Nach der harten Kritik an McLarens Kommunikationspolitik ging der Rennstall am Donnerstag in Barcelona in die Offensive. McLaren lud schreibende Medienvertreter zu einer Pressekonferenz mit Ron Dennis und Eric Boullier. Der Teamchef allerdings erschien nicht und so musste Ron Dennis die Fragen der Journalisten alleine beantworten.

Bevor Dennis damit begann, Fragen zu beantworten, konnte er sich eine Schelte in Richtung Journalisten nicht verkneifen. Man hätte dieses Presse-Briefing nur einberaumen müssen, weil durch die sozialen Medien so viele Dinge geistern würden. Drei Nächte verbrachte Fernando Alonso nach seinem Unfall im Krankenhaus. Dafür, dass er eigentlich unverletzt sein soll, ist das eine relativ lange Zeit. Außerdem kommt er beim zweiten Barcelona-Test nicht zum Einsatz, sondern wird stattdessen von Kevin Magnussen ersetzt.

Testabsage reine Vorsichtsmaßnahme

Ron Dennis tat all das als reine Vorsichtsmaßnahmen ab. "Wie bei einer möglichen Kopfverletzung üblich, wurde Fernando zunächst ruhig gestellt und dann ins Krankenhaus gebracht, wo ihm Beruhigungsmittel verabreicht wurde. Das ist der normale Prozess", steltle Dennis klar. Im Krankenhaus unterzog sich Alonso einer Computer- und Kernspintomographie. "Und in keiner der medizinischen Kontrollen, die Fernando durchlaufen hat, gab es kein Anzeichen davon, dass sein Gehirn beschädigt ist", so der Brite.

Dass der zweifache Weltmeister beim finalen Test aussetzt, war der Ratschlag der Ärzte. "Fernando wollte hier fahren, aber die Ärzte haben ihm dazu geraten, sich noch etwas länger zur erholen." Dass die Ärzte bei Alonso so vorsichtig sein, hat laut Dennis zwei Gründe. "Es ist Fernando und wir sind in Spanien", erklärte er. Der andere Grund sind Kopfverletzungen beim Sport generell. Nachdem es in letzter Zeit in verschiedenen Sportarten - Dennis nannte auch das Skifahren - Kopfverletzungen gab, die sich anschließend als schwer herausstellten, seien die Ärzte hier sensibilisiert.

Zur Unfallursache wurden keine neuen Details bekannt. Dennis konnte nur wiederholen, was McLarens Presseaussendung schon sagte: der Wind wäre schuld am Kontrollverlust gewesen. Mit Alonso habe McLaren darüber zwar noch nicht gesprochen, aus den Daten der Ingenieure wäre das allerdings ersichtlich. Videomaterial gibt es, allerdings nur von einer Streckenkamera. "Die Qualität ist aber wirklich schlecht und der Unfall ging sehr schnell", so Dennis.

Alonso klagte angeblich schon Runden zuvor über starken Wind in dieser Passage, ein Augenzeuge schickte McLaren außerdem ein Video, auf dem klar zu erkennen wäre, wie stark der Wind im Zeitraum des Unfalls in Kurve drei wirklich blies.

HANS nicht für Seitenaufprall ausgelegt

Dass Alonso trotz des scheinbar harmlosen Unfalls drei Nächte im Krankenhaus verbringen musste, ist dem Einschlagwinkel geschuldet. Das Head And Neck Support System (kurz HANS) ist auf derlei Aufschlagwinkel nicht ausgelegt. Es fixiert den Kopf nur in eine Richtung, nämlich nach vorne.

HANS schützt nur in eine Richtung, Foto: Sutton
HANS schützt nur in eine Richtung, Foto: Sutton

Inzwischen wird der Unfall auch von der FIA untersucht. "Ich persönlich habe mich mit der FIA in Verbindung gesetzt", erzählte Dennis. "Wir wollen weder Fernando, noch das Team schützen. Und wir wollen nichts verheimlichen", bekräftigte er.

Die Gerüchte, Alonso hätte einen Elektroschock erlitten, bezeichnete er als haltlos. "Das wäre im Körper 48 Stunden lang nachweisbar, aber dieser Wert ist bei null." Generell schließt McLaren aus, dass Alonso schon vor dem eigentlichen Unfall bewusstlos war. "Alle Fahrereingaben, Bremsen, Gasgeben, Lenken und Schalten sind normal."

Retrograde Amnesie

Auf der Pressekonferenz bestätigte Dennis auch Medienberichte, wonach Alonso kurzzeitig bewusstlos war sowie unter einer retrograden Amnesie leidet. "Das ist absolut normal für solch einen Unfall", betonte Dennis, verstrickte sich dann aber in Widersprüche. Es geht vor allem um die Bedeutung des Wortes 'concussed'. Hat Alonso nun eine Gehirnerschütterung erlitten oder wurde er nur kräftig durchgeschüttelt? "Ihm geht es ausgezeichnet", sagte Dennis mehrmals.

Obwohl es dem Spanier ausgezeichnet gehen soll, wollte Dennis einen Startverzicht seines Star-Piloten in Melbourne nicht kategorisch ausschließen. "Ich wüsste nicht, warum er dort nicht fahren soll, aber ich bin kein Arzt." Um den Ersatz hat sich McLaren jedenfalls schon gekümmert, Magnussen darf am Freitag in den MP4-30 klettern. "Kevin fährt hier, weil wir nicht wollten, dass er das Auto womöglich das erste Mal in Australien fährt."

Eine retrograde Amnesie (lat.: retro = rückwärts; engl.: retrograde amnesia) ist eine spezielle Form der Amnesie, bei der Personen nicht mehr in der Lage sind, sich an Geschehnisse vor einem bestimmten Ereignis zu erinnern. Der Gedächtnisverlust bezieht sich auf einen (zumeist kurzen) Zeitraum vor dem bestimmten Ereignis, ein Patient kann sich beispielsweise nicht mehr an einen Unfallhergang erinnern. (Quelle: Wikipedia)