Am 24. Oktober des vergangenen Jahres absolvierte der junge Deutsche Timo Glock beim Großen Preis von Brasilien seinen vierten Formel 1 Grand Prix für das Jordan Team. Nachdem er in Kanada erstmals überraschend zum Einsatzpiloten aufgestiegen war, durfte er auch bei den letzten drei Saisonrennen noch einmal im zweiten gelben Renner neben seinem Landsmann Nick Heidfeld Platz nehmen.

Trotz zweier WM-Punkte von seinem F1-Debüt in Montreal sowie einiger starker Auftritte als Test- und Einsatzfahrer bekam Glock jedoch kein Cockpit für die anstehende F1-Saison 2005. Stattdessen zogen es die neuen Teambesitzer rund um Alex Shnaider und Sportdirektor Trevor Carlin vor mit Narain Karthikeyan und Tiago Monteiro zwei Rookies mit nur wenigen Testkilometern Erfahrung als Stammfahrer zu verpflichten.

Im Gespräch mit motorsport-magazin.com-Chefredakteur Stephan Heublein analysierte Timo die Fahrerwahl bei Jordan, seinen zurückliegenden ChampCar Test für das Rocketsports Team sowie die aktuelle Lage in der Formel 1.

Timo, ist die Enttäuschung nach der Jordan-Cockpitvergabe groß?

Timo Glock: Nein, von Enttäuschung kann gar keine Rede sein. Ich bin sogar froh nicht mit einem Karthikeyan oder Monteiro, die beide jede Menge Geld mitbringen, auf eine Stufe gestellt zu werden. Und das habe ich ja schon von vorne herein gesagt: Ich bin nicht derjenige, der viel Geld mitbringt, sondern jemand der durch Leistung auffallen möchte. Anscheinend braucht man bei Midland keine Leute die Leistung zeigen, sondern Leute mit Geld und da hat es einfach nicht funktioniert und wir sind nicht auf einen Nenner gekommen. Und das war es. Deswegen ist die Enttäuschung auch nicht groß.

Besteht dann überhaupt noch Interesse an einem Testfahrerposten bei Jordan/Midland oder ist dies nach einem Jahr als Freitagstester und vier Grand Prix Einsätzen nicht mehr interessant?

Timo Glock: Es wäre mit Sicherheit auch interessant. Da ich es aber schon ein Jahr gemacht habe, bin ich der Meinung, dass es nicht der richtige Weg ist. Es wäre der richtige Weg, wenn ich bei einem Top-Team einen Testfahrerjob bekommen würde, aber das ist momentan extrem schwer. Aus diesem Grund müssen wir abwarten und deswegen haben wir auch den ChampCar Test gemacht, um noch eine andere Option zu besitzen. Nach dem Test war das Team zufrieden, ich war es ebenfalls und es hat mir gefallen und es hat jede Menge Spaß gemacht das Auto zu fahren. Der Test war also sehr gut und dies wäre zum Beispiel eine Option die man ziehen könnte.

In der Formel 1 gibt es dieses Jahr wahrscheinlich keine anderen Alternativen – wenn dann erst nächstes Jahr?

Timo Glock: Im Moment sieht es danach aus, aber man muss einfach abwarten was sich noch alles ergibt.

Wie ist der ChampCar-Test allgemein verlaufen?

Timo Glock: Ziemlich gut. Wir hatten ein bisschen Pech mit dem Wetter, welches für Florida mit gerade einmal zwölf Grad relativ kalt war. Es war den gesamten Tag über stark bewölkt und kalt, weswegen zwei, drei Teams den Test sogar abgesagt haben. Deswegen waren nur wenige Autos auf der Strecke, unter anderem auch Cristiano da Matta, der jedoch schon gegen drei oder vier Uhr in Richtung Daytona losgefahren ist wo er am 24 Stunden Rennen teilgenommen hat. Dennoch war ich bis dahin Schnellster und sieben Zehntel schneller als Cristiano. Ich war meine Zeit mit gebrauchten Reifen gefahren. Als wir dann am Schluss neue Pneus aufgezogen haben, habe ich leider einen Fehler gemacht, weil es so extrem kalt war und in der ChampCar Serie keine Reifenwärmer wie in der Formel 1 erlaubt sind. Deshalb hat es sich als relativ schwierig gestaltet die Reifen anzufahren. Als ich es dann in der zweiten Runde versucht habe und Zickzack gefahren bin, habe ich relativ untertourig im dritten Gang leicht beschleunigt und da hat der Turbo eingesetzt und ich habe mich weggedreht. Ich bin dann wie in Zeitlupe mit dem Vorderrad an der Mauer hängen geblieben, weswegen die Spurstange krumm war. Das war sehr schade, da am Ende mit neuen Reifen sicherlich noch eine Verbesserung drin gewesen wäre. Der Test war trotzdem gut. Mit den Ingenieuren hat alles sehr gut funktioniert und mein Ingenieur David Watson hat einen sehr guten Job gemacht. Wir haben das Auto verbessert, viele Setup-Änderungen vorgenommen und das ganze Team war zufrieden. Bis auf den kleinen Fehler zum Schluss war ich auch zufrieden, aber das passiert schon einmal. Der Test war dennoch gut.

