Die Formel-1-Saison 2016 geht in die Geschichtsbücher ein. Mit 21 Rennen stehen in diesem Jahr mehr Grands Prix als je zuvor auf dem Programm. Auch in der nächsten Saison wird sich diese Zahl wiederholen, sofern die Großen Preise von Deutschland, Kanada und Brasilien, die momentan noch unter Vorbehalt sind, im Kalender verbleiben.

Doch damit scheint das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, denn die Verantwortlichen des neuen Formel-1-Besitzers Liberty Media liebäugeln mit einer weiteren Aufstockung des Kalenders. Im Rahmen der Morgan Stanley European Technology, Media & Telecom Konferenz in Barcelona erklärte Liberty-Media-CEO Greg Maffei, dass 21 Rennen noch keine Obergrenze darstellen würden und neue Destinationen in Lateinamerika, Asien und den USA besonders interessant seien.

Mehr Rennen - mehr Geld

"Es besteht Interesse an mehr Rennen", erklärte Maffei. "Die FIA würde dann mehr Geld machen, die Teams würden mehr Geld machen, und wir würden auch mehr Geld machen." Außerdem könnten durch eine Aufstockung der Rennen neue Bevölkerungsschichten angesprochen werden, so Maffei, was ja bekanntlich das Ziel von Liberty Media ist - die Formel 1 wieder populärer zu machen.

1950, in der ersten Saison der Formel-1-Weltmeisterschaft, fanden lediglich sieben Grands Prix statt, und bis zur Mitte der 60er-Jahre wurde die Zahl von zehn Saisonrennen lediglich einmal überschritten. Bis zum Ende der 70er-Jahre folgte dann eine stetige Expansion, die in einem vorläufigen Höhepunkt von 17 Rennen in der Saison 1977 gipfelte.

Danach setzte eine Phase der Kontinuität ein - zwischen 1984 und 2003 gab es stets entweder 16 oder 17 Saisonrennen -, ehe sich die Formel 1 aufmachte, neue Märkte in Asien zu erobern, was in der nunmehrigen Rekordzahl von 21 Rennen gipfelte. Betrachtet man den langjährigen Mittelwert beginnend mit 1950, so liegt die durchschnittliche Anzahl der Saisonrennen bei 14,4.

Die USA im Fokus

"Natürlich gibt es ein gewisses Limit, wie viele Rennen möglich sind. Man muss ja auch die Autos um die Welt transportieren. Aber ein leichter Anstieg ist sicher machbar", kann sich Maffei jedenfalls eine weitere Aufstockung des Kalenders gut vorstellen. "Mir gefällt die Idee eines Nachtrennens in Las Vegas besonders. Neueinsteiger tendieren auch dazu, mehr zu zahlen."

Die Formel 1 soll wieder in die amerikanischen Großstädte - so wie zwischen 1982 und 1988 in Detroit, Foto: Sutton
Die Formel 1 soll wieder in die amerikanischen Großstädte - so wie zwischen 1982 und 1988 in Detroit, Foto: Sutton

Neben dem aktuellen US Grand Prix in Austin weitere Rennen in den Vereinigten Staaten auszutragen, ist eine Idee, die von Liberty Media bereits seit der Übernahme der Formel-1-Anteile im Sommer regelmäßig propagiert wird. So meinte Chase Carey, neuer Vorstandsvorsitzender der Königsklasse, im September: "Die Formel 1 ist eine großartige Premiummarke, und das bedeutet für mich, dass man an einem Ort wie Los Angeles, New York oder Miami sein möchte."

Bislang fanden in den USA an den unterschiedlichsten Schauplätzen - von Austin über Indianapolis bis hin zu Dallas, Phoenix und Detroit - insgesamt 56 Grands Prix statt, womit sich die Vereinigten Staaten hinter Großbritannien, Italien, Monaco, Deutschland, Belgien und Frankreich auf Platz sieben der Länder mit den meisten ausgetragenen Rennen liegen.

Großer Preis Rennen Erster GP Letzter GP
Großbritannien 67 1950 2016
Italien 67 1950 2016
Monaco 63 1950 2016
Deutschland 62 1951 2016
Belgien 61 1950 2016
Frankreich 58 1950 2008
USA 56 1959 2016
Kanda 47 1967 2016
Spanien 46 1951 2016
Brasilien 44 1973 2016

Piloten kritisch

Bei den Fahrern stößt die angedachte Aufstockung auf wenig Gegenliebe, für viele Piloten wurde bereits mit 21 Rennen die Höchstgrenze überschritten.

"In der Vergangenheit, als ich angefangen habe, hatten wir 16 oder 17 Rennen. Dazu hatten wir viele Tests zwischen den Rennen. Letztendlich waren wir genauso beschäftigt wie heute, oder sogar mehr", meint etwa Fernando Alonso. "Das Reisen in Europa Anfang September, dann Singapur, Malaysia Ende September, dann Japan, dann geht es in die USA, dann nach Südamerika und dann fahren wir das Finale in Abu Dhabi. Das ist für mich zu viel."

Redaktionskommentar

Vor-Ort-Reporter Christian Menath zur Idee der erneuten Aufstockung: Der Rennkalender darf auf keinen Fall aufgestockt werden. Bereits mit dem diesjährigen Mammutprogramm von 21 Rennen gibt es diverse Probleme. Man könnte meinen, von einem gut bezahlten Formel-1-Fahrer erwarten zu können, dass sich dieser dann eben 25 Mal im Jahr ins Auto setzt - macht ja schließlich Spaß. Es geht nicht um das Event an sich, es geht um die Reisestrapazen. Dabei haben es die Fahrer mit Privatjets oder First Class Flügen meist noch recht angenehm - die Masse des mitreisenden Trosses allerdings nicht.

Die Logistik ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung in der F1, Foto: Sutton
Die Logistik ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung in der F1, Foto: Sutton

Man bräuchte - wie einst, als Testfahrten noch an der Tagesordnung waren - wieder ein zweites Vor-Ort-Team, damit man rotieren kann. Für die kleinen Teams ist das nicht zu stemmen - auch mit Mehreinnahmen nicht. Klar, die Bundesligasaison hat 34 Spieltage, dazu kommen noch Pokal, Champions League und Länderspiele. In der Formel 1 sind englische Wochen schon rein logistisch völlig undenkbar. Wir sprechen hier nicht von Augsburg nach Hoffenheim, sondern von Montreal nach Baku.

Dazu kommt auch irgendwann eine Übersättigung. Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten - dann ist es vorbei. In der Formel 1 reden wir von einem ganzen Wochenende. Man merkt es schon bei 21 Rennen: Die Geschichten werden zum Ende der Saison nicht besser. Wenn sich das Kräfteverhältnis eingependelt hat, ändert sich nicht mehr besonders viel. Dann schreiben wir alle zwei Wochen die gleichen Geschichten. Jeder Nebensatz wird von einigen Kollegen auf die Goldwaage gelegt und zu einer großen Geschichte hochstilisiert. Gleichzeitig werden die einzelnen Rennen entwertet. Ein Grand Prix soll etwas wert sein - mehr als 1/25!