Das war er also, der erste Grand Prix des Jahres 2005. Der große Gewinner des ersten Rennwochenendes der neuen Saison hört natürlich auf den Namen Giancarlo Fisichella. Und obwohl man es kaum für möglich halten möchte, damit trafen gleich zwei der ansonsten als bedeutungslos abgestempelten Vorsaisonprognosen und Ankündigungen zu: Der Römer setzte seine Siegambitionen in die Tat um und sein Teamchef brachte Renault tatsächlich wie prognostiziert als Ferrari-Jäger an die Spitze. Was es sonst noch in Australien zu lernen gab, fassen wir im Folgenden zusammen.

Die Lehre vom Geld

An einem mangelt es dem siebenfachen Weltmeister Michael Schumacher mit Sicherheit nicht, und das ist am Geld. Doch diese Lehre allein wäre zum Einstieg in die neue Saison etwas fad. Also fragten die Kollegen vom stern in einem großen Interview mit dem Familienvater, wie er denn seinem fünfjährigen Sohn und seiner achtjährigen Tochter den Umgang mit Geld beibringe? "Auch sie müssen lernen, dass Reichtum nicht selbstverständlich ist", erwiderte Schumacher. "Sie bekommen wie andere Kinder Taschengeld. Zwei Euro in der Woche, die können sie dann sparen oder sich Sachen davon kaufen."

Manche englischen Medienkollegen riss dies zu der Aussage hin, dass Schumachers Kinder "so schnell nicht reich werden" würden. Dafür bekommen Gina Maria und Mick aber hin und wieder auch einmal ein überdimensioniertes Geschenk. Zuletzt durfte sich Klein-Mick über einen "Mini-Leatherman", also ein "kleines Taschenmesser mit Werkzeugen", freuen. Aber was will man sonst erwarten? Wohnen die Schumachers doch in der Schweiz - dem Eldorado für solcherlei Taschenklingen...

Die Lehre von der Länge

Jedem Formel 1 Journalisten dürften die mehr als nur umfangreichen Jaguar Pressemitteilungen auch Monate nach dem letzten Rennen der grünen Raubkatzen noch schwer im Magen liegen. Umso erstaunlicher ist, dass die neue PR-Truppe des Nachfolge-Teams von Red Bull Racing auf ein sehr viel handlicheres, um nicht zu sagen kürzeres, Pressemitteilungsformat zurückgreift.

Noch erstaunlicher ist jedoch, dass auch die anderen Rennställe sich an diesem Wochenende in ihren Press Releases stark zurückhielten, wobei McLaren wie üblich das kürzeste und inhaltsloseste Dokument beisteuerte. Nur die Scuderia Ferrari tanzte wieder einmal aus der Reihe und veröffentlichte entgegen dem Trend ein gewohnt langes Press Release. Dennoch könnten wir uns daran gewöhnen, dass der Spargedanke nicht nur auf Runden und Kosten, sondern auch auf sinnlose Worthülsen angewendet wird...

Die Lehre vom Geschmack

Über - guten - Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Doch das McLaren Mercedes Team wirft dieser Tage, in denen man sportlich wieder zu den Favoriten zählt, abseits der Strecke einige Fragen auf. So haben wir uns zwar mittlerweile an die gehörnten Entenschnabel-Autos vom Typ MP4-20 gewöhnt, doch überrascht das Design der neuen Teambekleidung schon etwas.

Für den heißblütigen Juan Pablo Montoya dürfte die neue Kollektion beinahe einen Kulturschock dargestellt haben. Schließlich stellte das Team zur Bekanntgabe seines Wechsels noch ein komplett in schwarz gehülltes, silbernes Imperium dar, welches willig und bereit war zurückzuschlagen. Nun, da er bei McLaren angekommen ist, erinnert seine rot-orange-schwarze Arbeitsbekleidung aber weniger an das Imperium als an ein gewisses Traumschiff - willig und bereit ist man aber dennoch...

Die Lehre vom Speed

Der erste Inder der Formel 1 Geschichte, Jordan-Pilot Narain Karthikeyan, bezeichnet sich gerne selbst als den "schnellsten Inder auf Rädern". Bei seinem F1-Debüt am Freitag verschwendete er hierbei keine Zeit diesem Motto voll gerecht zu werden: Er wurde mit 86,2 km/h in der Boxengasse "geblitzt" und mit einer Geldstrafe in Höhe von 6.750 US-Dollar versehen. Narain macht seinem Spitznamen also alle Ehre.

