Stoffel Vandoorne - Megatalent. "Wenn McLaren ihn nicht nimmt, finde ich ein Cockpit für ihn", sagte Mercedes Motorsportchef Toto Wolff letztes Jahr über ihn. "McLaren wäre verrückt." McLaren ist aber nicht verrückt und so fährt Vandoorne in diesem Jahr an der Seite von Fernando Alonso in der Formel 1. Doch der Belgier hatte einen schwierigen Start. Nach acht Qualifying-Niederlagen in Folge, schlug er Alonso in Silverszone zum ersten Mal. Seitdem macht er dem Spanier Druck. Bei Motorsport-Magazin.com erklärt Vandoorne, warum jetzt funktioniert, was zu Beginn der Saison noch nicht klappen wollte.

Nach einem schwierigen Saisonstart scheint es, als wäre der Knoten bei dir geplatzt. War das ein ständiger Prozess oder gab es einen Schlüsselmoment?
Stoffel Vandoorne: Ich denke, es lag an der Arbeit mit dem Team, um die Probleme zu lösen. Wir hatten zu Saisonbeginn einige Probleme, sind nicht viel zum Fahren gekommen. Und es ist ja auch meine erste Saison in der Formel 1. Da mit den ganzen Problemen umgehen zu müssen, war nicht ganz einfach. Auch in Bezug darauf, wie ich meine Informationen an die Ingenieure rüberbringe, damit sie verstehen, was ich eigentlich vom Auto will. Deshalb hat es zu Beginn etwas länger gedauert. Nun aber gibt es keine Probleme mehr. Ich denke, ich bin ziemlich konkurrenzfähig. Es ist toll, dass sich die ganze Arbeit mit dem Team in der Fabrik und auf der Strecke ausgezahlt hat und wir nun einen Schritt nach vorne gemacht haben. Ich denke, es gibt noch genug Potenzial für die Zukunft.

Kannst du erklären, was genau zu der Steigerung geführt hat? Musstest du etwas an deinem Fahrstil ändern?
Stoffel Vandoorne: Es ist ein Geben und Nehmen. Natürlich ist mein Fahrstil anders als Fernandos und auch anders als Jensons im vergangenen Jahr. Für das Team war es also etwas Neues, damit zu arbeiten. Ich denke von beiden Seiten aus mussten wir etwas geben. Ich habe meinen Fahrstil etwas angepasst, aber ebenso hat das Team das Auto viel besser gemacht für meinen Fahrstil. Es fühlt sich jetzt natürlicher an.

Wie würdest du deinen Fahrstil beschreiben? Fernando gilt als aggressiver Fahrer, Jenson ist eher sanfter. Wie sieht das bei dir aus?
Stoffel Vandoorne: Ich möchte vor allem beim Bremsen das Vertrauen in das Auto haben. Ich bremse immer ziemlich spät, ziemlich tief in die Kurven. Und wenn das nicht richtig passt, summiert sich das im Folgenden immer mehr, was einen dann stört. Wir haben das aussortiert und die letzten Rennen waren sehr positiv.

Sieht man das vor allem auf den Daten, wenn man am Kurvenausgang verliert? Ist das also eher ein mathematisch-physikalischer Ansatz, als ein fahrerischer?
Stoffel Vandoorne: Es geht auch darum, sich gut zu positionieren. Wenn du das Auto nicht richtig positionieren kannst, verlierst du in der Mitte und am Ausgang der Kurve Zeit. Das ist jetzt aber kein Problem mehr, ich kann mit dem Auto das machen, was ich will. Die Weiterentwicklungen sind auch mehr in meine Richtung gekommen. Zuletzt war es dann einfach deutlich positiver. Und damit meine ich nicht nur die pure Pace. Sondern auch die Art und Weise, wie ich mich auf ein Rennwochenende vorbereite, wie ich in die Sessions gehe. Da fühle ich mich jetzt einfach wohler, weil ich weiß, was ich vom Auto brauche. Die Arbeit mit den Ingenieuren hat sich in diesem Bereich massiv verbessert. Wenn sie jetzt Dinge in den Daten sehen, wissen sie, wie man reagieren muss, auch in puncto Setup. Das klappt jetzt einfach besser.

Wir haben über den Beginn der Saison gesprochen. Man sagt, dass Rookies Zeit brauchen, doch du selbst hast ja schon das Gegenteil bewiesen, als du letzte Saison in Bahrain in deinem ersten Rennen gleich einen Punkt geholt hast. Was war dieses Jahr anders?
Stoffel Vandoorne: Die Autos sind in diesem Jahr ein bisschen sensibler, was das Setup betrifft oder auch das Verhalten der Reifen, wie man sie ins richtige Fenster bekommt. Das war zu Beginn der Saison für alle nicht einfach. Man sieht immer noch Rennen, bei denen es schwer ist, sie in den richtigen Bereich zu bringen.

