Als viertes Team nach Force India, Williams und Lotus präsentiert McLaren-Honda heute seinen neuen Boliden für die Formel-1-Saison 2015. Die Enthüllung des MP4-30 in Woking steigt per Online-Launch auf der Team-Website. Während Ferrari und Sauber morgen und Toro Rosso übermorgen nachziehen, lassen sich Red Bull und Mercedes etwas mehr Zeit. Sie zeigen ihre neuen Autos mit Beginn der unmittelbar bevorstehenden Testfahrten in Jerez (1. Februar - 4. Februar)

Das neue Auto

Nach exakt 20 Saisons endet 2015 die Zusammenarbeit von McLaren mit Mercedes. Ab sofort stattet Honda den Traditionsrennstall aus Woking mit Power Units aus. Die entscheidenden Fragen lauten dabei: Ist der Honda-Motor ähnlich stark wie die hervorragenden Powertrains von Mercedes? Wie gut gelingt es das neue Aggregat auf Anhieb perfekt ins Chassis des MP4-30 zu integrieren? Dazu baute McLaren bereits zu den Testfahrten direkt nach der vergangenen Saison ein Interimsauto - als Kilometerfresser entpuppte sich das jedoch nicht.

Die Probleme habe man Renndirktor Eric Boullier zufolge jedoch schnell identifiziert. Zudem war Honda-Chef Yusihisa Arai im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com bereits im Dezember sicher, ein gutes Paket geschnürt zu haben: "Unser Package ist für Honda und McLaren sehr gut. Alles wird wegen der Aerodynamik sehr eng ausfallen. Gleichzeitig wird es gute Power liefern. Ich glaube, es wird ein sehr konkurrenzfähiges Package", sagte Arai.

Auch in punkto Engine Freeze gab die FIA zuletzt nach - so darf auch Honda während der Saison den Motor weiterentwickeln. Der Umfang ist an die Konkurrenz gekoppelt. In jedem Fall punktete McLaren bereits damit, als erstes Team eine Reihe an Crashtests bestanden zu haben. Gerüchten zufolge soll der MP4/30 mit einem komplett neuen Chassis und zahlreichen Innovationen in den verschiedensten Bereichen auftrumpfen.

Orange ist McLarens Traditionsfarbe, Foto: Sutton
Orange ist McLarens Traditionsfarbe, Foto: Sutton

Gespannt erwartet die Szene die Lackierung des neuen Autos. Hintergrund ist eben jenes Comeback mit Motorenpartner Honda. Kehrt der Traditionsrennstall zu diesem Anlass zurück zum rot-weißen Design der ersten Partnerschaft in den späten Achtziger und frühen Neunziger Jahren? Das zumindest forderte Honda jüngst. Verschwinden Chrom- und Silberelemente also völlig, weil sie zu sehr an die ausgelaufene Kooperation mit Mercedes erinnern? Oder wird es doch reines orange oder weiß - die ursprünglichen McLaren-Farben?

Der Vorgänger

Das war der MP4-29, Foto: McLaren
Das war der MP4-29, Foto: McLaren

Der MP4-29 war der vorerst letzte Mercedes befeuerte McLaren-Bolide. Anders als Williams gelang es McLaren jedoch nicht den besten Motor der Vorsaison in Top-Ergebnisse umzumünzen. In Sachen Performance entpuppte sich der MP4-29 als Wundertüte. Mal lief er besser, dann schlechter. Wirklich gut funktionierte er jedoch nur in Australien, Kanada, Großbritannien und Russland. Die größte Stärke des Autos war dessen Zuverlässigkeit. Mit 35 Zielankünften bei 38 Starts verbuchten die beiden McLaren zusammen mit den Ferrari die wenigsten Ausfälle und sammelten am meisten Rennkilometer.

Die Fahrer

Foto: Sutton
Foto: Sutton

Mit Fernando Alonso und Jenson Button hat sich McLaren eine der erfahrensten und besten Fahrerpaarungen gesichert. Bis dahin war es jedoch ein weiter Weg. Die Entscheidung für die beiden Piloten fiel erst Mitte Dezember. Doch das Warten hat sich gelohnt - die Bilanz des Fahrerduos liest sich exquisit: Genau 500 Grands Prix, drei Weltmeistertitel, 47 Siege und 30 Pole Positions vereinen der Spanier und der Brite.

Auch die Turbo-Ära scheint den Routiniers zu schmecken. Vor allem Fernando Alonso bewies 2014 einmal mehr, dass er selbst in einem alles andere als gelungenen Ferrari noch passable Resultate einfahren kann. Jenson Button ließ insbesondere in der zweiten Saisonhälfte sein Können aufblitzen. Beide besiegten ihre Teamkollegen im Schlaf.

Die Techniker

Rückkehrer Peter Prodromou führte schon Red Bull Racing zum Erfolg, Foto: Sutton
Rückkehrer Peter Prodromou führte schon Red Bull Racing zum Erfolg, Foto: Sutton

Die größte Veränderung in der Technik-Abteilung ist die Fernost-Erweiterung um die Motoren-Spezialisten von Honda. Angeführt von Motorsport-Chef Yasuhisa Arai arbeiten die Japaner eng mit der Teamzentrale in Woking zusammen. Der unschlagbare Vorteil gegenüber dem vorherigen Status als Kundenteam von McLaren: So lassen sich Power Unit und Chassis von vornherein ideal aufeinander abstimmen.

Auch in Woking selbst gibt es derweil neues Personal. McLaren sicherte sich bereits im Lauf des Vorjahres die Dienste einer ganzen Reihe neuer Senior und Junior Ingenieure. Die Gesamtverantwortung liegt indes weiter bei Renndirektor Eric Boullier, Designdirektor Neil Oatley und Technikdirektor Tim Goss. Als Chef-Ingenieur kehrte Peter Prodromou von Red Bull zurück. Für Boullier ein "Schlüsselelement" auf dem Weg zurück Richtung Spitze. "Sämtliche Restrukturierungen, die wir im Aerodynamikbereich vorgenommen haben, sind in dem Wissen getroffen worden, dass Peter zu uns stößt", sagt Boullier. "Wir haben eine starke Gruppe, die von Peter angeführt wird."

Die Ziele

Mit der Reunion von McLaren und Honda will Woking wieder an die Glanzzeiten der späten Achtziger Jahre anknüpfen. Geht es nach Ron Dennis sind Siege daher nicht genug. Die pure Dominanz soll her. "Genau darum geht es, denn das ist das einzige, was dich wirklich von denen unterscheidet, die nur gewinnen", sagt der Teamchef. Allerdings komme die nicht kurzfristig, sondern brauche Zeit.

Deshalb will sich McLaren 2015 erstmal mit einzelnen Siegen begnügen und hofft, dass der MP4-30 dieser Aufgabe gewachsen ist. "Aber die Vorzeichen sehen vielversprechend aus", sagte Alonso bei der Fahrerbekanntgabe. "Ich bin überzeugt, dass ich mit McLaren-Honda meinen dritten WM-Titel einfahren kann" - wenn auch nicht gleich im ersten Jahr.