Die Lehre von 007

Ebenfalls alles in die Wagschale warf das British American Racing Team bei der Suche nach einem marketingträchtigen 007-Bezug für den Season Opener in Australien. So lautet die Fahrzeugbezeichnung des neuen Boliden von Jenson Button und Takuma Sato bekanntlich BAR 007. Da die Lizenz zum Siegen aber noch auf sich warten lässt, begnügte man sich mit dem Namen Bond. Aber nicht James Bond, sondern nur Bond. Der Pop-Gruppe Bond. Diese trat nicht nur beim freitäglichen GP-Ball und in der Startaufstellung auf, sondern posierte das Quartett auch vor dem Bondwagen...

Die Lehre vom Rundengeiz

Und es gibt ihn immer noch: Auch der 2004 erstmals aufgetretene Rundengeiz meldete sich nach der langen Winterpause in Melbourne wieder zum Dienst - und zwar in einer verschärften Form. Ron Dennis hatte schon vor dem Rennwochenende prophezeit, dass der Rundengeiz durch die neuen Motorenregeln noch mehr an Knauserigkeit zunehmen würde.

Dennis kündigte sogar an, dass seine Autos "nur rund fünf Runden" fahren würden. Während dies in der ersten Session auch tatsächlich so eintrat (und dies nicht nur bei den Silbernen), bewahrheitete sich diese Aussage in der zweiten Trainingssitzung nicht. Dennoch schrie vor allem die erste Trainingsstunde händeringend um Hilfe und nach mehr - oder besser überhaupt - Fahraction auf der Strecke.

Die Lehre von der Zustimmung

Eigentlich wusste Paul Stoddart schon seit September, dass im Jahr 2005 neue Aerodynamikregeln gelten würden. Dennoch wollte der Australier vehement bei den ersten drei Rennen mit der 2004er Aerodynamik antreten. Was lernen wir daraus? Manchmal sollte man es nicht übertreiben.

In Melbourne sorgte dies für ein tagelanges Gezerre sowie Hin und Her. Als Paul Stoddart siegessicher mit einer Flasche Champagner und neun Unterschriften aller anderen Teamchefs auf die Entscheidung der Rennstewards wartete, blieben seine Korken im Flaschenhals stecken: Minardi wurde die Teilnahme untersagt. Was lernen wir daraus? Niemals zu früh freuen.

Danach ging Paul Stoddart vor den australischen Gerichtshof und bekam - ohne das die FIA davon wusste - Recht: Eine einstweilige Verfügung genehmigte den Einsatz am Samstag. Was lernen wir daraus? Nicht Max Mosley, sondern ein australischer Richter hat das Sagen.

Allerdings nur so lange, bis Mosley drohte den Australien GP wegen der ungewissen Rechtslage abzusagen. Stoddart gab klein bei und rüstete seine Autos auf das vorhandene 2005er Paket um. Was lernen wir daraus? 1. Warum nicht gleich so? 2. Erpressung zahlt sich also als FIA-Präsident doch aus...

Die Lehre von den Pneus

Während sich die Ängste vor unzähligen Reifenplatzern und Schäden in Luft auflösten und nicht bestätigten, reifte eine andere Reifen-Weisheit in den Köpfen der Betrachter: Die unzähligen Regenreifentestkilometer, welche Michelin im Winter bei Privattests abspulte zeigten bislang keine Wirkung. Das Kräfteverhältnis der beiden Gummimischer war im Nassen wie eh und je - Bridgestone dominiert im Nassen nach Belieben und Michelin ist bei leicht nassen Bedingungen mit seinen Rillenreifen unschlagbar. Da kommen uns gleich die Worte von Bridgestone-Technikchef Hisao Suganuma ins Gedächtnis: "Wir testen nicht nach Quantität, sondern nach Qualität."

Die Lehre vom Wettergott

Verschaffte uns der Wettergott im letzten Jahr in Silverstone noch die zweifelhaften Ehre eines "Wer-kann-am-langsamsten-um-den-Kurs-schleichen"-Pre-Qualifyings, sorgte Petrus in Australien für einen komplett chaotischen Start in das neue Qualifyingsystem

Diesem wurden zugleich seine Grenzen aufgezeigt: So erfüllt es bei regnerischen Bedingungen zwar gänzlich die Vorgabe eine durchmischte Startaufstellung zu produzieren, doch sorgt es auch dafür, dass das zweite Qualifying aufgrund der großen Zeitabstände langweilig ist und sich alles andere als die Schnellsten durchsetzen. Zudem vermasselte es den ersten Kräftevergleich bei "leeren Tanks". Auf diesen müssen wir mindestens noch bis Malaysia warten.

