Die Berührung zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg in Spa ist derzeit das Thema in der Formel 1. Während die einen von einem Rennunfall sprechen, unterstellen andere Rosberg absichtliches Vorgehen. Ex-Formel-1-Pilot David Coulthard sieht den Fehler zwar bei Rosberg, bezeichnet das Manöver aber lediglich als ungeschickt. "Hamilton war vollkommen schuldlos", stellte er in seiner Kolumne für die BBC klar. "Er hat die normale Rennlinie genommen, was sein Recht ist, und er hat nicht versucht, Rosberg einzuquetschen."

Seiner Ansicht nach - und das äußerte er bereits während des Rennens in seiner Rolle als Co-Kommentator - ging es Rosberg darum, etwas klarzumachen. Er habe Hamilton zeigen wollen, dass er in diesen Situationen nicht immer nachgeben wird. "Er hat in Bahrain und Ungarn die Lenkung aufgemacht, da er keine Wahl hatte, und er hätte das auch in Spa machen sollen, denn er hatte wieder keine Wahl", erläuterte Coulthard.

Rosberg habe zu Beginn sogar die Lenkung aufgemacht, als er dann jedoch bemerkte, dass er von der Strecke abkommt, habe er wieder eingelenkt und in einem 'ungeschickten Manöver' Hamiltons Hinterrad mit seinem Flügel getroffen und dadurch den Plattfuß verursacht. Für Außenstehende sei es leicht, zu behaupten, Rosberg habe das absichtlich getan. "Aber ich kann nicht einen Moment glauben, dass ein Fahrer bewusst sein eigenes Auto beschädigen würde", sagte er. Außerdem könne ein Fahrer nicht genau abschätzen, wo er den Reifen seines Konkurrenten treffen muss, um mit Sicherheit einen Schaden zu verursachen.

Rosberg habe seinen Standpunkt klarmachen und robuster mit Hamilton umgehen wollen. "Das war seine erste Möglichkeit, aber er war etwas tollpatschig und hat es falsch gemacht. Warum? Weil er kein so guter Rad-an-Rad-Kämpfer ist wie Hamilton", betonte Coulthard. Rosberg sei ein schneller, intelligenter Fahrer, aber er werde nicht diese Art von Kämpfen mit Hamilton gewinnen. "Man muss bei seinen Stärken bleiben und seine liegen nicht in Kopf-an-Kopf-Rennen."

Neuauflage Senna vs. Prost

Coulthard unterstützt die Entscheidung der Rennleitung, während des Rennens keine Strafe auszusprechen. Aufgrund der massiven Konsequenzen für Hamilton, der das Rennen schließlich aufgab, fordert er jedoch eine Art Reserve-Plan. "Sollten sie solche Vorfälle anders betrachten, wenn es um zwei Titelrivalen geht? Das sollte man diskutieren, ja." Man sollte seiner Ansicht nach die Konsequenzen neutralisieren, da sonst im letzten Rennen der Meisterschaftsführende auf die Idee kommen könnte, seinen Konkurrenten einfach aus dem Rennen zu nehmen. "Eine Weltmeisterschaft ist so wichtig, dass jemand das tun würde. Es ist schon passiert und es könnte wieder passieren. Das will keiner sehen", sagte der Schotte.

"Hamilton und Rosberg sind Senna und Prost dieses Jahrzehnts. Dieses Jahr ist wie 1988 oder 1989, nur im 21. Jahrhundert", verdeutlichte er. Das sei nur deshalb möglich, weil Mercedes es geschehen lässt - noch. Denn in Spa beobachtete Coulthard etwas Neues: Toto Wolff und Niki Lauda diskutierten mit Mercedes-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Thomas Weber. "Als sie dann ein öffentliches Statement darüber abgaben, was passiert ist, haben sie alle sehr darauf gepocht, dass das, was Rosberg getan hatte, nicht richtig war." Ihn habe das überrascht, denn normalerweise würden Teams eher erklären, dass der Vorfall zwar inakzeptabel war, aber intern geklärt werden würde.

"Die Tatsache, dass sie das nicht getan haben, ist natürlich eine kleine Ohrfeige für Rosberg, aber wir sollten Wolff und Lauda dafür bewundern, dass sie die Charakterstärke hatten, das zu sagen, was sie gesagt haben, wenn sie glauben, dass ein Fahrer Mist gebaut hat." Allerdings ist Coulthard davon überzeugt, dass die Mercedes-Führungsetage die beiden Piloten zwar beeinflussen und ihnen Regeln vorgeben kann, Kontrolle wird sie jedoch nie erlangen. "Genauso wenig wie Frank Williams Nigel Mansell und Nelson Piquet kontrollieren konnte oder Dennis Alain Prost und Ayrton Senna oder Hamilton und Alonso kontrollieren konnte", nannte er historische Beispiele rivalisierender Teamkollegen.

"Man kann keine Katzen in einer Herde halten, man kann einen Vulkan nicht kontrollieren und man kann keine zwei Top-Fahrer im gleichen Team kontrollieren. Wenn man das kann, dann hat man vielleicht die falschen Fahrer, denn dann fehlt der Funke, der sie großartig macht. Mercedes hat zwei Nummer-1-Fahrer engagiert und nichts, was Wolff oder Lauda sagen, kann sie davon abhalten, gegeneinander zu fahren."