Wenn Mike Gascoyne seinem Arbeitgeber Toyota ein Interview zum bevorstehenden Saisonstart gibt, wird er wohl kaum über enttäuschende Wintertests lamentieren. Und so spricht der für das Chassis zuständige Technikdirektor: Es sei alles in Ordnung, er wäre noch nie wegen Test-Rundenzeiten besorgt gewesen, er glaube immer noch an eine erfolgreiche Saison 2005, man habe mit Jarno Trulli und Ralf Schumacher zwei neue Fahrer im Stall, man habe die Tests auch dafür nutzen müssen, das Team zusammenzuschweißen…

Dass man den Toyota TF105 schon vor Saisonbeginn derart überarbeitet hat, dass man eigentlich von einer B-Version sprechen müsste, ist für Mike Gascoyne leicht zu erklären: "Es war schon immer geplant, für Melbourne ein neues Aerodynamik-Paket einzuführen. Die aerodynamische Entwicklung wird auch nicht aufhören - für Malaysia ist ein neuer Frontwing geplant und auch danach wird stets weiterentwickelt…" In Melbourne wird der TF105 in jener Spezifikation an den Start gehen, die zuletzt in Barcelona zum Einsatz kam. Ausnahme: Ein neuer Heckflügel wurde ebenfalls nach Melbourne geflogen. Die neuen Seitenkästen des TF105 stellen so etwas wie die erste wirklich revolutionäre Lösung an einem Toyota-F1-Boliden dar, die Sidepods wurden quasi als weiteres Flügelelement gestaltet. Man darf gespannt sein, welche Lösungen Toyota noch in der Pipeline hat…

Die Strecke im Albert Park ist ein Straßenkurs, dementsprechend "grün" ist die Strecke, wenn die Autos zum ersten Mal rausstürmen. Gascoyne: "Die Strecke verändert sich über das Rennwochenende hin sehr stark. Am Beginn ist sie äußerst staubig und rutschig." Der Asphalt wird dann immer mehr gummiert, der Grip steigt. Ein Hauptproblem sieht Gascoyne in der Bremsbelüftung: "Melbourne belastet die Bremsen und es kann dort auch sehr heiß werden, wir müssen also auf das Kühlerpaket achten."

Gascoyne betont die vielen Unbekannten, die sich aus dem neuen Reglement ergeben, weshalb Melbourne eine besonders große Herausforderung für alle Teams darstelle - der Technikdirektor sagt: "Es würde mich nicht wundern, wenn manche Teams schon in Melbourne den durch das neue Reglement vorgegebenen aerodynamischen Abtriebsverlust bereits wieder wettmachen konnten."

Von den Erwartungen her gibt sich Mike Gascoyne vorsichtig - in punkto Standfestigkeit sei er zuversichtlich, was die Performance betreffe, müsse man abwarten…

Marmorini: Melbourne ist immer eine Lotterie!

Luca Marmorini ist jener Mann, der bei Toyota als Technikdirektor für den Motor zuständig ist. Auch er hatte im Winter ein paar Sorgenfalten im Gesicht: "Wir verwenden am TF105 ein anderes Auspuffsystem, daher gab es Probleme bei der Feinabstimmung des Auspuffs. Und es gab Haltbarkeitsprobleme bei anderen Bauteilen. Ich bin sehr froh, dass wir hier aber sehr schnell reagieren konnten. Meine Zuversicht für Melbourne ist groß."

Melbourne sei die erste Konfrontation mit höheren Temperaturen - daher: "Das erste Rennen ist immer eine Art Lotterie. Neben der Motorenbelastung werden wir auch in punkto Reifen sehen, wie sich die höheren Temperaturen auf deren Verschleiß auswirken. Und der Reifenverschleiß ist in diesem Jahr das Um und Auf für die Performance eines Teams…"

Melbourne sei für den Motor keine wirklich harte Strecke, der Vollgasanteil liege bei 60 Prozent. Doch da es das erste Saisonrennen ist, wäre jedes Team mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor konfrontiert. Was die Weiterentwicklung des Motors betrifft, sei man hier an das neue Reglement gebunden - demnach würde es im fünften Rennen, in Barcelona, die nächste Ausbaustufe geben.

Wie Mike Gascoyne betont auch Luca Marmorini die Wichtigkeit der Standfestigkeit: "Wer nicht ins Ziel kommt, holt auch keine Punkte." Sein Wunsch wäre deshalb, dass "wir in Malaysia mit jenen zwei Motoren antreten, mit denen wir nach Melbourne gekommen sind." Zusatzwunsch: "Ein paar WM-Punkte als Belohnung."