Wenn Sie die ChampCars mit der Formel 1 vergleichen: Wo liegen die größten Unterschiede?

Timo Glock: Bei den Bremsen merkt man natürlich schon den Unterschied. Ich habe mich aber schnell daran gewöhnt und bin gut damit zurecht gekommen. Genauso mit den Slicks, die einen kleinen Unterschied darstellen. Das Auto ist auch etwas größer und schwerer und somit träger als ein Formel 1 Auto. Insgesamt ist es nicht ganz so aggressiv. Aber ich bin damit gut zurecht gekommen und habe mich auf dieses veränderte Verhalten eingestellt. Es hat wirklich viel Spaß gemacht das Auto zu fahren.

Die ChampCars fahren bekanntlich auch auf Ovalkursen. Ist da eine größere Umstellung von Nöten?

Timo Glock: Ich weiß es nicht. Ich bin noch nie auf einem Oval gefahren, aber das müsste ich einfach mal ausprobieren. Wenn ich denn in den USA fahren sollte, gibt es bestimmt einen ChampCar Test auf einem Oval und dann werde ich sehen ob ich damit zurecht komme. Aber normalerweise dürfte das kein Problem sein.

Das Ziel ist also auf jeden Fall ein ChampCar-Cockpit für dieses Jahr zu bekommen?

Timo Glock: Das sieht im Moment ganz gut aus. Die Entscheidung wird irgendwann Anfang nächster Woche fallen.

Andere Rennserien sind nicht wirklich interessant...

Timo Glock: Mit Sicherheit ist die GP2 auch interessant, aber empfinde ich es eher als einen Schritt zurück. Es gibt zwar den ein oder anderen Kontakt, aber das Problem ist, dass es für mich persönlich ein Rückschritt wäre. Vorerst müssen wir erst einmal abwarten was sich in Richtung USA ergibt. Es ist sicherlich eine interessante Serie, aber ich glaube, dass ich eher Richtung ChampCar tendieren würde.

Sie sind auch für die Speed Academy der Deutschen Post aktiv. Der darin geförderte Nachwuchs hat es jedoch derzeit sehr schwer. Überall müssen – wie bei Jordan – Geldkoffer mitgebracht werden und immer wieder wird kritisiert, dass es zu viele Serien gebe. Gibt es zu viele Nachwuchsformeln?

Timo Glock: Es ist sicherlich schwierig da den Überblick zu bewahren und das glückliche Händchen für die richtige Serie zu haben. Das größere Problem ist allerdings der finanzielle Aspekt, den man immer mitbringen muss. Das macht es für viele Talente, die vielleicht nie entdeckt wurden, extrem schwer. Mit der Speed Academy wollen wir natürlich versuchen die Leute zu unterstützen. Im letzten Jahr haben wir das sehr gut umsetzen können und die richtigen Leute ausgesucht.

Wir haben ja schon über Jordan gesprochen. Wie groß ist das zuletzt oft zitierte Risiko mit zwei Rookies in die neue Saison zu starten, die beide bislang erst eine Handvoll F1-Tests bestritten haben?

Timo Glock: Das könnte sicherlich ein Problem für Jordan werden. Die Fahrer haben wenig Erfahrung, kennen die Strecken teilweise noch nicht und ich habe ja selbst im letzten Jahr gemerkt, dass man sich da anfangs etwas schwer tut. Deswegen glaube ich schon, dass sich dies zu einem Problem entwickeln wird. Die Veränderungen am neuen Auto sind von dem was man auf den Bildern bisher ausmachen konnte relativ klein und da wird sich Jordan mit den beiden unerfahrenen Piloten vielleicht etwas schwer tun. Man weiß es natürlich nicht. Mal sehen wie schnell sie sich auf das Auto einstellen können. Es wird aber mit Sicherheit eine schwierige Saison werden. Für 2006 wird man aber sicherlich andere Pläne haben. Dann wird das neue Auto früher fertig sein und dann sieht es wieder anders aus. Aber diese Saison wir extrem schwierig werden.

In diesem Zusammenhang wird auch jemand wie Nick Heidfeld fehlen, der die notwendige Erfahrung mitbringt und das Auto weiterentwickeln kann.

Timo Glock: Ganz genau, auf jeden Fall.