Die Lehre von den Regeln

Zusammengefasst bringen die neuen Regeln also einen verstärkten Rundengeiz am Freitag und Samstag und ein wetteranfälliges Qualifyingsystem, welches aufgrund seiner Additionsnatur von vielen Fahrern als "langweilig" und für die Fans "verwirrend" angesehen wird. Gut gemacht Max!

Die Lehre von den Bullen

Was braucht es um einem dahinsiechenden F1-Rennstall neues Leben einzuhauchen? Den Rückzug des federführenden Automobilherstellers? Wochenlange Ungewissheit? Ein schwächelndes Vorjahresmodell? Den Austausch der Führungsspitze? Einen bei seinem letzten Team in Ungnade gefallenen, strauchelnden Altstar? Eine durchwachsene Vorbereitung? Den Wechsel von einer grünen Raubkatze zu einem roten Bullen als Wappentier? Normalweise sind all diese Dinge keine guten Voraussetzungen, um beim Saisonstart mit zwei Punkteplatzierungen und Platz vier zu glänzen. Für die dunkelblaue Dosentruppe von Red Bull wurde dieses (Marketing-)Märchen dennoch wahr. Das Getränk scheint also tatsächlich Flügel zu verleihen.

Die Lehre vom Bodenbelag

Nachdem Nick Heidfeld an den ersten beiden Tagen in Downunder als bester Deutscher abgeschnitten hatte, endete sein erstes Rennen für BMW-Williams in einer Kollision mit Weltmeister Michael Schumacher. Böse Zungen würden behaupten: Man wird nicht ungescholten die neue "Nummer 1". Die Medien werden diesen Rennunfall in den kommenden Tagen und Wochen garantiert bis ins letzte nicht vorhandene Detail ausschlachten. Und was lernen wir daraus? Weiß-Blaue Autos haben auf grünem Rasen keinen Grip und fliegen ab. Rote Autos bleiben hingegen in roten Kiesbetten stecken - allerdings werden sie auch wieder heraus geschoben...

Die Lehre vom taktischen Ausfall

To finish first, you first have to finish - Wer gewinnen möchte, muss zuerst ins Ziel kommen. Diese alte Faustregel galt zumindest bis zu dieser Saison. Denn dank einer der vielen, netten, kleinen Regeländerungen von FIA-Präsident Max Mosley, kann es für einen Fahrer durchaus interessant sein ein Rennen, in welchem er ohnehin außerhalb der Punkteränge liegt, nicht zu beenden, da er dann am nächsten Rennwochenende einen neuen Motor einbauen darf

Max Mosley hielt dieses Schlupfloch allerdings für nicht attraktiv genug, als dass einige der Teams es nutzen würden. "Wir haben viel darüber nachgedacht, dass man den Motor in der Auslaufrunde hochjagen könnte, aber wir denken nicht, dass es passieren wird", sprach er vor einigen Tagen und behielt Recht. In Australien jagte niemand seinen Motor absichtlich hoch. Stattdessen stoppten die beiden B·A·R einfach absichtlich in der letzten Runde in ihrer Box.

"Der Vorteil, den man daraus gewinnen kann, ist ja nicht derart groß. Ich glaube nicht, dass sie das tun werden", fügte Mosley damals noch hinzu. So kann man sich täuschen, denn die Truppe von Geoffrey Willis verzichtete sogar auf eine 007-Geheimniskrämerei und sagte klipp und klar, dass man die Autos in der letzten Runde in die Box holte, damit man im nächsten Rennen einen neuen Motor einsetzen könne. Nun bleibt die Frage ob Max nachdem seine Vorhersagen sich als falsch erwiesen haben, zumindest zu einer Aussage stehen wird: "Wir müssten dann den Stewards sagen, dass sie sich den betreffenden Fall genauer ansehen sollen."

Die Lehre von der Abwechslung

Regenchaos im Qualifying. Fünf verschiedene Teams in den Punkterängen. Michael Schumacher auch vor seinem Ausfall weit abgeschlagen. Keinerlei Dominanz. Geringe Zeitabstände und etliche heiße Duelle sowie packende Überholmanöver. Die F1-Saison 2005 lässt sich mehr als nur gut an.