Lewis Hamilton musste sich 2016 im WM-Kampf gegen Nico Rosberg geschlagen geben. An seinem Standing als Topfavorit auf den WM-Titel 2017 ändert diese Niederlage jedoch nichts: Kein Pilot hat in den vergangenen drei Jahren mehr Pole Positions eingefahren und mehr Rennen gewonnen als er - und er geht immer noch für das Team an den Start, welches ihm all diese Erfolge ermöglicht hat.

Wenn die Formel 1 am letzten März-Wochenende in Melbourne in die neue Saison startet, wird Hamilton auch ohne den Status des amtierenden Weltmeisters der Mann sein, den es zu schlagen gilt - und wenn Mercedes seiner Speerspitze erneut einen Dominator-Boliden zur Verfügung stellt, könnte der Brite leichtes Spiel auf dem Weg zum vierten WM-Titel haben.

Seit die Hybrid-Aggregate 2014 Einzug in die Königsklasse gehalten haben, konnte Lewis Hamilton nicht weniger als 31 Rennen für sich entscheiden. Sein ärgster Widersacher in den vergangenen drei Jahren war Ex-Teamkollege Nico Rosberg, gegen den er trotz heftiger Gegenwehr in den Saisons 2014 und 2015 relativ unbehelligt zum WM-Titel marschieren konnte. 2017 wird sein Gegenspieler jedoch nicht mehr am Start sein: Rosberg hatte sich nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 2016 kurzerhand in den Ruhestand verabschiedet. Von der Konkurrenz á la Ferrari und Red Bull war nur vereinzelt Gegenwehr zu erwarten, denn meistens kam die Konkurrenz den Silberpfeilen nicht einmal ansatzweise hinterher.

Wenn Hamilton sich jemandem geschlagen geben musste, dann dem eigenen Stallgefährten. 2017 wird dieser Valtteri Bottas heißen - und vom Hamilton-Lager wurde schon vor dem ersten Aufeinandertreffen auf der Rennstrecke mild gegen den Neuzugang geschossen: "Jeder, der es mit Lewis aufnimmt, muss seine Karriere korrekt geplant haben. Denn es könnte deiner Karriere ein Ende setzen, wenn du gegen Lewis antrittst", so Anthony Hamilton, seines Zeichens Vater und ehemaliger Manager des Mercedes-Stars. Dementsprechend wahrscheinlich ist es für ihn, dass sein Sohn auch Bottas aufs Abstellgleis schicken könnte: "Es wird interessant mit Valtteri, weil er noch nicht gegen die anderen Jungs an der Spitze gefahren ist."

Hamilton wird auch 2017 der Gejagte in der Formel 1 sein, Foto: Sutton
Hamilton wird auch 2017 der Gejagte in der Formel 1 sein, Foto: Sutton

Unberechenbarer Bottas

Genau diese Tatsache könnte es jedoch sein, die das größte Ass im Ärmel des Finnen ist. Denn der 27-Jährige, der seit seinem Debüt im Jahr 2013 für Williams unterwegs war, stellt für Hamilton das völlig Unberechenbare dar. Gegen Rosberg fuhr der dreimalige Weltmeister schon zu Go-Kart-Zeiten und in der Formel 3. Er kannte die Arbeitsweise und die Psyche des Teamkollegen - doch einen Bottas, der obendrein mit gleichen Waffen ausgerüstet ist, kennt er nicht. Hamilton äußerste sich zuletzt schon beinahe prophylaktisch, falls der Neuling ihm unerwartet doch etwas näher auf die Pelle rücken sollte.

"Ich würde nicht die Daten meines Teamkollegen wollen und er sollte auch meine nicht sehen", so Hamilton über den bei ihm äußerst unbeliebten Austausch von Telemetriedaten innerhalb des Teams. Bottas hingegen konterte die Breitseite von Papa Hamilton mit einer Ansage, die man vom sonst so ruhigen Finnen kaum erwartet hätte: "Ich werde zeigen, wozu ich in der Lage bin. Ich wäre nicht gerne mein Teamkollege, denn ich weiß, wozu ich fähig bin." Bisher wissen nur Pastor Maldonado und Felipe Massa, wozu Teamkollege Bottas fähig ist - und beide unterlagen dem neuen Mercedes-Piloten in ihrer gemeinsamen Zeit bei Williams jeweils.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff hatte immer wieder bekräftigt, bei der Suche nach einem neuen Teamkollegen für Hamilton Wert auf einen ebenbürtigen Gegner zu legen - denn ein Hamilton, der alleine auf weiter Flur zum WM-Titel gondelt, ist keine gute Werbung für den Sport. Mit Bottas will das Team diesbezüglich die beste Wahl getroffen haben, doch Garantien gibt der Teamchef trotzdem nicht: "Kann er den derzeit besten Formel-1-Fahrer im Feld schlagen? Ich weiß es nicht."

Bei Williams war Valtteri Bottas über vier Jahre hinweg der Platzhirsch, Foto: Sutton
Bei Williams war Valtteri Bottas über vier Jahre hinweg der Platzhirsch, Foto: Sutton

Red Bull und Ferrari gefragt

Sollte Bottas der Herausforderung Hamilton fahrerisch oder mental nicht gewachsen sein, könnte es Aufgabe der Konkurrenz werden, ihn von einem Alleingang abzuhalten. Dafür in Frage kommen jedoch, gemessen an der jüngsten Vergangenheit, nur Red Bull und Ferrari. In den Saisons 2014 und 2015 konnte Sebastian Vettel nur selten den Kampf mit den Silberpfeilen aufnehmen, doch im dritten Jahr der italienisch-deutschen Ehe soll der dauerhafte Sprung an die Spitze endlich gelingen. "Es ist eine Chance und ein Risiko", so der viermalige Champion angesichts des neuen Reglements für 2017.

Wenn Ferrari die Lücke zu den Silberpfeilen schließt, wird Vettel mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Speerspitze im Kampf gegen Hamilton sein. Wer jedoch noch ambitionierter in die neue Saison geht, ist Red Bull. Die Österreicher hatten 2016 ein starkes Jahr und waren als einziges Team dazu in der Lage, Mercedes auf der Rennstrecke zu bezwingen. Dr. Helmut Marko tönte gegenüber Motorsport-Magazin.com deshalb schon vor dem Jahreswechsel, dass sich Hamilton und sein Team warm anziehen können: "Wann immer es Regeländerungen gab, war Red Bull stark." Doch nicht nur was die Arbeit der Ingenieure betrifft, darf Red Bull mit stolz geschwellter Brust in den Kampf gegen Mercedes ziehen.

Während sich Hamiltons Ruf als schnellster Pilot der Formel 1 vor allem in den letzten Jahren als Silberpfeil-Pilot festigte, gibt es nicht wenige, die auch dem Red-Bull-Duo das Zeug zum WM-Titel zutrauen - denn Daniel Ricciardo und Max Verstappen zählen seit der Saison 2016 zum erlesenen Kreis der Top-Piloten. "Durch die Regeländerung werden die Autos schwieriger zu fahren. Das Spreu trennt sich vom Weizen. Wir gehen davon aus, dass wir zwei absolute Top-Fahrer haben", ist sich Marko sicher. Hamiltons Saison 2017 könnte also alles andere als eine Kaffeefahrt werden.