Und damit sind wir schon beim Thema wie derzeit mit den Fahrern umgegangen wird. So mussten Nick und Antonio Pizzonia mehrere Wochen lang Tests bestreiten um dann erst eine halbe Stunde vor der Präsentation zu erfahren wer das Cockpit bekommt. Christian Klien und Vitantonio Liuzzi wissen hingegen auch jetzt noch nicht wer von ihnen in Melbourne im zweiten Auto sitzen wird. Wie beurteilen Sie diese Behandlung der Fahrer?

Timo Glock: Das ist auf jeden Fall eine extrem harte Situation für die Fahrer, erst einmal für Nick Heidfeld und Pizzonia und jetzt auch noch für Christian Klien und Vitantonio Liuzzi. Obwohl ja klar ist, dass beide einen Vertrag haben, aber eben noch nicht feststeht wer die Rennen bestreiten wird. So etwas ist für die Fahrer natürlich schwer. Ich merke es ja bei mir selbst: Umso länger es dauert, desto nervöser und angespannter ist man. Normalerweise will man schon relativ früh, wenn möglich schon im Jahr davor, wissen was man in der nächsten Saison macht. Deswegen kann einem das Warten schon auf die Nerven gehen. Aber die Situation ist nun einmal leider Gottes so und damit muss man dann zurecht kommen. Das gehört einfach dazu.

Sie haben sich sicherlich mit dem Ex-Teamkollegen Nick Heidfeld gefreut, dass er die Chance bekommt für Williams zu fahren...

Timo Glock: Ja, auf jeden Fall. Mir war schon nach den ersten Tests die er für Williams gefahren ist klar, dass er eine Riesenchance hat das Cockpit zu bekommen. Da ich das gesamte Jahr über mit ihm zusammen war, wusste ich natürlich, dass er extrem schnell ist und sehr konzentrierte Arbeit abliefert. Und genau das hat er bei den Tests bestätigt. Deswegen kann ich ihm nur viel Glück für die anstehende Saison wünschen. Er hat letztes Jahr einen guten Job gemacht und ist letztlich dafür belohnt worden.

Und wie stehen seine Chancen bei Williams in diesem Jahr?

Timo Glock: Das kommt einfach auf das neue Auto an. Bei den Tests war er bislang immer einen Tick schneller als Mark Webber. Also sieht es gar nicht so schlecht aus. Und je nachdem wie konkurrenzfähig das Auto sein wird, bin ich mir sicher, dass wir Nick Heidfeld das ein oder andere Mal auf dem Podium sehen werden.

Ein anderes Thema das derzeit ziemlich heiß diskutiert wird sind wieder einmal die Regeln. Finden Sie es richtig, dass momentan schon wieder über Regeln für die Jahre 2006 bis 2008 gesprochen wird, obwohl die Regeln für dieses Jahr noch nicht hundertprozentig klar sind? Beispielsweise bei den Reifen und wann diese gewechselt werden dürfen oder eben auch nicht...

Timo Glock: Dieses Thema ist im Moment relativ schwierig zu beurteilen, weil eigentlich keiner weiß wie die Regeländerungen letzten Endes wirklich aussehen sollen, da in Anführungszeichen "alle paar Minuten" irgendetwas geändert wird. Man sollte jetzt einfach ein festes Reglement finden, um auch den Fans und Zuschauern endlich einmal einen Durchblick zu verschaffen, da diese ja fast schon gar nicht mehr wissen wie etwas funktioniert oder was an einem Rennwochenende genau passiert. Deswegen sollte man jetzt eine Lösung für dieses Jahr finden und dann zu einem späteren Zeitpunkt über 2006 nachdenken.

Im Fußball heißt es immer so schön, dass der Sport so beliebt ist, weil alles so einfach und für alle gleich ist. Dieses Motto scheint Max Mosley ein bisschen verloren gegangen zu sein...

Timo Glock: Das ist richtig. Da kann ich nur zustimmen.

Ein anderes Thema bezüglich der Regeln ist, dass Paul Stoddart und die anderen Teamchefs der FIA eine Bevorzugung von Ferrari vorwerfen. Ist das denkbar? Macht das überhaupt Sinn?

Timo Glock: Das ist schwierig zu beurteilen. Da ich mit dieser Materie nicht so sehr vertraut bin, kann ich da nicht so viel dazu sagen.

Auf der Agenda der Regeländerungen für nächstes Jahr standen auch Alterslimits für das zweite Cockpit oder Gehaltsobergrenzen für die Fahrer. Wie ist das aus Fahrersicht zu beurteilen?

