Jahrhunderttalent, Shootingstar, Wunderkind, kommender Weltmeister. Schon oft wurden junge Piloten bereits vor ihrem Formel-1-Debüt bis in den Himmel gelobt. Längst nicht alle erfüllten diese Erwartungen. Aktuell ist es Max Verstappen, der sich daran versucht. Bislang macht der massiv gehypte Niederländer seine Sache gut. Bereits in seiner zweiten F1-Saison fährt Verstappen in einem Top-Team, mit Red Bull kämpft er jedes Wochenende um Podien.

Noch dazu geschieht das in einer Art und Weise, mit der Verstappen von sich Reden macht: Dank kontroversen Manövern, knallhartem Racing und klaren, unverrückbaren Meinungen in seinen Interviews sorgt der Youngster regelmäßig für Schlagzeilen. Attribute, die auch einen anderen möglichen Formel-1-Star der Zukunft beschreiben könnten: Stoffel Vandoorne.

Stoffel Vandoorne der nächste Max Verstappen?

Nach ermüdenden Wochen, nein Monaten, der Ungewissheit und nervtötenden Journalisten-Fragen zu seiner Zukunft hat der Belgier seit dem Italien GP endlich Gewissheit. In Monza verkündete McLaren, Vandoorne werde 2017 das zweite Cockpit an der Seite von Fernando Alonso erhalten. Zwar im Zug einer 'innovativen Drei-Fahrer-Strategie', die auch Jenson Button einbezieht, doch das Stammcockpit gehört erst einmal Vandoorne.

Erst einmal? Ja, genau das macht das von McLaren kreierte Konstrukt mit drei Fahrern nämlich aus. So steht der routinierte Button jederzeit bereit, wieder in das Cockpit zu steigen. Etwa, wenn Alonso nach 2017 seine Karriere tatsächlich beenden sollte. Oder Alonso und Vandoorne sich so gar nicht verstehen.

Eine Drei-Fahrer-Strategie soll McLaren gegen Risiken absichern - etwa ein Scheitern Vandoornes, Foto: McLaren
Eine Drei-Fahrer-Strategie soll McLaren gegen Risiken absichern - etwa ein Scheitern Vandoornes, Foto: McLaren

McLaren-Megatalente zuletzt eher Reinfälle

Oder aber, wenn Vandoorne schlicht nicht liefert. Das erwartet zwar so ziemlich niemand, doch McLaren sichert sich dank des Innovativen Vertrags-Schachzugs lieber ab. Zu oft war der Rennstall in der jüngeren Vergangenheit von vermeintlichen Superstars in spe enttäuscht worden - oder hatte sie selbst verheizt. Heikki Kovalainen, Kevin Magnussen und Sergio Perez lassen grüßen.

Vandoorne jedoch dürfte deren Schicksale kaum teilen. Dazu spricht schlicht so gut wie nichts. Im Gegenteil. Der Belgier bringt nahezu alles mit, um ähnlich kometenhaft wie Max Verstappen in die Königsklasse einzuschlagen. Doch liegt der Fall Vandoorne in einem Punkt nahezu komplett anders.

Vandoorne absolvierte bereits etliche Testtage für McLaren, Foto: Sutton
Vandoorne absolvierte bereits etliche Testtage für McLaren, Foto: Sutton

Vandoornes Vorteil: Shootingstar mit viel Erfahrung und Erfolg

Gemeint ist damit schlicht das Alter. Wenn Vandoorne in Australien seine Debütsaison eröffnet ist er auf den Rennsonntag genau 25 Jahre alt und damit ein deutlich reiferer Pilot als die jüngsten Neueinsteiger - ob nun die Verstappens, Sainzes, Wehrleins oder Ocons. Nicht unbedingt ein Nachteil: "Okay, ich bin etwas älter als sie. Aber ich sehe es nicht als Defizit für mich an. Ich werde mindestens so bereit sein wie sie, wenn ich nächstes Jahr meine Debütsaison bestreite", stellt Vandoorne im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Magazin.com unmissverständlich klar.

Denn statt Jugend bringt der Belgier jede Menge Erfahrung mit - und Erfolge. "Ich bin auf allen Levels unterhalb der Formel 1 angetreten und habe dort Rennen und Meisterschaften gewonnen. Ich habe viel in der Formel 1 getestet und schon einen Grand Prix gefahren", zählt Vandoorne auf.

Unter diesen besonders beeindruckend: Sieg im ersten GP2-Rennen, Vize-Titel in der ersten GP2-Saison, geschlagen nur vom dort sehr erfahrenen Jolyon Palmer, überragender GP2-Titel in Saison zwei mit fast doppelt so vielen Punkten wie der erste Verfolger. Noch dazu ein gewonnes Quali-Duell gegen Button und ein WM-Punkt als Vandoorne in Bahrain den verletzten Alonso ersetzt und seinen F1-Einstand feiert.

Stoffel Vandoornes Weg in die Formel 1:

Saison Serie Rennen Siege Podien Poles Endplatzierung
2010F4 Eurocup 1.6 145951
2011Nordeurop. Formel Renault 20-833
2011Formel Renault 2.0 Eurocup 14-1-5
2012Nordeurop. Formel Renault 75649
2012Formel Renault 2.0 Eurocup 1441161
2013Formel Renault 3.51741032
2014GP22241042
2015GP22171641
2016Super Formula*71216

*Saison läuft noch

Damit nicht genug der akribischen Vorbereitung. "Ich habe sehr viel Zeit in der Fabrik und im Simulator verbracht, außerdem rede ich viel mit den Ingenieuren und absolviere jede Menge Medientermine", berichtet Vandoorne. "Zum Glück habe ich mit der Super Formula in Japan auch ein Rennprogramm, das parallel zu meiner Reserverolle bei McLaren läuft. Es ist also nicht so, dass ich dieses Jahr nichts tue. Ich bin immer noch fleißig, bleibe fit, fahre ein paar Rennen und halte mich damit in Form."

