenen Ferrari 126CK gewann er eines der engsten Formel-1-Rennen überhaupt.
Von Startplatz sieben gestartet machte Villeneuve schon beim Run auf die erste Kurve vier Positionen gut. Eine Runde später übernahm er Platz zwei. Leader Alan Jones leistete sich wenig später einen Fehler. Villeneuve fand sich mit vier Konkurrenten im Nacken an der Spitze wieder. Auf dem winkligen Kurs von Jarama spielte er seine Karten perfekt und hielt die Meute in den Schlussrunden in Schach. Am Ferrari mit der Startnummer 27 gab es keinen Weg vorbei. Im Ziel lagen die Top-5 innerhalb von nur 1.24 Sekunden. Es war nach Monza 1971 das engste Finish der Geschichte. Für Villeneuve sollte es der sechste und letzte Grand-Prix-Triumph sein.
Ayrton Senna & Stefan Bellof - Monaco 1984
Der Stadtkurs von Monaco sorgte in seiner Geschichte für einige legendäre Rennen. Das denkwürdigste davon war wohl der Grand Prix im Jahr 1984, als zwei Rookies die Weltelite aufmischten. Ayrton Senna und Stefan Bellof hatten sich im Zeittraining unter trockenen Bedingungen auf den Plätzen 13 und 20 qualifiziert. Der Brasilianer war im Toleman mit dem Turbo-Motor aus dem Hause Hart nicht mehr als ein Mittelfeldkandidat. Bellof war im Tyrrell Ford als Letzter ins Grid gerutscht, doch selbst das war schon ein Wunder. Gegen die übermächtige Turbo-Konkurrenz hatte er es als einziger Pilot mit Saugmotor geschafft, sich für das Rennen zu qualifizieren.
Am Sonntag sorgten heftige Regenfälle dafür, dass der Rennstart um fast eine ganze Stunde verschoben werden musste. Als es losging nutzten Senna und Bellof die widrigen Bedingungen, um eine Kostprobe ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten abzugeben. Nach wenigen Runden hatte Senna sich bis auf Platz zwei hinter Alain Prost vorgearbeitet und war drauf und dran, den McLaren-Piloten abzufangen. Dahinter hatte Bellof mit einigen bravourösen Überholmanövern Platz drei übernommen. Doch bevor die beiden Youngster auch mit Prost kurzen Prozess machen konnten, nahm er als Führender sein Recht wahr und forderte einen Rennabbruch. Er war der Sieger, doch die Sensation lieferten Senna und Bellof.
Ayrton Senna - Europa 1993
In seinen Weltmeisterjahren stand Ayrton Senna bei McLaren Honda stets Top-Material zur Verfügung. Dass er auch mit unterlegenen Autos gewinnen konnte, hatte er bereits zuvor bei Lotus gezeigt. Anders als einige andere Champions verlor der Brasilianer diese Fähigkeiten nach seinen dominanten Jahren mit Weltmeister-Autos jedoch nicht. 1993, nach dem Ende der Partnerschaft mit Honda, fand sich Senna in einem unterlegenen McLaren mit V8-Motor von Ford wieder. Auf dem Weg zur Vizeweltmeisterschaft zeigte er ein paar seiner besten Rennen. Besonders legendär ist sein Sieg in Donington Park.
Im trockenen Qualifying hatte es für Senna nur zu Platz vier gereicht. Am Rennsonntag war es jedoch nass. Nachdem Senna am Start von Schumacher geblockt wurde und auf Platz fünf zurückfiel, erteilte er seinen Gegnern noch in der ersten Runde eine Lektion. Innerhalb weniger Kurven kämpfte er sich auf Position eins vor. Bei wechselhaften Bedingungen fuhr der Brasilianer Kreise um den Rest der Welt. Im Ziel hatte er auf den Zweitplatzierten Damon Hill fast eine ganze Runde Vorsprung. Sennas schnellste Rennrunde war 1,3 Sekunden besser als die des ersten Verfolgers.
Michael Schumacher - Belgien 1995
Neben dem Debüt 1991 und dem ersten Sieg ein Jahr später war Spa-Francorchamps die Bühne einiger weiterer unvergesslicher fahrerischer Darbietungen Schumachers. Allen voran steht der Grand Prix von Belgien 1995, in dem der Rekordweltmeister auf dem Weg zum Sieg sämtlichen Widerständen trotzte. In einem von wechselhaftem Wetter bestimmten Qualifying landeten er und WM-Rivale Damon Hill lediglich auf den Startplätzen 16 und 9. Der Brite übernahm im Rennen früh die Führung, wechselte kurz nach seinem ersten Boxenstopp aufgrund einsetzenden Regens aber ein zweites Mal die Reifen an seinem Williams Renault.
