So richtig nachvollziehen hätte man die Entscheidung von Red Bull Racing nicht können, hieß es in einer Reportage im Vorlauf der Grand Prix-Berichterstattung des ORF. Womit natürlich der Einsatz von Vitantonio Liuzzi beim GP von Europa auf dem Nürburgring gemeint war, bei dem im Vorfeld viele österreichische Formel 1-Fans mit einem Renn-Comeback von Christian Klien gerechnet haben. Teamchef Christian Horner wurde unwirsch gefragt: "War das ihre Idee?" Und außerdem soll Gerüchten zufolge Red Bull-Motorsportbetreuer Dr. Helmut Marko an Liuzzi "mitverdienen", hieß es da...

Am Abend dann setzte sich Helmut Marko in die ORF-Sendung "Sport am Sonntag", um sich genau diesen Fragen zu stellen. In einem eingespielten Beitrag erfuhr man, dass "die Luft für Christian Klien bei Red Bull dünn" sei, denn mittlerweile soll man an eine Vertragsverlängerung mit David Coulthard denken. Die Mission von Marko hieß also: Frieden stiften, die Gemüter beruhigen und die Entscheidungen des Teams sachlich erklären.

Und so erklärte Helmut Marko: "Es gibt verschiedene Gründe, warum wir Liuzzi auch für den Europa-GP das Renncockpit gaben. Wir wollen den Rhythmus der Fahrerwechsel länger gestalten, denn die Ingenieure wechseln ja auch mit dem Fahrer mit. Wir haben gesehen, dass drei Rennen vielleicht zu wenig sind. Bei Liuzzi war es jedenfalls so. Zudem muss der eingetauschte Fahrer als erster in das Qualifying und auf dem Nürburgring ist das Rahmenprogramm umfangreicher als in Kanada - durch die Autos, die in den Rahmenrennen fahren, wird vor dem Qualifying viel Staub und Dreck auf die Fahrbahn gebracht und die Gummierung der Formel 1-Pneus geht verloren. Und das Qualifying ist ja leider unsere Schwäche und wir dachten einfach, dass es ein Nachteil wäre, wenn wir zu oft wechseln..."

Marko beruhigte die österreichischen Fans: "Christian Klien wird sicher die nächsten vier Rennen für uns bestreiten, und es könnten auch mehr sein." Zu dem Gerücht, wonach er Liuzzi manage, sagte Marko: "Nicht nur Liuzzi, sondern viele Piloten. Wir haben ja ein starkes Junior-Team - und der nächste Fahrer, Scott Speed, ist auf dem Sprung in die Formel 1. Er wird nächste Woche in Silverstone testen und wenn das passt, könnte er bei den Überseerennen im dritten Auto sitzen."

Apropos Testfahrten - auch Christian Klien, der in einer Einspielung monierte, er habe in dieser Saison erst einen Tag testen können, wird künftig wieder vermehrt zum Testeinsatz kommen. Klien auf die Frage, ob die Pause ein Schaden für ihn sein könnte: "Wir werden sehen, ob es mir geschadet hat. Vielleicht hat es mir ja auch gut getan..." Auf Marko angesprochen sagte Klien: "Er ist ein wichtiger Teil des Teams, sitzt im Gremium mit Didi Mateschitz und Christian Horner, wir stehen oft in Kontakt und so wird es auch weiterhin sein."

Helmut Marko bereut jedenfalls nicht, den erfahrenen David Coulthard verpflichtet zu haben, denn: "Wir haben gesehen, dass keiner der Jungen - im Rennen - an die Leistungen von David Coulthard rankommt. Weder Klien noch Liuzzi."

Marko: Liuzzi hat Schwächen mit vollem Tank., Foto: Sutton
Marko: Liuzzi hat Schwächen mit vollem Tank., Foto: Sutton

Die Leistung des Italieners nach dessen vier Renneinsätzen beurteilt Marko folgendermaßen: "In Imola schlug er sich - dafür, dass es sein erstes Rennen war - sehr gut. In Barcelona und Monaco würde ich seine Leistung als eher schwach einstufen, auf dem Nürburgring war er wieder besser unterwegs. Prinzipiell sehe ich bei ihm Schwächen, wenn er mit vollem Tank unterwegs ist. Aber es ist ja auch erst sein erstes Jahr - und auch bei Klien hat man gesehen, wie schwierig so ein erstes Jahr sein kann." Aber man habe eben viele Fahrer und man wechsle diese ständig, sagte Marko - und der Rennprofi konnte mit seinen Statements für ruhiges Blut und versöhnliche Stimmung im TV-Studio sorgen.

Bei dem heute abgehaltenen Rennen auf dem Nürburgring habe man "einen Podestplatz vergeben", als Coulthard "zirka zwei Meter vor der Linie zu früh den Release-Button für den Speedlimiter losgelassen hat". Allerdings sei DC auch von einem Minardi irritiert worden. Zudem habe man bei den Boxenstopps von Liuzzi Fehler gemacht - generell aber sei man mit dem Ergebnis beim Europa-GP zufrieden.

Was die Saison 2006 betrifft, wollte Marko sich nicht in die Karten blicken lassen - die kolportierte respektive gerüchteweise umhergeisternde Vertragsverlängerung mit David Coulthard wollte der Grazer nicht kommentieren: "Zunächst wollen wir bis Ende Juni eine Entscheidung in punkto Reifen treffen. Die Fahrerfrage wird bis Ende August entschieden." Eine eventuelle Verpflichtung von Rubens Barrichello dementierte Marko bereits gegenüber der Krone mit den Worten: "Blödsinn. Kein Kontakt. Kein Interesse." Ein Wechsel zu Bridgestone wäre wegen der Verwendung von Ferrari V8-Maschinen im kommenden Jahr "logisch", aber: "Bridgestone sollte sich schon noch verbessern. Bislang ist ihnen das auch immer gelungen. Aber eine Zusammenarbeit mit den Japanern würde Sinn machen."

Für den mit allen Rennwassern gewaschenen Rennfuchs ist die WM bereits entschieden: "Ich sehe die WM nicht als offen. Das Punkte-System belohnt die Ankommenden. Und Fernando Alonso ist stark genug, um auch taktisch klug fahren zu können. Diese WM ist gelaufen."