Stoffel Vandoorne: Der Kampf gegen Fernando Alonso wird intensiver, Foto: LAT Images
Stoffel Vandoorne: Der Kampf gegen Fernando Alonso wird intensiver, Foto: LAT Images

Du sagtest, du hast deine Herangehensweise an den Wochenenden geändert. Kannst du uns ein Beispiel geben?
Stoffel Vandoorne: Es geht da mehr um die Dinge, wie ich das Setup des Autos wähle, manchmal benötigt man für das Qualifying mehr einen Kompromiss, um im Rennen besser zu sein. Auch wie ich mit Problemen umgehe, ist inzwischen viel besser. Alles hat einen Schritt nach vorne gemacht.

Ist es richtig, dass du manche Weiterentwicklungen später bekommen hast, als Fernando?
Stoffel Vandoorne: Ja, zu Beginn der Saison kam das vor. Zuletzt war es ziemlich gleich, welche Teile wann am Auto sind. Zu Saisonbeginn mit den ganzen Problemen hatte das eine Auto die Updates früher als das andere Auto. Zuletzt aber gab es da keine Probleme.

Gab es in dieser Saison Momente, in denen du Selbstzweifel hattest?
Stoffel Vandoorne: Überhaupt nicht. Ich weiß, dass die Lücke zu Fernando auf dem Papier teilweise ziemlich groß aussah, tatsächlich aber war sie niemals so groß. Es lag an Gründen, die ich selbst nicht genau erklären kann. Aber ich wusste, wenn erst einmal alles halbwegs normal läuft, muss ich mich hinter Fernando nicht verstecken.

Wer in die Formel 1 kommt, hat in der Regel zuvor Rennen und Meisterschaften am Fließband gewonnen. Bei dir war es genauso. Nun aber kannst du nicht um Siege kämpfen. Was bedeutet das für deine mentale Herangehensweise?
Stoffel Vandoorne: Ich denke, zu Saisonbeginn war es härter als jetzt. Wie du schon sagtest: Man ist daran gewöhnt, in jeder Serie um Siege zu kämpfen, dass man an fast jedem Wochenende um Siege kämpfen kann - wenn man einen guten Job macht und keine Fehler produziert. In diesem Jahr bin ich erstmals in der Situation, dass ich zu einem Rennen komme und weiß, dass selbst die Chance auf Punkte recht klein ist. Zu Beginn war es schwer, aber zuletzt… Man lernt einfach verschiedene Dinge, man fokussiert sich während des Wochenendes auf andere Dinge.

Noch passt es zwischen Stoffel Vandoorne und Fernando Alonso, Foto: LAT Images
Noch passt es zwischen Stoffel Vandoorne und Fernando Alonso, Foto: LAT Images

Ich habe mit Fernando nun einen extrem starken Fahrer neben mir. Es ist eine große Herausforderung und ich denke, wir beide pushen uns gegenseitig. Das zeigt sich auch in den Resultaten. Das Auto performt nicht so, wie es sollte. Zwei starke Fahrer in einem Team zu haben ist dabei ein Vorteil. Man versucht, sich auf andere Bereiche zu fokussieren, als wenn das Auto gut läuft. Da nimmt man es vielleicht etwas leichter.

Hast du mehr Druck, weil ihr wisst, dass ihr nur wenige Gelegenheiten habt? Ihr habt Monaco, Budapest, Singapur und das war es dann vielleicht...
Stoffel Vandoorne: Es ist nicht unbedingt mehr Druck. Das ist schlicht die Realität, dass wir auf manchen Strecken besser sind, als auf anderen. Die Herangehensweise an diese Wochenenden ist nicht viel anders als gewöhnlich. Natürlich, wenn wir wissen, dass es da eine Gelegenheit gibt, versuchen wir sie zu ergreifen, indem wir das Maximum herausholen, sicherstellen, dass es keine Probleme gibt. Und wenn dann alles mehr oder weniger nach Plan verläuft, können wir diese Performance an diesen Wochenenden bestätigen.

Gibt dir die Vertragsverlängerung mit McLaren zusätzliches Selbstvertrauen? Kevin Magnussen hatte damals gesagt, es sei für ihn ein Problem gewesen, eben nicht dieses Vertrauen zu bekommen.
Stoffel Vandoorne: Ich habe nie das Vertrauen verloren, ich hatte mir auch nie Sorgen gemacht, denn das Team hat mich in den schwierigen Momenten zu Saisonbeginn extrem unterstützt. Ich kenne das Team schon seit Jahren, seit meiner Zeit in den Nachwuchsklassen. Sie hatten extremen Anteil an meinem Erfolg. Es ist nicht so, dass sie mich aufgrund einiger schwieriger Rennen gleich beiseiteschieben. Eher das Gegenteil war der Fall. Sie haben noch mehr Einsatz da hineingesteckt, um die Probleme in den Griff zu bekommen und zu verstehen, was jeder vom anderen will. Das war eine sehr komfortable Situation, ich hatte auch nie Zweifel. Ich bin sehr glücklich, wie wir damit umgegangen sind.