Nur sieben Tage nach dem ländlichen Großen Preis von Frankreich schicken sich die zwanzig schnellsten Sonntagspiloten dieses Erdballs schon wieder an ein 5,141 Kilometer langes Asphaltband inmitten einer wenig berauschenden Umgebung zu umrunden. Die Formel 1 ist zu Gast auf der grünen Insel und kehrt heim ins Home of British Motor Racing.

S wie Startaufstellung

Das Hauptevent des Wochenendes beginnt dabei mit der vierten Saison-Pole von Fernando Alonso. Neben dem WM-Spitzenreiter wird aber nicht wie im Qualifying ausgefahren der WM-Zweite Kimi Räikkönen, sondern der Lokalmatador Jenson Button ins Rennen gehen.

Langsam gewöhnt er sich an die Erfolge., Foto: Sutton
Langsam gewöhnt er sich an die Erfolge., Foto: Sutton

Was die vielen britischen Fans, die heute mit über 100.000 Besuchern für ein ausverkauftes Haus sorgen werden, alles andere als stört, ist auch für Fernando Alonso "nicht fair". "Es ist hart für Kimi schon wieder eine Strafversetzung zu erdulden und es wird ein weiteres hartes Rennen für ihn, aber das gehört zum Sport dazu."

Deswegen betont der Spanier erneut, wie schon vor dem Samstag und Räikkönens zweitem Motorschaden innerhalb einer Woche, dass der "Druck in der Meisterschaft" auf den eiskalten Schultern des Finnen laste. "Ich bin vorne und kann den Vorsprung verwalten. Er aber muss attackieren um mich einzuholen."

Und während Alonso nicht daran glaubt, dass Kimi diesmal wieder problemlos durch das Feld schneiden kann, sieht Renault-Chefrenningenieur Pat Symonds den McLaren-Piloten durchaus wieder auf einer rastlosen Aufholjagd. "Natürlich haben wir von Kimis Pech profitiert, aber wie in Magny Cours wird er schon bald mit der Jagd auf die Spitze des Feldes beginnen."

S wie Start

Diese Ampeln geben heute den Start frei., Foto: Sutton
Diese Ampeln geben heute den Start frei., Foto: Sutton

Zuvor wird er allerdings versuchen schon am Start einige Plätze gut zu machen. Dank seines zweiten Platzes muss er diesmal immerhin einen Rang weniger aufholen, als noch vor sieben Tagen im Niemandsland von Magny Cours.

Besonders heikel wird die Einfahrt in die schnelle Copse Corner nach der Start- und Zielgeraden. "Die Einfahrt zur Copse ist tückisch", weiß Anthony Davidson, "weil die Kurve kaum einzusehen ist. Man lenkt das Auto ein, tritt kurz auf die Bremse, schaltet runter in den sechsten Gang und gibt dann wieder hart Gas. Wer diese Passage richtig erwischt, kann viel Zeit gewinnen."

S wie Setup

Ebenso wichtig für Top-Rundenzeiten ist ein perfektes Setup, welches allerdings am Rennwochenende nicht unbedingt mit jenem bei den Testfahrten herausgefahrenen Setup übereinstimmen muss. Temperaturwechsel und die ständig wechselnden Winde können ebenfalls schnell für Performanceschwankungen sorgen. Ganz zu schweigen von der Regenwahrscheinlichkeit im typisch britischen Wetter von Northamptonshire.

Wie viel Sprit steckt in den Tanks?, Foto: Sutton
Wie viel Sprit steckt in den Tanks?, Foto: Sutton

"Silverstone ist eine Hochgeschwindigkeitsstrecke mit schnellen Richtungswechseln und drei Geraden, auf denen Motorleistung gefordert ist", beschreibt Sam Michael den Flugplatzkurs. "Auf den drei Geraden zahlt sich Motorleistung aus", stimmt ihm Mario Theissen zu. "Mit 58 Prozent liegt der Volllastanteil leicht über dem Durchschnitt der Formel-1-Rennstrecken."