Schumacher ging durch das schlechte Timing seines Kontrahenten in Führung. Doch nicht nur das: Trotz der mittlerweile nassen Strecke entschied sich der amtierende Weltmeister, auf Slicks weiterzufahren. Hill war auf Regenreifen sechs Sekunden pro Runde schneller, doch Schumacher behauptete sich im Benetton trotz stumpfer Waffen knallhart. Nach weiterem Regen und einer Safety-Car-Phase ging er mit 20 Sekunden Vorsprung als klarer Sieger über die Ziellinie. Schumachers unglaubliche Fahrzeugbeherrschung im Nassen manifestierte an diesem Tag endgültig seinen Ruf als Regenmeister.
Damon Hill - Ungarn 1997
Als der Formel-1-Tross im Sommer 1997 an den Hungaroring reiste, hatte Damon Hill lediglich ein mageres Pünktchen auf seinem Konto. Nach gescheiterten Gehaltsverhandlungen mit Williams musste der Weltmeister einen Abstieg zu den Hinterbänklern Arrows in Kauf nehmen. Damit wurde nicht nur die Aussicht auf eine Titelverteidigung, sondern auch die auf zählbare Resultate zu einer Utopie. Auf seiner Paradestrecke schlechthin, wo er 1993 seinen ersten Sieg gefeiert hatte, gelang Hill auf völlig unterlegenem Material trotzdem eine der bis heute legendärsten Vorstellungen der Geschichte.
Beim Trainingsauftakt fuhr Hill die fünftschnellste Zeit. Im Qualifying bestätigte er mit Platz drei hinter Michael Schumacher und Jacques Villeneuve seine starke Form. Die Reifen von Bridgestone, die vornehmlich die schwächeren Teams wie Arrows ausrüsteten, funktionierten in Budapest besser als die Goodyears der Top-Teams. Hill machte mit den Titelfavoriten im Rennen kurzen Prozess und einteilte an der Spitze. Der Sieg war zum Greifen nahe, doch ein Hydraulikdefekt bremste ihn wenige Runden vor Schluss ein. Im letzten Umlauf ging Villeneuve vorbei. Angesichts einer derart dominanten Vorstellung war Platz zwei für Hill eine Sensation und eine Enttäuschung zugleich.
Kimi Räikkönen - Japan 2005
Seine beiden Siege für Lotus in den Jahren 2012 und 2013 werden weitestgehend als die vielleicht besten Performances des Iceman angesehen. Das Rennen seines Lebens fuhr Kimi Räikkönen aber viele Jahre zuvor, 2005 in Japan. Nach einem verregneten Qualifying, damals noch im Einzelzeitfahren, musste sich Räikkönen mit seinem McLaren am Sonntag auf dem 17. Platz im Grid aufstellen. Auf dem schnellen und engen Suzuka Circuit schienen damit alle Aussichten auf ein Top-Resultat dahin. Für den Finnen sollte der Sonntag trotzdem ein voller Erfolg werden.
Doch schon nach der ersten Runde tauchte Räikkönen auf Platz zehn im Klassement auf, zusammen mit den ebenfalls weit hinten gestarteten Michael Schumacher und Fernando Alonso. Den Spanier kassierte er an der Box, Schumacher wurde auf der Strecke fällig. Nachdem Button und Webber an die Box abgebogen waren, lag Räikkönen hinter dem führenden Fisichella. Dessen Vorsprung betrug bei noch neun zu fahrenden Runden neun Sekunden. Räikkönen bombardierte den Timing Screen regelrecht mit schnellsten Runden. Eine Runde vor Schluss fing er den völlig verunsicherten Fisichella beim Run auf Turn eins mit einem beherzten Manöver über die Außenbahn ab.
Jenson Button - Kanada 2011
Ein Rennen in der Formel 1 zu gewinnen ist zweifelsohne nie ein Spaziergang. Doch Jenson Buttons Sieg 2011 in Montreal war ein Kraftakt, der seinesgleichen sucht. Im mit vier Stunden und vier Minuten längsten Grand Prix der Geschichte hätte JB mehrfach zu einem der vielen Ausfälle an diesem Tag zählen können. Von Startplatz sieben aus ins verregnete Rennen gegangen, geriet er in Runde neun mit McLaren-Teamkollege Lewis Hamilton aneinander. Die erste von zwei Kollisionen zog den ersten von insgesamt sechs Boxenstopps an diesem Nachmittag nach sich. Es folgten eine Durchfahrtsstrafe, ein Wechsel auf Intermediates.
In Runde 25 sorgte der sintflutartige Regen für eine zweistündige Rennunterbrechung. Als es weiterging kollidierte Button mit Fernando Alonso. Beim letzten Restart in Runde 40 lag er an letzter Stelle. Für den Weltmeister von 2009 sah es nach einem gebrauchten Sonntag aus. Doch der im Regen stets stark aufgelegte Brite war noch nicht fertig. Ein perfekt abgepasster Wechsel zurück auf Slicks gab ihm wieder Auftrieb. Button rollte das Feld von hinten auf, fünf Runden vor Schluss war er hinter Sebastian Vettel Zweiter. In der allerletzten Runde knickte der Red-Bull-Pilot unter dem Druck des wie besessen fahrenden Button ein, der nach einem Höllenritt seinen zehnten GP-Sieg feierte.
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