Der ehemalige Formel-1-Doktor Gary Hartstein kritisiert in einem Interview mit einer spanischen Zeitung erneut die Methoden der FIA-Ärztekommission und seines Nachfolgers, Jean-Charles Piette.

Der tödliche Unfall von Jules Bianchi hätte laut Hartstein verhindert werden können, wenn man sich das Regelwerk der FIA anschauen würde. "Wenn die Wetterbedingungen den Helikopter daran hindern zu starten, darf das Rennen nur weitergeführt werden, wenn das nächste Krankenhaus x Minuten entfernt ist", so Hartstein im Interview. "Ich glaube, es sind 20 oder 30 Minuten." Hartstein hat Recht, laut der FIA-Regel muss das nächste Krankenhaus in zwanzig Minuten erreichbar sein, sollte der Helikopter nicht starten können.

Kollegen unter sich: Gary Hartstein zweifelt an Jean-Charles Piettes Kompetenz, Foto: Sutton
Kollegen unter sich: Gary Hartstein zweifelt an Jean-Charles Piettes Kompetenz, Foto: Sutton

Noch viel ahnungsloser

Um Bianchi ins Krankenhaus und damit in die bestmögliche, medizinische Versorgung zu bringen, dauerte es nach dem Unfall jedoch ganze 40 Minuten. "Jules hatte eine wirklich schwere Verletzung, war stark verwundet. 40 Minuten sind zu lang bei einer Verletzung am Gehirn", stellt Hartstein weiter fest und fügt hinzu: "Jeder Neurochirurg würde in Gelächter ausbrechen, wenn man ihn fragt, ob die Konsequenzen anders sind, wenn man einen Verletzen nach 40 oder 20 Minuten behandelt."

Weiterhin wirft Hartstein seinem Nachfolger Piette vor, der Franzose wäre für den Job als Formel-1-Arzt nicht geeignet. "Er ist zwar Arzt, aber er hat keine Erfahrungen mit Traumata", so Hartstein. "Um in dieser Umgebung klarzukommen, braucht man viele Erfahrungen mit Traumata. Man muss wissen, welche Behandlungen angewendet werden müssen, bevor der Fahrer ins Krankenhaus kommt." Der Amerikaner glaubt nicht, dass Piette diese Kompetenzen besitzt. "Bevor er zur Formel 1 gekommen ist, war er noch nie als Arzt bei einem Rennen."

Bereits nach Bianchis Unfall kritisierte Hartstein die Fahrer der Königsklasse dafür, dass sie hinnehmen würden, dass Piette und der "noch viel ahnungslosere" Gerard Saillant die Ärztekommission der FIA leiten würden. Für Hartstein ist klar, dass die FIA aufgrund von der unverhältnismäßig langen Fahrt zum Krankenhaus für Bianchis Tod verantwortlich ist.

Hartstein glaubt, dass man die FIA für Jules Bianchis Tod verantwortlich machen kann, Foto: Sutton
Hartstein glaubt, dass man die FIA für Jules Bianchis Tod verantwortlich machen kann, Foto: Sutton

Keine Auswahlkriterien

Auch die Auswahlkriterien, nach denen die FIA Hartsteins Nachfolger ausgewählt haben, bereiten dem Amerikaner Sorgen. "Es gab überhaupt keinen Auswahlprozess. Saillant, Piette and Todt sind befreundet. Was gibt es also besseres als deinem Freund einen der besten Jobs der Welt zu verschaffen? Ich habe damit kein Problem", stellt Hartstein fest. "Aber ich habe immer gesagt, dass es komisch ist. Es gibt bestimmt 30 oder 40 Leute auf der Welt, die diesen Job hätten übernehmen können. Piette war keiner von ihnen", so Hartstein.

Man könnte meinen, es ist die Wut über den verlorenen Job, die aus Hartstein spricht. Jedoch betont der 60-Jährige ausdrücklich, dass das nicht der Grund für die harte Kritik am Nachfolger ist. "Was mich am traurigsten macht, ist nicht, dass ich meinen Job verloren habe, sondern das jemand, der darauf überhaupt nicht vorbereitet ist, eine solch wichtige Aufgabe übernimmt."