Im Rahmen eines komplizierten Setup-Puzzles kommt auf dem "Brickyard" von Indianapolis den Reifen eine besondere Bedeutung zu: In der Hochgeschwindigkeits-Passage durch die überhöhte Kurve sowie in der Bremszone am Ende der Start-Ziel-Geraden ist eine eher steife Reifenkonstruktion für höhere Geschwindigkeiten und Richtungsstabilität gefragt. Die im Infield benötigten Tugenden Grip und Traktion lassen sich hingegen am besten mit einer eher weichen Laufflächenmischung in Kombination mit einer weichen Flanke realisieren.

"Es ist wichtig, einen Reifen zu haben, der die hohen Belastungen in der Steilwand aushält und gleichzeitig bei geringen Geschwindigkeiten ausreichend Grip bietet", fasst Sam Michael, Technischer Direktor des BMW Williams-Teams, zusammen. "Die Reifen für diesen Grand Prix wurden vor zwei Wochen in Europa ausgewählt, nachdem wir im Rahmen unseres Testprogramms mit Michelin an der Mischung gearbeitet haben. In puncto Rennstrategie rechne ich in Indianapolis mit zwei Stopps. Aber wir müssen abwarten, wie sich das Mehrgewicht durch den Kraftstoff auf den Reifenverschleiß auswirkt."

Michelin: Setup-Kompromiss Steilkurve

In puncto Reifenverschleiß sieht Michelin Motorsport-Direktor Pierre Dupasquier keinerlei Probleme auf die französischen Pneus zukommen, auch wenn sie durch das geringe Abtriebs-Niveau der Formel 1-Boliden einen größeren Anteil an Grip liefern müssen.

"Die überhöhte Kurve stellt trotz der Last und den hohen Geschwindigkeiten bei weitem nicht so hohe Anforderungen an die Reifen, wie viele vielleicht glauben", erklärt der Franzose. Vielmehr müssen die Teams und Fahrer darauf achten, dass auf dem rutschigen Streckenbelag des Infields die Traktionskontrolle ein übermäßiges Durchdrehen der Hinterräder wirkungsvoll unterdrückt.

Dennoch stellt die Steilkurve eine spezifische Anforderung an die Pneus: "Aufgrund der über 20 Sekunden Vollgas müssen die Reifen mit der Hitzeentwicklung klar kommen", betont Dupasquier. "Zudem müssen sie aber auch genügend Grip für eine maximale Traktion im engen Infield bieten."

Die Steilkurve übt außerdem vermehrten Druck auf die linke Seite des Chassis aus, welcher dann auf die Reifen übertragen wird. "Deshalb müssen wir uns bei der Reifenwahl auf diesen Streckenabschnitt konzentrieren. Weiche Reifen würden die Steilkurve nicht überstehen, aber zu harte Pneus würden im Infield Probleme bereiten und sich durch das viele Herumrutschen schnell abnutzen."

Bridgestone: Weiche Reifen für den Nudeltopf

Vier Trockenreifenspezifikationen fliegen die Japaner von Bridgestone in dieser Woche direkt aus Tokio nach Indianapolis ein. Besonderen Mut macht den Reifenmischern aus dem fernen Osten dabei das doppelte Podiumsfinish von Premiumkunde Ferrari.

"Das war eine große Motivation für unser Team", betont Motorsportdirektor Hiroshi Yasukawa. "Traditionell waren die Bridgestone-Teams in Indianapolis gut unterwegs und wir hoffen, dass unsere Streckenkenntnisse unseren Teams einen weiteren Schub geben können."

Wie Dupasquier betont auch der Technische Manager von Bridgestone, Hisao Suganuma, den "Schlüsselfaktor Hitzebeständigkeit" am Ende der langen Geraden. "Die gesamte Strecke hat eine relativ glatte Oberfläche und benötigt von daher Mischungen vom weicheren Ende unserer Produktpalette." Und auch mit dieser Aussage geht Suganuma mit Dupasquier konform, der zumindest die Oberfläche der Steilkurve - "im Gegensatz zu jener des Infields" - als "sehr grob und abreibend" bezeichnet. Entsprechend fügt Suganuma hinzu: "Die High-Speed-Bereiche der Strecke können hohen Reifenabrieb verursachen, weswegen wir über die Reifenabnutzung nachdenken müssen."

Obwohl seit dem letzten Jahr einige Streckenteile neu asphaltiert wurden, erwartet Suganuma auf diesem Gebiet keine Veränderungen. "Dies wurde von unseren Kollegen bei Bridgestone/Firestone in Nordamerika bestätigt, welche nach einem erfolgreichen Indy 500 intensive Erfahrungen mit dieser Strecke besitzen."