Die scheinbar nicht enden wollenden Maßnahmen respektive Regeländerungen von FIA-Präsident Max Mosley – manche, allen voran er selbst, sehen ihn als "Retter der Formel 1", andere wiederum finden schlicht und einfach, dass er "den Sport zerstört". Mosley weiß - die Formel 1 hat ein paar Probleme am Hals: Die Dauerdominanz von Schumacher und Ferrari – dieses Jahrtausend kennt keinen anderen Formel 1-Weltmeister als Michael Schumacher. 10 von 16 Rennen sind zum Großteil langeilige Prozessionen. Auf technischer Ebene bewegt sich die Formel 1 längst in Richtung Einheitsformel - das Motorenkonzept ist seit vielen Jahren auf dem 3 Liter-V10-Saugmotor festgenagelt. Das Aerodynamikfenster wird immer kleiner, das Überholen ist aufgrund von Dirty Air und kurzer Bremswege schwierig. Zugleich aber steigen die Kosten ins Unermessliche, die Privatteams sterben, das Publikumsinteresse sinkt…

Die Maßnahmen, mit denen Mosley die Formel 1 "retten" möchte, sind umstritten. Auch seine Aktionen hinterlassen oft ein großes Fragezeichen. Auf politischer Ebene wird Mosley mancherorts vorgeworfen, die FIA und Ferrari würden unter einer Decke stecken. Anstatt diese Vorwürfe und Spekulationen aus der Welt zu schaffen, verkündet Mosley nach einem Teamcheftreffen, welches aufgrund des Boykotts der anderen neun Teams nur mit Ferrari stattfand: "Wir konnten heute eine riesige Menge an nützlichen Informationen sammeln, vielleicht mehr als wenn alle anderen Teams auch da gewesen wären."

Befremdung erweckt Mosley auch mit manchen seiner Reglement-Änderungen. Der Spargedanke. Die Kostensenkung. Das Motorenkonzept beispielsweise. In der vorliegenden Saison müssen die V10-Aggregate zwei Rennwochenenden über halten, es ist ihr Abschiedsjahr, 2006 kommen die 2,4 Liter V8-Maschinen. Was denkt ein Technikprofi wie Gustav Brunner, Chefdesigner bei Toyota, über dieses Motor-Reglement? Helmut Zwickl hat den Steirer in einem Interview für die Zeitschrift Auto Touring befragt.

Dieses eine Jahr die Lebensdauer zu verdoppeln, während im nächsten bereits wieder ein neues Motorenkonzept gültig sein wird, hält Brunner für wenig sinnvoll: "Ein Motor pro Rennen wäre ausreichend gewesen." Zum Thema Sparen sagt Brunner: "Die Materialien für einen Rennmotor waren bis jetzt schon extrem teuer, daran ändert sich nichts. Zusätzliches Geld geht jetzt in die Qualitätssicherung."

Vom Sparen also weit entfernt. Mosley begründet seine Maßnahmen aber auch mit dem Argument, die Formel 1 müsse sicherer und daher eingebremst werden. Brunner sagt. "Wer im Vorjahr 900 PS hatte, hat jetzt 920 PS." Ob das ein Scherz sei, fragt Zwickl – Brunner antwortet: "Nein. Der Fortschritt geht weiter. Schon in Melbourne wird keiner dabei sein, der weniger Leistung hat als 2004. Man wird bloß im freien Training mit der Drehzahl spielen. Ohne Risiko kein Gewinn."

Im Training wird man die Drehzahl reduzieren, sagt Brunner: "Da wird man locker herumrollen, um im Quali und Rennen volle Leistung zu fahren." Natürlich wird man auch die Motoren schonen, sprich: Man wird so wenig wie möglich auf die Strecke fahren - vor allem am zweiten Rennwochenende darf befürchtet werden, dass der Rundengeiz seine volle Pracht entwickeln wird. Brunner sagt: "Das Risiko von Motorschäden ist im zweiten Rennen sehr, sehr hoch." Und: "Jeder Motor hat Schwachstellen, die Kolben, die Lager, die Ventilsitze und so weiter werden durch die hohen Drehzahlen stark beansprucht. Beim ersten Rennen wird alles perfekt sein, aber im zweiten Rennen sind Motorschäden zu erwarten."

Während die Zweiwochenendmotoren also auf den Teststrecken den Ernstfall proben, laufen auf den Prüfständen schon die V8-Maschinen für 2006. Nachdem Millionen in neue standfestere Motorenkomponenten für 2005 ausgegeben wurden, wird jetzt abermals in die Kassa gelangt, denn es muss ein völlig neues Motorenkonzept entwickelt werden. Das viele Geld wird dafür ausgegeben, dass in den Technikabteilungen jene Teile entwickelt werden, deren technische Vorgaben vom Regelwerk des Jahres 2006 derart eingeschränkt werden, dass de facto Einheitsmotoren hergestellt werden.

Auch bei den Reifen musste viel Geld in die neuen härteren Pneus investiert werden. Während des Rennens darf kein Reifenwechsel stattfinden – wenn aber ein Reifen beschädigt ist oder der Pilot über Trümmer fahren musste, darf gewechselt werden. Derzeit zerbrechen sich die Gummigiganten die Köpfe über diese Gummiparagraphen. Dass sich an den Boxenstoppstrategien etwas ändern wird, daran glaubt Gustav Brunner jedoch nicht: "An der Strategie wird sich nichts ändern. 2004 hat es keine Einstopp-Rennen gegeben, drei und vier Stopps fallen auch weg. Also werden die meisten Rennen Zweistopp-Rennen sein. Keiner baut ein Auto mit einem größeren Tank als rund 120 Liter."

Mit dem Aerodynamikbeschnitt wollte Max Mosley rund 20 Prozent an Abtrieb reduzieren, die Autos einbremsen, wegen der Sicherheit. Brunner: "Durch die Reglement-Änderung verlieren wir auf Anhieb rund 20% Anpressdruck. 10% haben wir bereits zurück gewonnen, trotzdem werden die Autos von der Aerodynamik her langsamer sein." Die Kurvengeschwindigkeiten würden durchaus sinken, sagt Brunner.

Dass die Autos der Generation 2005 nervöser liegen und daher also auch schwieriger zu fahren sind, glaubt Brunner jedoch nicht: "Bei den Tests vor Weihnachten hatte niemand ein Auto, das dem neuen Reglement entsprach. Die endgültigen Autos werden nicht schlechter zu fahren sein, sondern besser. Wenn man den Ground Effect reduziert, werden die Autos sogar stabiler."

Brunner erklärt: "Mit anderen Worten: Die Autos werden aerodynamisch gutmütiger, für den Fahrer wird der Grenzbereich durchschaubarer." Dann sagt Brunner: "Vielleicht wird der Verlust, den wir für die neue Aerodynamik hochrechnen, sogar kleiner als eine Sekunde, einfach weil die Autos gutmütiger werden."

Man könnte sagen: Kein Spareffekt. Wenig Geschwindigkeitsreduktion. Dafür hohe Zusatzkosten. Rundengeiz. Gummiparagraphen. Unklarheiten. Ungewissheit, beispielsweise beim Qualifying. Fehlt noch: Verbesserung des Sports – da wird man ab Melbourne sehen, wie erfolgreich die neuen Regeln sind.