Am kommenden Mittwoch müssen sich die sieben Michelin-Teams vor dem FIA-Gericht für ihre Nichtteilnahme am GP der USA verantworten. Die Formel 1-Welt weiß: Alles ist möglich - Rüge, Geldstrafe, Punkteabzug, befristete Sperre und sogar der lebenslange Ausschluss aus der Formel 1. FIA-Präsident Max Mosley deutete gegenüber BBC Radio Five Live an, dass man ein Urteil irgendwo zwischen den beiden Extremen Rüge und Totalausschluss erwarten könne.

Jetzt hat sich auch Paul Stoddart bei dem Radiosender zu Wort gemeldet. Der Minardi-Boss warnt vor drakonischen Strafen und appelliert an die Vernunft. Schon zuvor hat beispielsweise Michael Schumacher den Freispruch für die Michelin-Teams gefordert - er wolle nicht mit Hilfe eines Punkteabzugs für die Betroffenen seinen achten WM-Titel einfahren. Der Kerpener weiß genau, dass ein solcher Eingriff in die Weltmeisterschaft ihr den sportlichen Wert entziehen würde. Aber es geht nicht nur um den sportlichen Wert - am kommenden Mittwoch schwebt ein wahres Damoklesschwert über der Formel 1.

Paul Stoddart, dessen Minardi-Team am US-Rennen teilnahm und daher nichts zu befürchten hat, erklärte in dem Radiointerview unmissverständlich, dass im Falle von drakonischen Urteilen die Teams, auch jene, die nicht verurteilt werden, für den Rennboykott bereit stehen. Man würde in einem solchen Falle ein Meeting abhalten - eine Rennteilnahme könne man dann nicht mehr garantieren.

Stoddart: "Alles ist möglich. Ich habe inoffizielle Berichte gehört - darüber, welche Strafen möglich sind. Das geht von einer 2,5 Millionen Dollar Buße bis zu einer befristeten Sperre, all diese Dinge sind möglich. Ich würde hoffen, dass Max zur Vernunft kommt, aber wer weiß das schon?"

Das weiß natürlich niemand. Es gibt die weisen Worte des Michael Schumacher, der mit seiner simplen Forderung nach einem Freispruch mehr als deutlich demonstriert, was hier eigentlich auf dem Spiel steht. Sollten die Teams mit einer harten Sperre belegt werden, würde es laut Stoddart zu einem "Einspruch kommen, man würde zunächst vor das Berufungsgericht der FIA gehen - und danach würde die Angelegenheit vor einem Zivilgericht enden." Das wäre de facto das Ende dieser F1-Weltmeisterschaft oder gleich das Ende der Formel 1. Ohne die Michelin-Teams wäre eine weitere Abhaltung dieser WM nur ein lächerliches Schauspiel, welches die "Königsklasse" endgültig zu Grabe tragen würde.

Kommt auch in Frankreich ein Mini Prix?, Foto: Sutton
Kommt auch in Frankreich ein Mini Prix?, Foto: Sutton

Sir Frank Williams hat in der letzten Woche bereits erklärt, er befürchte, dass man die Michelin-Teams vor dem FIA-Gericht "demütigen" wolle, man könne dort "nicht gewinnen". Williams sprach damit auch den Grabenkampf zwischen den Herstellern und der FIA an. Paul Stoddart: "Das ist beängstigend. Denn wenn es mehr als eine Rüge werden sollte, wären die Teams absolut unschuldige Opfer, so wie auch der Indianapolis Speedway und letztlich das Publikum Opfer waren." Zudem würde Stoddart auch eine Rüge als ungerechtfertig empfinden.

Für den Minardi-Chef trägt Max Mosley die Schuld daran, dass die sieben Michelin-Teams sich für eine Nichtteilnahme entschlossen haben, nachdem von Michelin die offizielle Erklärung kam, man könne die Sicherheit der Reifen nicht garantieren. Mosley habe sich gegen die von neun Teams ausgearbeitete Kompromisslösung einer temporären Schikane gestellt. Mosley wiederum verteidigt seine Entscheidung - man könne eine Rennstrecke nicht deshalb verändern, weil einer der Teilnehmer Probleme in einer bestimmten Kurve habe.

Diese Probleme jedoch bezeichnet Paul Stoddart mittlerweile als "höhere Gewalt". Stoddart: "Es gab Probleme bei den Klebestellen zwischen der Seitenwand und der Lauffläche der Reifen. Michelin hat einen Jet gechartert und Ersatzreifen eingeflogen und man hat herausgefunden, dass es bei diesen Reifen die gleichen Probleme gab. Meiner Ansicht nach war das höhere Gewalt." Und: "Ab diesem Zeitpunkt hätten wir ein ordentliches Krisenmanagement gebraucht - doch was wir von Mosley bekamen, war wie üblich ein Management in einer Krise." Stoddart stellte zudem in Zweifel, dass es, wie Mosley erklärte, beim Errichten einer temporären Schikane zu Rechtsproblemen in Amerika kommen hätte können.

Gegenüber der britischen Zeitung The People deutete Stoddart auch an, dass im Falle von drakonischen Strafen die Teams sogar die Ablöse von Max Mosley fordern könnten. Und: "Das World Council steht normalerweise immer hinter den Entscheidungen von Max Mosley, aber diesmal werden sicher nicht alle mit ihm gehen. Diesmal hat er den Sport fraglos beschädigt. Wenn er nicht nachgeben sollte und die Teams verurteilt werden, werden sie sagen: 'Wir können dich nicht abwählen, aber wir können dich mit unseren Füßen raus treten. Dann hätte er keine Chance."

Und: "Wenn Max am Mittwoch etwas Dummes tut, denke ich, wird die Reaktion der Teams unvorhersehbar sein." Wieder und wieder appelliert Paul Stoddart an die Vernunft des britischen FIA-Präsidenten und bedient sich dazwischen auch versöhnlicher Worte: "Max hat so viel Gutes für den Sport getan. Er sollte jetzt nicht all die gute Arbeit zerstören."

Und Stoddart hat auch eine praktische Lösung anzubieten - diese sieht eine finanzielle Bestrafung des eigentlichen Verursachers der USA-Krise, den Reifenhersteller Michelin, und eine angemessene Entschädigung für die Opfer, die Zuschauer vor Ort, vor: "Ich denke, eine Geldstrafe - in ausreichender Höhe, um damit die Besucher des US-GP zu entschädigen - welche die Teams wiederum von Michelin zurückerhalten würden, wäre die einzige vernünftige Art, wie Max Mosley hier wieder herauskommen könnte."

Eines ist nach diesen Worten jedoch abzusehen: Die Formel 1 ist ein Pulverfass. Der GP der USA ist ein Tiefpunkt der Formel 1-Geschichte. Sollte aber am Mittwoch eine Sperre für eines oder alle Michelin-Teams ausgesprochen werden, wäre das erst der Anfang vom Ende. Es droht der totale Infarkt.