Ferrari ist wieder da. Erstmals seit fünf Rennwochenenden, dem Monaco GP, steht wieder ein rotes Auto auf der Pole Position. Diesmal ist es allerdings nicht Kimi Räikkönen, wie noch im Fürstentum, sondern Sebastian Vettel, der sich in Ungarn seine zweite Saison-Pole nach dem Russland GP Ende April schnappte. Dennoch gibt es eine Parallele zu Monte Carlo: Auch auf dem Hungaroring starten gleich zwei Ferrari aus Startreihe eins.

"Das Auto war unglaublich. Wir haben einen riesigen Schritt nach vorne gemacht. Komplette erste Reihe für uns. Das ist großartig", jubelt Vettel. Groß ist die Freude, dass sich mit Räikkönen sein Teamkollege diesmal genau zwischen sich und die beiden WM-Verfolger von Mercedes geschoben hat. 0,168 Sekunden trennte das Ferrari-Duo an der Spitze.

Räikkönen enttäuscht: Hatte Pole recht locker drin

Ein Abstand, der den Finnen mit sich selbst hadern lässt. Statt Freude über das Comeback in Startreihe eins überwiegt bei Räikkönen anders als bei Polesitter Vettel nämlich die Enttäuschung. Enttäuschung über die verpasste Chance auf den Platz an der Sonne. "Eigentlich hat es sich gar nicht so gut angefühlt. Es ging ganz gut los, auch das Ende war okay", beschreibt Räikkönen seinen besten Versuch kurz vor Ende des Q3.

"Aber in der Schikane habe ich auf dem Außenkerb gebremst und dann viel verloren. Da habe ich es wirklich weggeworfen", meint. Räikkönen. Tatsächlich zeigt die Sektoranalyse, dass Räikkönen im entsprechenden Sektor zwei 0,178 Sekunden auf Vettels Bestzeit verlor. Denn anders als der Finne verbesserte sich Vettel im zweiten Versuch nicht mehr. Zieht man nun diese 0,178 Sekunden ab, so würde es tatsächlich für die Räikkönen-Pole reichen, wenn auch super knapp - um eine Hundertstel.

Doch wie immer gelten Hätte, Wäre und Wenn in der Formel 1 keinen Pfifferling. Und so kann sich Räikkönen schließlich doch irgendwie mit P2 arrangieren. "Immerhin war es noch gut genug für Platz zwei. Und einen guten Start zu haben ist wichtiger, als auf der besseren Seite zu stehen", sagt der Finne. "Aber ich bin etwas enttäuscht. Ich hatte heute das Gefühl, es relativ locker drin zu haben, aber ich habe es nicht wirklich zuende bringen können."

Die Gründe für das Ferrari-Comeback

Mustergültig vollstreckt dagegen hat Vettel - oder auch Ferrari insgesamt, bedenkt man, dass an einen Qualifying-Sieg über Mercedes zuletzt auch nur mit einem Auto nicht einmal zu denken gewesen war. Doch woher rührt die gewaltige Leistungsexplosion Ferraris? Einerseits zum Vortag, als sich die Scuderia in Ungarn schwer tat, andererseits zu den vergangenen Wochenenden als gegen Mercedes am Samstag völlige Chancenlosigkeit herrschte?

"Ich fahre gerne hier und habe einen guten Rhythmus gefunden", nennt Vettel einen Aspekt. Ein weiterer - entscheidenderer - Grund ist aber sicherlich die Charakteristik der Strecke: Alles andere als unauffällig, dass es sich bei dem Hungaroring genau wie bei Monaco um eine High-Downforce-Strecke handelt. "Als wir in Q1 und Q2 die Pace bestätigen konnten, wusste man dann schon, dass man dabei ist. Aber so ganz weiß man es nie so recht. Mercedes dreht normal extrem auf. Aber das ist vielleicht nicht so die Strecke dafür", erklärt Vettel.

