Die einfachste Antwort auf die Frage, was wir heute in Indianapolis gesehen haben, lautet: Den Großen Preis der USA. Doch die entscheidende Lehre dieses neunten Rennwochenendes einer bislang packenden und Werbung für den Motorsport betreibenden Saison 2005 ist: Das war alles andere als eine Werbung für den Sport, sondern nur die bekannt zerstrittene Formel Farce der Teamchefs, Reifengurus und FIA-Oberen.

Die Lehre vom Spiegel

Dabei hatte alles so gut begonnen. Gleich zu Beginn des Rennwochenendes entdeckten unsere Fernsehkollegen von n-tv hektische Arbeit in der Ferrari-Box: An Michael Schumachers Spiegel wurde noch geschraubt. "Es scheint Probleme zu geben", hieß es. Die Angst der Ferrari-Techniker bei einem Spiegelwechsel zehn Plätze zurückversetzt zu werden hielt sich allerdings aus verständlichen Gründen arg in Grenzen...

Die Lehre vom Bruder

Ralfs Unfall sorgte für einen schlechten Start., Foto: Sutton
Ralfs Unfall sorgte für einen schlechten Start., Foto: Sutton

Michael Schumacher tritt bald zurück. Für diese Schlagzeile sorgte vor dem Wochenende nicht wie üblich die Boulevardpresse, sondern Ralf Schumacher, der in selbiger in einem Interview den Rücktritt seines Bruders ankündigte. Der ältere Bruder wollte davon allerdings nichts wissen. Was lernen wir laut Michael daraus? "Ralf ist eben nun einmal der jüngere und kleinere Bruder..."

Die Lehre von der Power

Oft rodelten die Piloten an diesem Wochenende durch die Auslaufzonen des Indianapolis Motor Speedway und ebenso oft mussten Mechaniker danach wieder mit ihren Hochleistungsstaubsaugern zur Tat schreiten. Während motorsport-magazin.comKolumnist Jacques Schulz dies dazu nutzte, um über die Leistung seines privaten Staubsaugers zu philosophieren, überbot ihn der etwas unschlüssige Kollege Marc Surer gleich um das doppelte. Rennfahrer brauchen eben immer noch mehr Power...

Die Lehre von Anstand & Ehre

An diesem Wochenende fehlten viel Ehre und Anstand., Foto: Sutton
An diesem Wochenende fehlten viel Ehre und Anstand., Foto: Sutton

Teamorder die ein Rennergebnis manipuliert ist laut dem FIA-Reglement verboten. Allerdings betonte Ron Dennis bei der Freitags-Pressekonferenz, dass ein in der WM chancenloser Fahrer seinem Teamkollegen von alleine ohne Anweisung seines Teams Platz machen sollte. Dies sei eine Frage von "Anstand und Ehre". Wir lernen also: Ehre und Anstand ist das Umgehen einer Regelung, das Manipulieren eines Rennergebnisses, ohne dabei aufzufliegen. Ehre und Anstand heißt demnach, den Piloten bereits im Vorfeld einen persönlichen Regelbruch einzuimpfen, so dass eine Anweisung seitens des Teams dazu nicht mehr nötig ist.

Die Lehre von den Pokalen

Dass McLaren-Boss Ron Dennis alle Pokale und Preise, die seine Piloten und Autos einfahren einkassiert, um sie in seinem McLaren Technology Centre in hypersauberen Vitrinen auszustellen, ist hinlänglich bekannt. Dass eben jene 'Superfabrik' nun gleich zwei eigene Pokale für gewonnene Architekturpreise einfahren könnte, dürfte den erfolgsverwöhnten Boss noch mehr freuen. Da soll Max Mosley noch einmal seine Kritik wiederholen, dass Dennis die 700 Millionen für das MTC lieber in eine Teststrecke hätte investieren sollen - Schließlich gewinnen Superteststrecken im Gegensatz zu superteuren Gebäuden keine Pokale...

