Sebastian Vettel gegen Charles Leclerc. Oder doch eher Charles Leclerc für Sebastian Vettel? Ferrari-Teamchef Mattia Binotto hatte im Rahmen des Launch-Events der Scuderia zur Formel-1-Saison 2019 mit einer Aussage große Aufmerksamkeit erregt: Im Zweifel werde der arrivierte Pilot im Team dem Neuzugang vorgezogen, so der Nachfolger von Maurizio Arrivabene.

Startet Ferrari 2019 also mit einer Rückkehr zur klaren Rollenverteilung in Nummer eins und Nummer zwei? Die Angst ging um. Vor allem bei all jenen, die mit Vettel vs. Leclerc ein fast schon episches Teamduell als praktisch garantiert ansahen, mit riesiger Vorfreude auf den neuen Herausforderer für den vierfachen Weltmeister und einen prickelnden Zweikampf in Maranello blickten.

Vettel vs. Leclerc: Offenes Visier, eine Einschränkung

Diesen Befürchtungen hat jetzt Binotto selbst die Schärfe wieder genommen. Am Ende der Testfahrten in Barcelona stellte sich der neue Teamchef der internationalen Presse, also auch Motorsport-Magazin.com. "Die beiden dürfen natürlich frei kämpfen", stellte Binotto dabei klar. "Wir werden Charles nicht anweisen, langsam zu sein. Oder, dass Sebastian schneller sein muss. Wir brauchen von beiden das Maximum."

Doch wie war die ursprüngliche Aussage dann gemeint? "Ich denke, dass wenn du dir deine Absichten gleich von Anfang an klarmachst, du dann wenigstens keine Fehler machst, wenn du eine größere Situation haben solltest", erklärt Binotto. "Ich denke, dass es so für Ferrari gut funktioniert."

Ferrari will Fehler wie Monza oder Hockenheim vermeiden

Binotto weiter: "Wenn es eine große Situation zu Saisonbeginn gibt, dann ist es so, dass Sebastian der ist, der mehr Erfahrung hat. Er ist viele Jahre bei uns, hat WM-Titel gewonnen, also ist er unser Champion." Doch was heißt größere Situation? Ein etwas schwammiger Terminus. Besser trifft es vielleicht "zweideutige Situation". Noch besser erklären es Beispiele.

Ferrari-Teamchef entlassen: Wer ist Vettels neuer Chef?: (11:43 Min.)

Zum Beispiel mit Situationen wie in Hockenheim oder Monza in der vergangenen Saison. Dort hatte sich Ferrari, damals noch unter Verantwortung von Arrivabene, in einer haarigen Situation im Rennen (Deutschland GP) oder am Start (Italien GP) extrem schwer getan, Leclerc-Vorgänger Kimi Räikkönen zurückzupfeifen. Weil man sich partout nicht den Teamorder-Schuh anziehen, keinen Unmut auf sich ziehen wollte. Die Folge: In beiden Fällen ein Fiasko für Sebastian Vettel und seine WM-Chancen.

Genau solche Situationen meint Binotto. Besteht eine reelle Gefahr, dass Sebastian Vettel in Turbulenzen gerät, etwa, weil er von seinem neuen Teamkollegen in einer Rennsituation aufgehalten wird, dann wird Ferrari sofort intervenieren. Nicht gar nicht oder viel zu spät wie noch 2018. Ein Sinneswandel von Arrivabene zu Binotto also.

Charles Leclerc: Mit Speed Thema Teamorder ersticken

Ansonsten habe sich im Team unter seiner neuen Führerschaft aber nicht viel verändert, meint Binotto: "Denn ich habe das Glück, ein großartiges Team zu haben. Meine Rolle ist einfach nur, alle in die bestmögliche Position zu bringen, um abliefern zu können. Darauf achte ich. Das ist mein Job. Und abliefern meint dabei, die richtige Atmosphäre zu schaffen und eine klare Rollenverteilung bei den Fahrer zu haben. Ich denke, das ist der beste Ansatz für diese Aufgabe."

Klare Rollenverteilung aber nicht ohne jede Not. Heißt: Ist Leclerc vorne und schneller, darf er auch gewinnen. Genau deshalb zerbricht sich der Monegasse über das Thema selbst auch keinen Kopf. Er könne selbst dafür sorgen, gar nicht erst in diese Situation zu geraten. Ganz einfach mit Pace, Pace und Pace. Dass er über den nötigen Speed verfügt, legen die Testfahrten nahe. Der Ferrari-Novize fuhr auf einem Niveau mit Quattro-Weltmeister Vettel.

Binotto: Leclercs starker Einstand keine Überraschung

Genauso sieht es Binotto. Auch mit Blick auf die Eindrücke vom Test. "Charles ist ein guter Fahrer, Seb auch sehr schnell. Hier in Barcelona hat er sich aber noch mehr darauf konzentriert, das Auto zu verstehen, mit seinem neuen Team zu arbeiten, mit den Ingenieuren. Da kann man nicht so viel sagen. Es ist für uns wichtiger, das Auto zu verstehen. Aber ja, sie hatten eine sehr ähnliche Rundenzeit. Charles ist eben ein sehr schneller Fahrer", so der Ferrari-Teamchef.

Überraschend komme diese starke Frühform für ihn aber nicht. "Er ist jetzt schon viele Jahre bei Ferrari, war letztes Jahr bei Alfa. Deshalb ist Charles für mich in dieser Hinsicht keine Überraschung", ergänzt Binotto.

Wird Sebastian Vettel noch einmal F1-Weltmeister?: (26:47 Min.)