Nico Rosberg gewinnt den China Grand Prix - klingt nicht gerade spannend. Noch dazu mit mehr als 37 Sekunden Vorsprung - fad. So unspektakulär das Ergebnis von Shanghai aber auch sein mag, wie es zustande kam, ist absolut sehenswert. Bereits der Start bot einige Aufreger. Daniel Ricciardo schnappte sich Polesetter Nico Rosberg, während Teamkollege Daniil Kvyat einen Torpedo-Start hinlegte.

Damit sind wir auch schon bei Aufreger Nummer zwei, denn Kvyat löste in Kurve eins eine Kettenreaktion aus. Sebastian Vettel wich dem Russen aus und touchierte dabei seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen. Dieser kehrte mit defektem Frontflügel auf die Strecke zurück, was wiederum andere zum Ausweichen zwang. So fuhren anschließend auch Romain Grosjean und Lewis Hamilton mit defekten Frontflügeln.

Kimi Räikkönen war einer der Fahrer mit Frontflügel-Verlust, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen war einer der Fahrer mit Frontflügel-Verlust, Foto: Sutton

Der (Ge-)Flügelsalat sowie ein aus Trümmerteilen resultierender Reifenschaden des in Führung liegenden Ricciardo riefen das Safety Car auf den Plan. Normalerweise bedeutet das: Überholen verboten. Das gilt in China allerdings nicht für die Boxengasseneinfahrt, denn diese ist offiziell kein Teil der Strecke. Demnach gibt es dort ein eigenes Flaggensystem.

Als Vettel also vom bewusst langsam fahrenden Nico Hülkenberg aufgehalten wurde, ging er prompt an ihm vorbei. Der Force-India-Pilot wurde später mit einer Fünf-Sekunden-Strafe belegt. Auch sein Teamkollege Sergio Perez sorgte mit einer unsicheren Freigabe nach dem Boxenstopp für Wirbel. Force India wird mit 5.000 Euro zur Kasse gebeten.

Daniel Ricciardo verlor seine Führung durch einen Reifenschaden, Foto: Sutton
Daniel Ricciardo verlor seine Führung durch einen Reifenschaden, Foto: Sutton

Auch nach diesen Aufregern wurde das Rennen keineswegs langweilig. Schließlich zeigten drei Piloten eine beeindruckende Aufholjagd. Ricciardo kämpfte sich nach seinem Reifenschaden auf Position vier, Räikkönen fuhr mit neuem Frontflügel auf Rang fünf, und der an diesem Wochenende arg gebeutelte Lewis Hamilton betrieb mit Platz sieben Schadensbegrenzung. Vor allem sein Zweikampf mit Felipe Massa, an dem er sich letztlich mit beschädigtem Unterboden die Zähne ausbiss, war dabei sehenswert.

Unglaublich, aber wahr: Bei diesem Chaos-Rennen mit reichlich Teilesalat gab es keinen einzigen Ausfall! Selbst nach dem Rennen ging es noch hoch her und zwar zwischen Vettel und Kvyat. Vor der Podestfeier lieferten sich die beiden Kontrahenten aus der ersten Kurve ein Wortgefecht. Dabei drückte sich Vettel allerdings noch diplomatischer aus als am Teamfunk. Dort hatte er Kvyat als verrückt und selbstmörderisch bezeichnet.

Das Rennfahrerherz schlägt höher

Ex-Formel-1-Pilot Christian Danner bringt den Reiz dieses China-Rennens am besten auf den Punkt: "Emotionen! Das ist der Grund, warum man die Rennen schaut. Man will Überholmanöver und Emotionen." Die Überholmanöver, für die der Shanghai International Circuit besonders gut geeignet ist, sind aber nicht das einzige Spannungselement. "Es gab auch permanent komplett andere Strategien, mit denen man einen großen Vorteil - einen Geschwindigkeitsunterschied von 1,5 bis 2 Sekunden - haben konnte. Da kann man gut überholen", zeigte er auf.

"Das tut der Formel 1 gut", betonte der Motorsport-Magazin.com-Experte. Auch für Pirelli und das neue Reifenreglement fand er lobende Worte. "Es gibt immer einen weicheren, kritischen Reifen, aber keiner beschwert sich, weil sie ihn nicht nutzen müssen. Das ist Rückenwind für Pirelli."

Auch die Fahrer waren von dem Rennen begeistert, selbst wenn sie zwischenzeitlich die Orientierung verloren. "Es hat sehr viel Spaß gemacht, durch das Feld zu pflügen", meinte Vettel. "Ich habe heute meinen Anteil zurückbekommen, der mir in Bahrain abgegangen ist. Das Rennfahrerherz hat heute definitiv höhergeschlagen."

Räikkönen gestand, dass er während des Rennens nicht wusste, ob er schnell ist und in puncto Strategie die richtigen Entscheidungen getroffen hat. "In diesem Rennen war viel los, das war manchmal schwer zu verfolgen", sagte er. Auch Fernando Alonso verstand vieles erst im Nachhinein. "Es war interessant, viele Strategien zu sehen, eine Durchmischung der Reihenfolge. Es hat sicherlich Spaß gemacht, das anzuschauen, aber für uns war es manchmal etwas schwierig zu verstehen."

Ein offizieller Tweet der Formel 1 zeichnet ein Bild, vielmehr das Bild des Chaosrennens. Man könnte es wie ein EKG lesen.