DTM-Legende Bernd Schneider ist sicher: Ein Formel-1-Boom wie zu Zeiten von Michael Schumacher ist in der deutschen Motorsport-Geschichte einzigartig. "Schumacher-Zeiten werden wir in Deutschland ganz klar nie wieder erleben. Er hat für die Formel 1 etwas ausgelöst wie Boris Becker im Tennis", sagte Schneider im Motorsport-Magazin.com-Exklusiv-Interview. Diese Zeit war seiner Meinung nach eine Ausnahmeerscheinung und jetzt ist die Königsklasse hierzulande wieder zum normalen Standard zurückgekehrt.

Der Markenbotschafter für Mercedes-AMG war selbst von 1988 bis 1990 in der Formel 1 aktiv und erlebte die Zeit vor Rekordweltmeister Schumacher. "Wir waren 1989 vier Deutsche in der Formel 1 und in der Regel hat sich keiner überhaupt für das Rennen qualifiziert. Unsere Fans mussten sehr lange warten, bis ein Deutscher kam, Rennen gewann und schließlich siebenmaliger Weltmeister wurde", verdeutlichte Schneider. "Dass so etwas eine gigantische Lawine lostritt, weil die Fans eine so lange Durststrecke durchleben mussten, ist klar - das ist nicht mehr zu toppen."

Die Faszination für den Sport - im Besonderen die Königsklasse - sieht der fünffache DTM-Champion jedoch immer noch. Sie könnte 2016 wieder rasant in die Höhe schnellen, sollte Sebastian Vettel im Ferrari mit den Silberpfeilen mithalten und sogar um die WM kämpfen können. Die TV-Einschaltquoten stimmen Schneider positiv - lediglich vor Ort fehlen ihm die Fan-Massen. "Die hohen Eintrittspreise, die Distanz zu den Fahrern und die Technik schrecken viele ab und sie sehen es sich lieber am Fernseher an. Vielleicht muss Bernie [Ecclestone] das ein bisschen umgestalten, damit es sich die Leute wieder überlegen."

Michael Schumacher und Bernd Schneider kennen sich seit vielen Jahren, Foto: Mercedes-Benz
Michael Schumacher und Bernd Schneider kennen sich seit vielen Jahren, Foto: Mercedes-Benz

Formel 1 weiterhin die Königsklasse des Motorsports

Was den ein oder anderen Fan abschreckt, ist für Schneider gerade das Faszinierende an der Formel 1: Das extrem hohe Technik-Level. In keiner anderen Motorsport werde so viel geforscht und experimentiert wie dort und deshalb bleibe sie für ihn auch das absolute Ultimo. "Die Formel 1 ist ganz klar die Königsklasse des Motorsports. Das wird so bleiben, solange es sie gibt. Dort fahren die schnellsten Autos der Welt - vielleicht nicht was Top-Speed angeht, aber auf die Rundenzeit gesehen. Jedes Kind, das heute im Kart anfängt, träumt als allererstes von der Formel 1 und von nichts anderem."

Der Markenbotschafter für Mercedes-AMG war selbst während der Testfahrten in Barcelona. Er ließ sich von den Ingenieuren und Mechanikern den neuen F1 W07 erklären und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Besonders der Blick unter die Haube auf die verhältnismäßig kleine Power Unit, die dennoch über 900 PS liefert, begeisterte Schneider. "Die Kabel, die dort verlegt sind, die Aerodynamik und die verbauten Sicherheitsstandards - das ist alles imposant und interessant. Es ist extrem schade, dass die Fans nie die Möglichkeit haben, das alles zu sehen. Dann würden sie das Medium Formel 1 viel besser verstehen."

Sebastian Vettel in seinem Ferrari mit Halo-System, Foto: Sutton
Sebastian Vettel in seinem Ferrari mit Halo-System, Foto: Sutton

Formel 1 ohne Halo und Glaskuppel

So sehr der ehemalige DTM-Pilot die Sicherheitsstandards auch lobt, er sieht Grenzen. Diese beginnen beim geplanten Kopfschutz der Fahrer. Erst bei den Testfahrten untersuchte Ferrari die Sicht der Piloten mit dem Halo-System. Es gilt als Favorit der Verantwortlichen, ist für Schneider aber keine gute Lösung. "Ein Formel-1-Bolide ist ein offenes Auto und egal ob ein Heiligenschein, oder was auch immer verbaut werden soll, das sehe ich nicht mehr als Formel-1-Auto an."

Schneider warnt zudem, dass ein Restrisiko auch mit dem Halo-Bügel bleibt. Er erinnerte an Ungarn 2009, als Felipe Massa von einer Feder am Kopf getroffen wurde, die sich zuvor von Rubens Barrichellos Auto gelöst hatte. Auch im Falle von Jules Bianchi hätte weder Halo noch eine komplette Haube die Kräfte abhalten und den Franzosen schützen können. Ungeachtet der Cockpit-Kanzeln steht für Schneider die Sicherheit der Fahrer an oberster Stelle und alles sollte dafür getan werden - sofern möglich. "Sicherheit ist auch immer relativ. Ich bin in einer Zeit gefahren, als ich dachte, alles ist sehr sicher. Dann hatten wir den Super-GAU mit Ayrton Senna und Roland Ratzenberger in Imola."