Vandoorne: Talent findet immer seinen Weg

Aber zurück zur Alter-Thematik. Vergleichen will sich Vandoorne dabei nicht mit anderen Einsteigern. "Manche Leute kommen schneller in die Formel 1, als andere. Im Extremfall haben wir Leute wie Max, die sehr schnell dort ankommen", stellt er schlicht fest. Er sei dann eben das andere Extrembeispiel. Entscheidend sei vielmehr, es überhaupt in die F1 zu schaffen. "Es gibt viele Talente, die es geschafft haben und auf der andern Seite genauso viele, die manchmal niemals in der Formel 1 angekommen sind", sagt Vandoorne.

Für Vandoorne selbst wäre der Traum beinahe früh geplatzt. Wie so oft fehlten mitten auf dem Weg durch die unteren Klassen irgendwann Geld und Kontakte. Zwar stammt Vandoorne nicht aus ärmlichen Verhältnissen, aber auch nicht aus einer Rennfahrer-Familie. Und so war es sein Glück, das McLaren ihn gerade noch rechtzeitig entdeckte und förderte.

Genau das liefert in Vandoornes Augen den Beweis: Mit dem richtigen Talent allein geht es doch noch. "Es ist wahrscheinlich etwas einfacher, einem jungen Fahrer so den Weg zu bereiten", sagt Vandoorne über bekannte Nachnamen. "Aber letztendlich zeigt meine Geschichte, dass es möglich ist, in die Formel 1 zu kommen, wenn du talentiert bist." Das ist ausgesprochenes Selbstvertrauen in Reinform.

Die GP2 dominierte Vandoorne wie kein Zweiter, Foto: GP2 Series
Die GP2 dominierte Vandoorne wie kein Zweiter, Foto: GP2 Series

Vandoorne wie Verstappen: Ansatz bleibt in F1 gleich

Generell lässt sich Vandoorne nicht beirren und von Dritten ablenken, bleibt auf sich fokussiert und will sein Ding auch in der Formel 1 einfach weiter durchziehen. "Wenn du bist, wer du bist und so bleibst, wie du dich am wohlsten fühlst, ist das der beste Weg, um erfolgreich zu sein. Ich bin auf meine Art und Weise in unterschiedlichen Serien erfolgreich gewesen. Ich denke nicht, dass ich an meiner Mentalität etwas ändern sollte, wenn ich in der Formel 1 ankomme", beschreibt Vandoorne in dem Interview mit Motorsport-Magazin.com seinen Ansatz.

"Es hilft dir dabei, dich zu entspannen und das Beste aus dir herauszuholen. Am Ende weiß ich, welchen Leuten ich zuhören muss und worauf ich mich fokussieren muss", bestätigt Verstappen, ebenfalls in einem Exklusiv-Verhör durch Motorsport-Magazin.com.

Auch groß bewundern würde er gerade niemanden in der Formel 1, ergänzt derweil Vandoorne. Eine Herangehensweise, die man erneut kennt. Wieder von Max Verstappen - Mr. Respektlos schlechthin, geht es um große Namen, Weltmeister & Co. "Wir sind am Ende des Tages nicht hier, um Freunde zu finden. Wir sind hier, um zu kämpfen, um das bestmögliche Ergebnis zu holen. Man ist nicht hier, um am Ende als der nette Junge in Erinnerung zu bleiben, der angenehm ist und mit dem man gerne zu Abend isst, wenn man keine Ergebnisse hatte. Ich bevorzuge es, wegen guter Ergebnisse in Erinnerung zu bleiben", beschreibt Verstappen, ebenfalls im Exklusiv-Verhör durch Motorsport-Magazin.com.

2017: Duell um den großeren Fan-Hype in Spa

Zeilen, die ein Vandoorne sicher unterschreiben wurde. Genauso wie einen Anteil am jüngsten Boom im Benelux. Dort stiegen anlässlich des Belgien GP in diesem Jahr die großen Verstappen-Festspiele. Angesichts der Tatsache, dass es sich dabei um seinen Heim-GP handelt, hofft Vandoorne auf ähnliche Begeisterung bei seinem F1-Renndebüt in Spa 2017. "Der Hype mit Max ist echt positiv. All der Support der holländischen Fans. Hoffentlich gibt es in Belgien genauso einen Hype, wenn ich nächstes Jahr hier fahre", frohlockt Vandoorne.

Hilfreich dabei wäre vor allem ein konkurrenzfähiges Auto. Aktuell ist der McLaren das nicht. Doch wer weiß schon, wie das neue Reglement die F1 durchmischt? Vielleicht ja genau so, dass plötzlch der Red Bull von Verstappen und der McLaren von Vandoorne ein WM-Duell der Wunderkinder ausfechten.

Eine ausführliche Hintergrundgeschichte um Stoffel "The Stoff" Vandoorne und seinen Weg in die Formel 1 lesen Sie in der neuen Print-Ausgabe von Motorsport-Magazin.com, die am 13. Oktober erschienen ist. Außerdem finden Sie dort das ganze Interview mit Max Verstappen sowie Einschätzungen von Experten der Szene zum zuletzt so umstrittenen F1-Youngster.