1. Funkverbot - worum geht es?

In der Formel 1 wird zu viel gequatscht. Das soll sich ab sofort ändern. Deshalb hat der Weltverband FIA den Teams und den Fahrern ein striktes Redeverbot für bestimmte Themen erteilt. Und wer ist dafür verantwortlich? Bernie Ecclestone, wenn man seinen Worten Glauben schenken darf. "Ich habe es in Gang gebracht: Die Fahrer sollten wissen, was falsch und was richtig ist."

2. Was genau ist verboten?

Kurz gesagt, bedeutet die Direktive von FIA-Rennleiter Charlie Whiting dies: Um sicherzustellen, dass die Anforderungen von Artikel 20.1 des Sportlichen Reglements der F1 zu jeder Zeit respektiert werden, dürfen keinerlei Funk-Konversationen zwischen der Box und dem Fahrer mehr Informationen enthalten, welche die Performance des Fahrzeugs oder des Fahrers betreffen.

Und was bedeutet das jetzt genau? Ganz einfach: Die Teams sollen keinen Einfluss mehr auf die Leistung des Fahrers und Autos nehmen. Bidirektionale Telemetrie ist ohnehin schon seit Jahren verboten. Also die Möglichkeit des Teams, von der Box aus Daten an das Auto zu senden und so Einstellungen vorzunehmen. Der Fahrer muss auch weiterhin jede Veränderung selbst durchführen, allerdings darf ihm das Team nun auch keine Anweisungen dazu mehr im Funk geben.

Apropos Fahranweisungen: Bislang war es für viele Renningenieure üblich, ihren Fahrern via Funk Abstände, aber auch genaue Stellen für Zeitverluste mitzuteilen. So wurde dann direkt ins Cockpit gefunkt, in welcher Kurve ein Pilot wie viel Zeit auf seinen Teamkollegen verlor, wie viele Meter er dort früher bremste oder wo er eine andere Linie fahren sollte. Viele Fans hatten deshalb den Eindruck, dass die Fahrer ferngesteuert wären. All das gibt es jetzt nicht mehr.

Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com verrit Hembery, dass die Piloten ihm zuviel jammern, Foto: Sutton
Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com verrit Hembery, dass die Piloten ihm zuviel jammern, Foto: Sutton

3. Wird jetzt weniger gejammert?

Schon vor einigen Wochen sprach Motorsport-Magazin.com mit Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery. Diesem war der Funk aus einem ganz bestimmten Grund ein Dorn im Auge: "Die Fahrer jammern zu viel", klagte er. Das ständige Anpetzen des Gegners für das Verlassen der Strecke oder das Abdrängen in einer Kurve störte Hembery immens. "Wenn das jemand sieht und hört, denkt er sich, dass die Formel-1-Fahrer sich nur beschweren." Auch auf diesem Gebiet könnte es nun ruhiger im Funk werden.

4. Was ändert sich dadurch am Start?

Vor dem Start müssen die Piloten einige Einstellungen vornehmen, damit sie zu Rennbeginn optimal wegkommen. Viele dieser Einstellungen wurden nach Auswertung der Telemetrie vorgenommen, sodass immer der optimale Start garantiert war. Dazu zählt die Kupplung und spezielle Motoreinstellungen für den Start. "Am Start wird es mehr Unregelmäßigkeiten geben als zuletzt, weil es schwieriger wird, die richtige Position der Kupplung zu bestimmen", erklärte Jenson Button die direkten Auswirkungen dieses Verbots.

Auf lange Sicht sollen sogar Informationen wie Temperaturen der Reifen und Bremsen nicht mehr an den Piloten weitergegeben werden dürfen. All diese Informationen bekommen die Piloten in der Formationsrunde per Funk, wie Lewis Hamilton erklärt. "Sie stellen sicher, dass du deine Motoreinstellungen für den Start vorgenommen hast, geben ein Feedback wie der Start war, ob die Reifen und Bremsen gut sind."

5. Was ändert sich beim Boxenstopp, der Strategie?

Die Planung der Boxenstopps und auch Erinnerungen an den Fahrer, dass er reinkommen soll, sind weiterhin gestattet. In diesem Punkt wird sich für die Piloten nichts ändern. Selbst über die Reifenwahl beim Stopp darf gesprochen werden. Doch was das angeht haben die großen Teams sowieso meist vorgesorgt und sprechen nur noch über Plan A, B oder C.

Für die Boxenstopps ändert sich nichts, Foto: Sutton
Für die Boxenstopps ändert sich nichts, Foto: Sutton

6. Was ändert sich im Rennen? (Fahranweisungen, Infos, Kurven)

Im Rennen ändert sich einiges für die Piloten. Grob gesagt wird es deutlich ruhiger. Zwar sind weiterhin noch viele Themen erlaubt, doch Informationen zur Bremsbalance, sämtliche Einstellungensänderungen, Informationen über das Spritsparen und genaue Angaben wo ein Konkurrent schneller ist, dürfen nicht mehr mitgeteilt werden. Bei Red Bull wird man daran vor dem ersten Training noch arbeiten, wie Daniel Ricciardo bestätigte. "Wir sprechen heute Abend, um herauszufinden, wie wir die Batterie auf einem guten Level halten, das Gleiche gilt für das Benzin, auf einer Runde nicht zu viel verbrauchen, aber das Rennen auch nicht mit fünf Kilos mehr beenden als wir brauchen, das werden wir lösen"

Selbst auf Fragen der Fahrer zu verbotenen Themen darf die Box keine Antwort geben. Zwar noch nicht in Singapur, aber in Japan werden es die Piloten dann im Rennen noch etwas schwieriger haben. Sie müssen nicht nur Temperatur der Reifen und Bremsen, sondern auch den Verschleiß selbst im Auge haben. Vor Reifenschäden darf die Box jedoch weiterhin warnen. Auch beim Benzinfluss gibt es eine Ausnahme. Wenn ein Fahrer den erlaubten Fluss überschreitet kann die Rennleitung als Verwarnung fordern, dass der Pilot informiert wird, was jedoch auch keine erfreuliche Nachricht ist.