Timo Glock: [lacht] Gute Frage. Diese Frage stellte sich bei mir bis jetzt noch nicht, weil ich noch kein so großes Gehalt bekommen habe. Aber es ist sicherlich eine Möglichkeit die Kosten einzugrenzen. Ob eine Altersbegrenzung Sinn macht weiß ich nicht. Es ist einfach schwer einzuschätzen wie solch ein Reglement ankommt und ob es überhaupt Sinn macht.

Dann kommen wir lieber wieder zu sportlichen Themen: Wird die Saison 2005 spannender als das letzte Jahr?

Timo Glock: So weit man das bei den Tests sehen kann, glaube ich schon, dass Ferrari nicht mehr ganz so überlegen sein wird. Allerdings weiß man natürlich nie, ob Ferrari derzeit mit den Gegnern spielt, was ich mir aber nicht vorstellen kann. Michelin ist extrem stark geworden und auch die Teams wie Renault und McLaren Mercedes sind besser geworden und liegen dicht zusammen. Deswegen kann man davon ausgehen, dass es deutlich spannender werden wird.

Also werden McLaren, Renault und vielleicht Williams und British American Racing die Hauptgegner von Ferrari sein?

Timo Glock: Ja. B·A·R und McLaren Mercedes auf jeden Fall. Williams sicherlich auch und Renault macht ebenfalls einen sehr starken Eindruck. Diese Teams werden die Hauptkonkurrenten sein.

Auch einen guten Eindruck hat bei den Wintertests das Sauber Team hinterlassen, wo mit dem Wechsel zu Michelin ein Sprung gelungen zu sein scheint. Was können die Schweizer dieses Jahr erreichen?

Timo Glock: Bei Sauber kommt so langsam der neue Windkanal zum Tragen. Deshalb wird das Auto sicherlich besser sein als im letzten Jahr. Der Wechsel zu Michelin war ebenfalls ein eindeutiger Vorteil für Sauber. Mit Felipe Massa und Jacques Villeneuve hat man zwei gute und starke Fahrer und ist somit garantiert für eine Überraschung gut.

Jacques Villeneuve hatte nach seiner Rückkehr für die letzten drei Rennen im letzten Jahr Fitnessprobleme, weil er ein Dreivierteljahr F1-Pause hatte. Wird er sich 2005 besser schlagen können?

Timo Glock: Das liegt ganz an ihm und wie er an sich selbst gearbeitet hat. Aber er wird sicherlich seine Konsequenzen daraus gezogen und sich richtig vorbereitet haben. Deswegen rechne ich damit, dass er zur alten Stärke zurückfinden wird. Das liegt natürlich auch am Auto und wie die Rennergebnisse ausfallen werden.

Wie war das bei Ihrem F1-Einstieg im letzten Jahr? Waren die Kräfte anfangs zu groß oder war die Vorbereitung gut genug?

Timo Glock: Ich hatte keine Probleme. Nur beim letzten Rennen in Brasilien, wo relativ viele Fahrer Probleme hatten, habe ich nach dem Rennen bemerkt, dass der Nacken etwas wehgetan hat. Aber das war okay. In Kanada hatte ich gar keine Probleme. Dennoch habe ich da gemerkt, dass man 100%ig vorbereitet sein muss. Deshalb habe ich über den Winter jetzt auch extrem viel gemacht. Bei meinem ChampCar Test habe ich deswegen auch überhaupt keine Probleme gehabt. Wenn ich aus dem Auto ausgestiegen bin, war ich immer sehr relaxed und hatte keinerlei Fitnessprobleme. Es ist ein großer Vorteil wenn man körperlich fit ist, weswegen man sich über den Winter gut vorbereiten sollte. Das habe ich in diesem Jahr gemacht und vom Gefühl her bin ich fit um Formel 1 Rennen zu fahren.

Wie waren die Kräfte die beim ChampCar Test gewirkt haben?

Timo Glock: Es waren deutlich weniger. Die Strecke in Sebring ist aber auch ein relativ kleiner Kurs. Von der Bremse her ist es nicht ganz so extrem wie ein Formel 1 Auto. Dennoch ist es eine sehr große Verzögerung. Die Belastung ist aber trotzdem geringer. Man lenkt jedoch mehr mit den Armen, da die Autos keine Servolenkung haben. Es ist auch anstrengender, da man wieder ganz normal schalten muss. Deshalb ist es von den Armen her deutlich anstrengender, vom Nacken her aber weniger ein Problem. Insgesamt glaube ich schon, dass die Belastung geringer als in der Formel 1 ist.

Wenn es dieses Jahr mit einem F1-Cockpit nicht klappt, dann würden nächstes Jahr wahrscheinlich nicht solche Probleme wie bei Villeneuve bestehen?

Timo Glock: Davon kann man ausgehen.

Dann bedanken wir uns für das ausführliche Gespräch und wünschen viel Glück für ein Renncockpit in der ChampCar Serie!