Sportlich läuft es bei Sauber weiterhin alles andere als rund. Trotz einiger Updates waren weder in Belgien, noch in Monza Punkte auch nur in Reichweite. Somit warten die Schweizer weiterhin auf den ersten Zähler der Saison. Da alle anderen Teams bereits mindestens einen Punkt gesammelt haben, droht Sauber weiterhin der letzte Platz in der Konstrukteurs-WM, was gleichbedeutend mit dem Verlust von etwa 40 Millionen Euro wäre.

Doch anders als in den vergangenen Monaten, genießt das Sportliche nun wieder höchste Priorität. Mitte Juli wurde Sauber von der Schweizer Investmentgesellschaft Longbow Finance AG übernommen, die finanziellen Probleme und Unsicherheiten gehören damit der Vergangenheit an. Die Wiedergeburt des Teams zeigt sich auch im Personal.

Giampaolo Dall'Ara verließ Sauber vor der Saison 2016, Foto: Sutton
Giampaolo Dall'Ara verließ Sauber vor der Saison 2016, Foto: Sutton

Kompetenzflucht zu Saisonbeginn

Noch Anfang des Jahres musste Sauber den Abgang gleich mehrerer hochkarätiger Mitarbeiter verkraften. Im Januar verließ mit Giampaolo Dall'Ara nach 15 Jahren den Rennstall und wechselte in die DTM. Im März schmiss dann Technikdirektor Mark Smith hin. Offiziell kehrte er aus familiären Gründen in seine Heimat Großbritannien zurück. Und schlussendlich verließ vor dem Russland GP in Sochi auch noch der leitende Streckeningenieur Timothy Malyon den Rennstall, obwohl er erst wenige Monate zuvor als Nachfolger von Dall'Ara angeheuert hatte. Wenn auch nie offiziell erklärt, so spielten die anhaltenden finanziellen Probleme mit verspäteten Lohnzahlungen vermutlich eine Rolle.

Doch seit der finanziellen Rettung stockt Sauber wieder auf - und das durchaus prominent. Kurz vor dem Belgien GP wurde Xevi Pujolar als Head of Track Engineering vorgestellt. In dieser Rolle soll Pujolar ab dem Großen Preis von Singapur tätig sein. Der Spanier ist seit 2003 in der Formel 1 dabei, vorrangig als Renningenieur. Zuletzt arbeitete er von 2014 bis 2015 bei Toro Rosso. Paul Russell, der vor Pujolars Verpflichtung interimsweise als Chief Race Engineer tätig war, kehrt in seine eigentliche Funktion als Head of Performance Integration zurück.

Xevi Pujolar ist neu bei Sauber, Foto: Sutton
Xevi Pujolar ist neu bei Sauber, Foto: Sutton

Die zweite - vielleicht noch bedeutsamere - Ankündigung folgte im Vorfeld des Italien GP. Für die wichtige Position des Head of Aerodynamics wurde Nicolas Hennel de Beaupreau vorgestellt. Seit dem Abgang von James Key, dessen 2012er-Bolide zwei Podestplätze ermöglichte, ging es sukzessive bergab. Mit Hennel de Beaupreau konnte nun ein erfahrener Aerodynamik-Chef verpflichtet werden. Von 2009 bis 2013 war er in ähnlicher Rolle bei Ferrari tätig, bevor er im Laufe der Saison 2013 zum damaligen Lotus-Team wechselte.

Zwei Schlüsselpositionen, besetzt von erfahrenen Leuten. Sauber verdeutlicht damit den Weg, den man in Zukunft einschlagen will. Für den Kampf gegen Manor in dieser Saison kann besonders die Verpflichtung des Franzosen Hennel de Beaupreau nicht mehr angesehen werden, zu wenig Zeit verbleibt. Vielmehr werden die Weichen für die Zukunft gestellt, wenngleich die Entwicklung der Boliden für 2017 ebenfalls bereits weit fortgeschritten ist.

Personalstruktur beim Sauber F1 Team

Position Personal
Teamchefin und CEO Monisha Kaltenborn
Operations Director Axel Kruse
Team-Manager Beat Zehnder
Chief Designer Eric Gandelin
Head of Aerodynamics Nicolas Hennel de Beaupreau
Head of Systems Engineering Damiano Molfetta
Head of Track Engineering Xevi Pujolar
Chefmechaniker Reto Camenzind

"Man möchte die Dinge natürlich so schnell wie möglich umsetzen, denn wir wollen in diesem Jahr noch einiges erreichen und es bleiben nicht mehr viele Rennen", äußerte sich Teamchefin Monisha Kaltenborn zur derzeitigen Umstrukturierung in Hinwil. "Auf der anderen Seite haben wir im kommenden Jahr eine große Chance, zurückzukommen. Da wollen wir natürlich keine Zeit verlieren", so die Österreicherin.

Dabei stellt sie klar, dass durch die Übernahme seitens Longbow neue Sicherheiten entstanden seien. "Wir befinden uns bereits in diesem Prozess, aber nun, mit dem neuen Besitzer, mit dem Vertrauen, das uns gegeben wurde, haben wir eine ganz neue Basis", schildert sie die veränderte Ausgangslage. "Wir müssen sehr zügig auf die technischen Strukturen, die Leute, die Fahrer, den finanziellen Status schauen. All diese Dinge müssen parallel erledigt werden und sind auch bereits im Gange", sagte sie bei der Pressekonferenz in Spa. Die Neuverpflichtungen bestätigen ihre Ankündigungen.

Für den Rest der Saison 2016 erwartet Kaltenborn noch Fortschritte - und Punkte. "Zu bleiben, wo wir sind, ist ganz sicher keine Option", stellt sie klar. "Wir müssen mindestens einen Punkt holen - wenn nicht sogar mehr - und sicherstellen, dass wir in unsere normale Routine zurückfinden."

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Bei Sauber scheint das große Chaos vorbei zu sein. Finanziell ist Ruhe eingekehrt, zumindest dringen keine Negativschlagzeilen mehr nach außen. Für die sportliche Entwicklung ist das die Grundbasis. Die auch nach der Sommerpause eher dürftigen Leistungen lassen für die Sauber-Fans jedoch nur wenig Grund zur Hoffnung auf Punkte in diesem Jahr. Zumal die Neuankömmlinge eher für die mittel- und langfristige Zukunft eingeplant wurden. Die kommenden Monate werden für Sauber nochmals eine Herausforderung. Was passiert, wenn der zehnte Platz in der Konstrukteurs WM tatsächlich verpasst wird? Ist das finanzielle Überleben dennoch gesichert? Oder erlebt man in Hinwil ein unschönes Déjà-vu? Personell steht Sauber durchaus vor einer vielversprechenden Zukunft. (Chris Lugert)