Noch dazu die hohen Temperaturen in Ungarn, was Ferrari generell immer ein Stück mehr gelegen kommt. Genau das deutet auch Vettel an: "Wenn du hier ein gutes Auto fahren kannst und dann auch noch so ein Traumwetter hast, besser geht es nicht", sagt der Deutsche.

Doch ist das wirklich alles? Nicht ganz. "Es ist nichts Besonderes", sagt Vettel zwar. "Aber wir haben einfach hart gearbeitet. Das letzte Rennen war nicht toll für uns", sagt Vettel. Doch was bedeutet das genau? "Ich weiß, dass Ferrari viele neue Teile am Auto hat. Davon haben sie natürlich nichts erzählt", erklärt Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner.

Im englischen Fernsehen nannte Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene einen weiteren Aspekt: Ferrari-Nachwuchsmann Antonio Giovinazzi sei nach seinem Outing für Haas am Freitag sofort nach Maranello gejettet, um Stunde um Stunde im Simulator zu arbeiten. Das habe Ferrari wertvolle Informationen gegeben, um die Abstimmungsprobleme aus den Trainings zu beheben.

Offensichtlich mit extrem durchschlagendem Erfolg. "Verglichen mit gestern, was nicht gerade der einfachste Tag war, bin ich heute ziemlich zufrieden, wie die Dinge gelaufen sind. Ich habe es geschafft, das Auto für das Qualifying zu verbessern", berichtet Räikkönen. "Wir sind sehr zufrieden damit, wie es sich jetzt verhält. Die Balance war perfekt", lobt der Finne. "Aber morgen wird ein langes Rennen. Also müssen wir so weitermachen."

Jetzt muss Vettel beweisen, dass der Ferrari noch ein Siegauto ist

Genau das fordert auch Sebastian Vettel. "Die Hauptaufgabe kommt erst morgen, also ist heute noch nichts gewonnen. Aber wir sind für heute sehr happy", sagt der WM-Leader. "Wir sind zufrieden damit, wo wir als Team stehen und erinnern uns immer wieder daran, wo wir vor zwölf Monaten waren. Aber wir geben weiter Vollgas. Das ist, was wir getan haben. Das ist, was wir weiter machen werden. Das ist der einzige Weg, Erfolg zu haben."

Ähnlich euphorisiert mahnend klingt der Ferrari-Teamchef bei RTL. "Fantastisch, sehr gut. Wir haben hart gearbeitet die letzte Nacht und jetzt sind wir da", jubelt Arrivabene. "Wir haben aber nur 30 Prozent vom Job gemacht, 70 kommen morgen noch!"

Mit der reinen Ferrari-Reihe eins sind dafür jedenfalls die besten Voraussetzungen gegeben - zumal Vettel zuletzt wiederholt betont hatte, Ferraris Sieg-Durststrecke liege insbesondere an den schlechteren Startpositionen gegenüber Mercedes. Wer das Qualifying für sich entscheide, tue sich dann auch im Rennen leichter, laufe weniger Gefahr, am Start eingequetscht oder zu Rennbeginn aufgehalten zu werden.

An die reine Rennpace seines Ferrari glaubte Vettel immer und ohne Abstriche. Das betont der Ferrari-Pilot auch nach dem Qualifying wieder. "Ich denke nicht, dass wir je weg waren. Es ist normal, dass man Rennen hat, die nicht in deine Richtung laufen. Und gleichzeitig sind sie in Mercedes' Richtung gelaufen glaube ich", sagt Vettel.

"Aber für morgen erwarte ich ein sehr enges Rennen mit drei Teams, die sehr eng zusammen sein werden. Die Longruns waren sehr eng. Schwer, da einen Favoriten auszumachen. Wir haben die Autos in die besten Positionen gebracht. Wenn wir das am Start halten können, dann sollten wir eine gute Chance haben", meint Vettel. Jetzt ist die Gelegenheit also da, zu beweisen, dass der Ferrari noch immer ein Siegauto ist. "Jetzt müssen wir abliefern", weiß auch Vettel. Setzen er und Räikkönen es um?