Besonders wichtig ist die Aerodynamik. "Aerodynamische Effizienz ist in Silverstone entscheidend", weiß Michael. "Die Autos brauchen Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten, ohne zu viel Grip in dem engeren Streckenabschnitt zu verlieren." Aus diesem Grund und nach den letzten Testeindrücken galt McLaren schon vor dem Rennwochenende als haushoher Favorit.

"Silverstone verfügt hauptsächlich über Hochgeschwindigkeits-Kurven, in denen Fahrzeugbalance und -stabilität überwiegend von der Aerodynamik des Autos bestimmt werden", erklärt Sauber-Technikchef Willy Rampf. "Die erste Kurve, Copse, ist sehr schnell und führt zu den geschwungenen Maggots- und Becketts-Kurven, die eine gute Hochgeschwindigkeitsstabilität sowie die Fähigkeit eines raschen und sauberen Richtungswechsels verlangen. Dieser Streckenabschnitt bringt jegliches Defizit in der Chassisabstimmung zu Tage. Jene Hochgeschwindigkeitsbalance muss ausgangs der Club- und der Abbey-Kehre und in den letzten beiden Kurven dieses Komplexes mit guter Traktion kombiniert werden."

S wie Strategie

An den Kommandoständen wird die Strategie festgelegt., Foto: Sutton
An den Kommandoständen wird die Strategie festgelegt., Foto: Sutton

Wie in Magny Cours sind auch in Silverstone sowohl Zwei- als auch Dreistoppstrategien zu erwarten. "Ich glaube, dass wir einige verschiedene Strategien sehen werden", prophezeit Fernando Alonso, "aber weniger Variationen als in Magny Cours."

Und auch für Michelin-Sportdirektor Pierre Dupasquier wären "zwei oder drei Stoppstrategien keine Überraschung". Seine Kollegen bei Bridgestone erwarten den Renntag derweil "etwas wärmer", was viel Wert auf einen "konstanten Reifen" legt. "In den Trainings waren die Zeiten der Ferrari-Fahrer sehr konstant", entsinnt sich Hisao Suganuma. "Deshalb erwarte ich sie auch im Rennen sehr stark."

Die erwarteten höheren Temperaturen können aber auch zu Problemen führen, wie Renault Motorenchef Denis Chevrier anmerkt: "Das Wetter bleibt immer eine Unbekannte, aber die Temperaturen werden morgen viel wärmer sein, was die Teams mit einigen Performance- und Zuverlässigkeitsherausforderungen konfrontieren wird."

S wie Strafen

Kimi ist derzeit der Pechvogel der F1., Foto: Sutton
Kimi ist derzeit der Pechvogel der F1., Foto: Sutton

Neben Tiago Monteiro, dessen ansonsten so zuverlässiges Toyota-Aggregat schon im ersten Training seinen Geist aufgab, muss auch Kimi Räikkönen zehn Plätze weiter hinten losbrausen, als es seine Qualifyingzeit eigentlich erlauben würde.

Dem Finnen passierte dieses Malheur allerdings zum zweiten Mal innerhalb von nur einer Woche. "Natürlich gewöhnt man sich an Enttäuschungen, aber es tut immer weh", klagte der Finne. "Aber es macht keinen Sinn herumzuschreien und Sachen herumzuwerfen. Damit verschwendet man nur seine Energie", scheint der Ice Man unterschwellig eine kleine Spitze in Richtung seines heißblütigen Teamkollegen zu richten, der schon gerne einmal nach einer selbst verschuldeten Disqualifikation seine Handschuhe in die Ecke pfeffert.

Teamboss Ron Dennis unterstützt jedenfalls die Aussagen seines finnischen Schützlings. "Es ist nicht produktiv den emotionalen Weg einzuschlagen", erklärte der erfolgsverwöhnte Teamchef. "Wir verbringen keine Zeit damit uns zu ärgern, wir verbringen unsere Zeit damit unsere Konkurrenzfähigkeit zu verbessern."

"Es ist nichts Neues für mich, da es nicht das erste Mal ist, aber es schmerzt uns in der Meisterschaft", fügt Kimi hinzu, "und das Schlimmste ist, dass es keine Rolle spielen würde, wenn es letztes Jahr geschehen wäre. Jetzt kostet es uns aber mehr."