Die Lehre von den unbegrenzten Möglichkeiten

Das Grid sah mehr Grid Girls als Starter., Foto: Sutton
Das Grid sah mehr Grid Girls als Starter., Foto: Sutton

Im Land der sprichwörtlich unbegrenzten Möglichkeiten ist nichts unmöglich. Und entsprechend dieses - ironischerweise von Toyota verwendeten Werbeslogans - lauteten die Schlagworte in den Schlagzeilen zum 3. Freien Training auch: "Bizarr", "seltsam", "Farce" oder "absurd". Aber auch hier gilt wohl eine bekannte Weisheit: Selbst wenn man glaubt jede nur denkbare Einzel-Qualifying-Farce erlebt zu haben, erfindet die Formel 1 immer wieder etwas noch viel verrückteres. In diesem Fall eine ganz neue Form des Rundengeizes...

Die Lehre von der Mischung

Die Mischung macht's. Auch in der Formel 1 und beim schwarzen Gold. Doch wer sich derart stark in der Mischung vergreift wie Michelin an diesem Wochenende und keine erlaubte Alternativmischung mit in den Staaten hat, der lernt die Sturheit der FIA kennen.

Die Lehre für die Staaten

Auch das wäre keine Lösung gewesen..., Foto: Sutton
Auch das wäre keine Lösung gewesen..., Foto: Sutton

Nach dem Hollywood-mäßig inszenierten Fotofinish der beiden Ferrari-Piloten im Jahre 2002 hätten die Show verliebten Amerikaner eigentlich begeistert sein müssen. Doch stattdessen war ihnen die ohnehin schon ungewohnte F1-Welt nun noch suspekter. Nicht viel besser dürfte es den Fans an diesem Wochenende ergangen sein, als die Michelin-Piloten im Freien Training erst die Steilkurve ausließen und durch die Box fuhren und später nur sechs Teams am Rennen teilnahmen. Manche Geschichten kann anscheinend noch nicht einmal Hollywood schreiben...

Die Lehre von den Pressemeldungen

Vier Runden vor dem Ende des Rennens hielt ein sichtlich verärgerter und enttäuschter Minardi-Teamboss Paul Stoddart bereits die Pressemeldung seines Teams zur Korrektur in den Händen. Man sieht: Nicht nur wir nutzten die Zeit während des 'Rennens' zum Vorbereiten unserer Texte...

Die Lehre vom Vergessen

Werden diese Fans vergessen? Wohl kaum..., Foto: Sutton
Werden diese Fans vergessen? Wohl kaum..., Foto: Sutton

Fliegende Dosen und Flaschen, Buhrufe, ein schallendes Pfeifkonzert bei jeder Durchfahrt an Start-/Ziel sowie bei der Siegerehrung: Das Votum der zahlenden Zuschauer vor Ort hätte nicht eindeutiger ausfallen können. Und während manch einer prophezeit, dass die Fans dies bei insgesamt 19 Grand Prix im Jahr verdrängen und vergessen werden, bleibt zu bezweifeln, ob die Amerikaner im kommenden Jahr noch einmal an die Strecke pilgern werden und ob Bernie Ecclestone den Beliebtheitsgrad der Königsklasse in den USA auf diese Weise steigern kann.

Die Lehre vom Regelbruch

Laut eines Briefes von FIA-Renndirektor Charlie Whiting an Michelin, wird die FIA untersuchen ob die Franzosen durch ihre falsche Reifenwahl gegen den Internationalen Sporting Code verstoßen und deshalb "nicht im Interesse des Sports" respektive zu dessen Schaden gehandelt hätten. Doch wer überprüft, ob nicht auch die FIA durch ihre Ablehnung der Errichtung einer Schikane in Turn 13 gegen "die Interessen des Sports" und dessen Fans verstoßen hat?

Die Lehre für Bernie

Bislang war das Wort von Bernie Ecclestone in der Formel 1 immer Gesetz. Doch an diesem verrückten und vollkommen chaotischen Wochenende sollte selbst dieses ungeschriebene Gesetz der Königsklasse nicht gelten. "Ich bin absolut und zu 100% sicher, dass wir ein komplettes Feld mit 20 Autos haben werden", verlautbarte Bernie am Samstag. Am Sonntag straften ihn die Bild von der Startaufstellung kurz vor dem Erlöschen der Ampeln Lügen.