7. Welchen Vorteil haben clevere Fahrer?

Die Fahrer bekommen keine Anweisungen mehr, können aber auf dem Display die Ist-Werte verschiedener Parameter ablesen. Soll-Werte gibt es hingegen nicht, die müssen sie wissen. Nun liegt es also am Piloten, die richtige Fahrweise zu adaptieren und die entsprechenden Einstellungen am Lenkrad vorzunehmen. "Ich denke, ja. Jetzt wird man sehen, wer Situationen am besten und schnellsten adaptieren kann", meinte Ex-Weltmeister Mika Häkkinen gegenüber Motorsport-Magazin.com auf die Frage, ob der Fahrer nun wieder einen größeren Unterschied machen wird.

Ob Vorteil oder Nachteil für sich selbst - das wollte kein Fahrer so deutlich sagen. Es wollte wohl niemand so vermessen sein und von sich behaupten, er sei ein clevererer Pilot als die anderen. Auch Nico Rosberg, der zweifellos zu den technisch versierteren Fahrern zählt, wollte nicht so richtig raus mit der Sprache: "Ich werde versuchen, daraus einen Vorteil zu ziehen. Deshalb war ich auch schon im Simulator, um mich darauf vorzubereiten, habe das Display modifiziert und so weiter."

8. Welche Rolle spielt das Display?

Durch die Beschneidung des Funkverkehrs müssen die Piloten nun selbst im Cockpit zahlreiche Parameter im Auge behalten und gegebenenfalls Veränderungen an den Einstellungen vornehmen. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Display, allerdings setzen die Teams nicht auf einheitliche Technik. Während manche Lenkräder, etwa jene von Mercedes, Sauber und Toro Rosso, mit großen Anzeigen bestückt sind, verfügen viele Rennställe lediglich über spartanische Displays, was den Piloten die Navigation durch die Menüs erschwert.

"Ja, das Display ist - wenn man die Regeln so genau nimmt - ein Nachteil für uns. Und es kann nicht sein, dass die Regeln dann mitten unter der Saison geändert werden, wenn wir unser Auto auf andere Regeln ausgelegt haben", zeigte sich Rob Smedley, Head of Vehicle Performance von Williams, im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com verärgert. Sebastian Vettel sieht die Sache hingegen weit weniger dramatisch: "Es macht keinen Unterschied, denn es steht dasselbe drauf. Alles, was man aufrufen will, lässt sich auch am kleinen Display aufrufen."

Massa ist ein strikter Gegner, Foto: Sutton
Massa ist ein strikter Gegner, Foto: Sutton

9. Was sagen die Fahrer - pro?

WM-Leader Nico Rosberg ist ein Verfechter des Funkverbots. "Jetzt sind wir auf uns alleine gestellt. Ich denke, das ist der Weg, den man einschlagen sollte, weil es pures Rennfahren ist", erklärte der Mercedes-Pilot. Auch Jenson Button hält es für eine gute Sache. "Es macht unser Leben etwas schwieriger, aber generell halte ich es für eine gute Sache. Es macht die Rennen spannender", so der Brite. Daniel Ricciardo freut sich auf die ruhigen Momente im Auto.

"Ich bin kein Fahrer, der immer zu Feedback und Infos braucht. Es ist manchmal schön, seine Ruhe zu haben." Und anders als Felipe Massa sieht Sebastian Vettel auch kein Sicherheitsrisiko im eingeschränkten Funkverkehr. "Es geht eher um die Zuverlässigkeit. Man riskiert vielleicht eher einen Ausfall", meinte der amtierende Weltmeister.

10. Was sagen die Fahrer - contra?

Falscher Zeitpunkt. Unfair. Sicherheitsrisiko. Felipe Massa kann dem neuen Funkverbot in der Formel 1 rein gar nichts abgewinnen. "Wir haben im Auto schon jetzt so viel zu tun. Wenn du da mal etwas vergisst, kann es passieren, dass du etwa die Bremsen hinten zu sehr aufheizt und das Auto anfängt zu brennen. Damit riskierst du einen großen Unfall", warnt Massa. Neben dem Sicherheitsrisiko warnt Monisha Kaltenborn vor einem weiteren negativen Effekt. "Es wird jetzt sehr ruhig im Funk werden, das könnte im Hinblick auf die Fans gefährlich werden - die Fans mochten die Kommunikation am Funk", betonte die Sauber-Teamchefin.

11. Warum denkt die FIA über eine Abschwächung des Verbots nach?

3 Stunden und 40 Minuten dauerte das FIA-Meeting mit den Teams, in denen über das Funkverbot diskutiert wurde. Die Teams äußerten Sicherheitsbedenken, die die FIA dazu bewegen könnten, das Verbot abzuschwächen. Die Befürchtung der Teams ist, die Fahrer könnten durch die zusätzlichen Aufgaben, die auf sie durch das Funkverbot zukommen, abgelenkt werden. Das wiederum könnte zu einem Unfall führen. Einige forderten das Verbot erst ab 2015 einzuführen, um somit genug Vorbereitungszeit zu haben.