Der Stern glänzt derzeit nicht immer., Foto: Sutton
Der Stern glänzt derzeit nicht immer., Foto: Sutton

Im Gegensatz zu Norbert Haug, der die Motorenregel und deren Strafversetzung nach Kimis erstem Motorschaden am letzten Wochenende hart kritisierte, versucht Dennis sich nicht lange damit aufzuhalten. "Die Regeln verlangen, dass die Motoren zwei Rennen halten und wenn nicht musst du die Strafe hinnehmen. So ist das nun einmal."

Die viele Kritik die Mercedes erwartungsgemäß einstecken muss, steckt Haug hingegen locker weg. "Wenn man zwei Motorschäden in zwei Rennen hat, dann ist das ein Problem, das ich nicht rechtfertigen kann. Ich bin sehr kritisch und wir verdienen es dafür kritisiert zu werden."

S wie Speed

Zumindest kann Kimi seine Aufholjagd erneut mit einem frischen Aggregat im Heck seines Silberpfeils starten. Den Motoren kommt auf dem High-Speed-Kurs durchaus eine wichtige Rolle zu, wobei vor allem der Wind einen starken Einfluss auf den Top-Speed nehmen kann.

So wird die Copse beispielsweise bei Gegenwind sehr viel schneller durchfahren, als bei Rückenwind. Denn dieser reduziert den Anpressdruck der Boliden, was angesichts der wechselhaften Winde in Silverstone, durchaus ein wichtiges Thema für das Rennen sein kann.

Platz Fahrer Top-Speed
1. Ralf Schumacher / Toyota 281,3
2. Fernando Alonso / Renault 279,6
3. Kimi Räikkönen / McLaren 279,5
4. Jarno Trulli / Toyota 277,4
5. Nick Heidfeld / Williams 274,8
6. Takuma Sato / B·A·R 274,8
7. Juan Pablo Montoya / McLaren 273,9
8. Mark Webber / Williams 272,2
9. Jenson Button / B·A·R 271,9
10. Felipe Massa / Sauber 267,9
11. Michael Schumacher / Ferrari 266,9
12. David Coulthard / Red Bull 266,1
13. Jacques Villeneuve / Sauber 263,7
14. Giancarlo Fisichella / Renault 263,0
15. Rubens Barrichello / Ferrari 262,5
16. Christian Klien / Red Bull 262,1
17. Christijan Albers / Minardi 253,5
18. Narain Karthikeyan / Jordan 249,0
19. Patrick Friesacher / Minardi 245,9
20. Tiago Monteiro / Jordan 185,3

S wie Spannung

Für genügend Spannungsmomente ist vor dem Start in das elfte Saisonrennen auf alle Fälle gesorgt. Beginnend mit dem frenetisch von den heimischen Fans angefeuerten Jenson Button, der immerhin aus der ersten Startreihe in seinen Heim-GP geht, in diesem aber nur einen Podestplatz und nicht seinen ersten Sieg erwartet, über die Aufholjagd von Kimi Räikkönen bis hin zu WM-Spitzenreiter Fernando Alonso, der versuchen wird so viele Punkte wie möglich auf seinen finnischen Rivalen gutzumachen.

Diese Damen erwarten einen spannenden Grand Prix., Foto: Sutton
Diese Damen erwarten einen spannenden Grand Prix., Foto: Sutton

Und dann sind die ja immer noch Toyota und Ferrari, die durchaus noch ein Wörtchen im Kampf um die Podestplätze mitsprechen möchten. Während Rubens Barrichello hierbei von Startplatz fünf "attackieren" möchte, hält sich sein deutscher Teampartner nach seinen unzutreffenden Siegchancenvorhersagen von Magny Cours diesmal stark zurück.

"Da heißt es im Rennen eher reagieren als agieren – vom neunten Startplatz aus kann man, um ehrlich zu sein, nicht wirklich viel machen", gab sich der siebenfache Weltmeister nicht gerade optimistisch. "Aber man weiß ja nie, was in einem Rennen so alles passiert. Mal abwarten, was da alles so möglich sein wird." Und wer Michael Schumacher kennt, der weiß dass der Ferrari-Star niemals ausgibt.