Schließen Sie Ihre Augen und entspannen Sie sich. Lehnen Sie sich zurück und stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie sind ein unglaublich großer Formel 1 Fan - wovon wir auch in Realität einmal ausgehen - und freuen sich tierisch auf den Grand Prix in Ihrem viel zu großen Land.

Da es die Königsklasse des Motorsports nur zu zwei Besuchen auf Ihren Kontinent verschlägt, packen Sie nach langen Vorbereitungen Ihre Koffer, schnappen sich Ihre Fan-Flagge und setzen sich für eine mehrstündige und mehrere tausend Kilometer andauernde Fahrt in Ihr Auto.

Endlich am Ort des Begehrens angekommen, stürmen Sie auf die Tribüne, nehmen dort neben zigtausend Gleichgesinnten Ihren Platz ein und feuern schon Stunden vor dem Beginn des Hauptereignisses Ihre Helden an. Sie nehmen eine gewisse Hektik in der gegenüberliegenden Boxengasse wahr, denken sich aber, dass dies einfach zum Flair der europäischen Königsklasse dazugehört.

Das T-Shirt zur Farce., Foto: Sutton
Das T-Shirt zur Farce., Foto: Sutton

Erst als die innere Spannung und Vorfreude auf den entscheidenden Start Sie wenige Sekunden vor dem Erlöschen der roten Lichter von Ihrem Sitz reißt, bemerken Sie, dass da etwas nicht zu stimmen scheint. Die führenden Autos biegen alle wieder in die Box ab. Nur die beiden Ferrari rollen gemächlich langsam und fürchterlich alleine über die Start-/Zielgerade an den verdutzten Menschenmassen vorbei.

Alles läuft für Sie wie in Zeitlupe ab: 14 Autos können Sie mittlerweile in der Boxengasse zählen, während sich nur sechs auf den Grid verfahren zu haben. Nach der ersten Verwirrung macht sich Unmut breit. Ein gellendes Pfeifkonzert bricht um Sie herum aus und Sie schreien sich Ihren Frust und Ärger von der Seele. Was geschieht da unten? Wo ist das Rennen mit allen 20 Autos, für welches Sie viel Geld bezahlt haben? Wo ist das Rennen, für welches Sie stundenlange Reisestrapazen durch das halbe Land auf sich genommen haben? Wo zum Teufel ist derjenige, der Ihnen Ihr Geld zurück gibt? Sie greifen zu einer leeren Bierdose...

Sie können Ihre Augen nun wieder öffnen. Sollten Sie nicht zu jenen bedauernswerten Fans zählen, die genau dieses geschilderte Wechselbad der Gefühle vor genau einer Woche durchmachen mussten, können Sie sich glücklich schätzen. Denn dann gehörten Sie wahrscheinlich nur zu denjenigen Fans, die sich halb belustigt, halb enttäuscht vor dem heimischen TV-Bildschirm eingefunden und spätestens nach dem lächerlichen Beginn des Rennens nach einem besseren Programm Ausschau gehalten haben.

So könnten die Tribünen 2006 aussehen..., Foto: Sutton
So könnten die Tribünen 2006 aussehen..., Foto: Sutton

In den Tagen nach dem so genannten Großen Preis der USA, der im Blätterwald viele andere Beinahmen wie Formel Farce, Formel 0, Indy-Debakel, Sonntag der Schande oder Grand Prix der Lächerlichkeit erhielt, standen dennoch diese Szenen sowie die vorangegangenen endlosen Diskussionen im Fahrerlager im Mittelpunkt vieler weiterer Diskussionen.

Dabei hat alles mit einem Déjà-vu begonnen. Am Freitag flog Ralf Schumacher in der Steilwandkurve des legendären Indianapolis Motor Speedway rückwärts in die Mauer ab. Sofort hatten alle Betrachter wieder die Bilder von seinem schlimmen Vorjahresunfall vor Augen.

Das zweite Déjà-vu des Wochenendes erlebten wir dann am Sonntag, als die US-Zuschauer zum zweiten Mal innerhalb von nur drei Jahren Augenzeugen einer Farce wurden, wie sie diese nur in der Formel 1 geboten bekommen und welche Hans Joachim Stuck als klare "Volksverarschung" entlarvte.

Aber die vergangenen sieben Tage boten nicht nur eine "Volksverarschung" sowie eine Demonstration der grenzenlosen Uneinigkeit innerhalb der Formel 1, sondern auch ein klitzekleines weiß-blaues Pflaster, wie Stuck es auszudrücken pflegte.

Vielleicht sollten die Teamchefs einen Vorrat nach Paris mitnehmen., Foto: Sutton
Vielleicht sollten die Teamchefs einen Vorrat nach Paris mitnehmen., Foto: Sutton

Denn am Mittwoch kam es zu einem dritten Déjà-vu: Nach endlosen Verhandlungen, Gerüchten und Spekulationen bewahrheiteten sich die Vorhersagen und Wünsche eines gewissen Gerhard Berger und BMW gab die Übernahme des Schweizer Sauber Teams bekannt. Für Stuck das Beste, was der angeschlagen zu Boden taumelnden Königsklasse geschehen konnte.

Doch auch das langfristige Bekenntnis der Münchner Autobauer zum Monoposto-Sport, schließlich wollte man sich nicht auf die F1 festlegen, sondern erinnerte man auch an eine mögliche 'Piratenserie' der Hersteller, könnte schon eine Woche danach wieder vergessen, sogar Schnee von gestern sein. Das Wunderpflaster könnte dann quasi ohne Erneuerung abfallen und eine unheilbare, tiefe Wunder zum Vorschein bringen.

Dann nämlich, wenn es am kommenden Mittwoch in Paris zu einem vierten Déjà-vu kommen sollte. Eines welches im Rahmen des FIA World Motor Sport Council noch mehr Sturheit, Uneinsichtigkeit und Uneinigkeit zur Schau stellt und zugleich das Ende der Formel 1 bedeuten könnte...