Was haben Nico Rosberg und Michael Schumacher gemeinsam? Beide haben schon Formel-1-Rennen gewonnen, beide fuhren für Mercedes, beide gelten als Monaco-Spezialisten - und beide haben neben ihren Sternstunden im Fürstentum auch schon ihre Tiefpunkte erlebt. Der eine in der Rascasse, der andere in der Auslaufzone von Mirabeau. Der Unterschied: Der eine bekam ein Knöllchen, der andere nicht.

"Haben Sie da vielleicht ein bisschen von Ihrem Ex-Teamkollegen Michael Schumacher gelernt, wie man das anstellen könnte, die gute Zeit zu behalten?", wurde Nico Rosberg nach seiner Pole Position von einer Kollegin gefragt. "Also definitiv nicht!", antwortete der Beschuldigte leicht beleidigt darauf. "Das sieht man auch auf den Daten!"

Als Nico Rosberg 33 Sekunden vor dem Fallen der Zielflagge beim Qualifying zum Großen Preis von Monaco seinen Mercedes in die Auslaufzone der Mirabeau bugsierte, fühlte sich jeder an 2006 erinnert. Wie Rosberg hatte damals auch Schumacher die eins vor seinem Namen stehen, ehe der Rekordweltmeister kurz vor dem Ende der Session seinen Ferrari in der Rascasse-Kurve abstellte.

"Ich habe in Kurve 18 ein bisschen überbremst. Hier ist alles so eng und der kleinste Fehler verursacht solche Situationen", versuchte Schumacher den Zwischenfall damals herunterzuspielen. "Ich hatte ein bisschen zu viel drauf und bin aus der Kurve raus getragen worden." Anders als in Mirabeau gibt es aber in Rascasse keine Auslaufzone, also blieb Schumacher mitten auf der Strecke stehen.

Doch damit nicht genug: Der V8-Motor des Ferrari ging aus. "Nicht sofort", sagte Schumacher. "Ich suchte nach dem Rückwärtsgang, wollte dann aber nicht rückwärts in den Verkehr fahren. Dann ist der Motor endgültig ausgegangen."

Bei Rosberg hingegen blieb der Motor an. Die Technik ist ja bereits einen Schritt weiter, eine Power Unit geht nicht einfach so aus. Und so konnte Rosberg den Rückwärtsgang einlegen und wieder zurück auf die Strecke schleichen. Der Effekt war allerdings der gleiche: Lewis Hamilton, Rosbergs ärgster Rivale, musste vom Gas und verlor dabei die Chance auf die Pole. Wie Fernando Alonso 2006.

Während Rosberg straffrei blieb, wurden Schumacher vor acht Jahren sämtliche Zeiten gestrichen. Der Rekordweltmeister musste das Rennen von Startplatz 22 aus in Angriff nehmen. Wurde hier mit zweierlei Maß gemessen, oder gab es Unterschiede?

Schumacher parkte 2006 in Rascasse, Foto: Sutton
Schumacher parkte 2006 in Rascasse, Foto: Sutton

Auf den ersten Blick sah Rosbergs Aktion auch nicht glasklar aus. Schumachers Fehler jedoch war von einem anderen Kaliber. In beiden Fällen analysierten die Stewards of the Meeting Viedeo- und Telemetrie-Aufzeichnungen genauestens. Die konnten 2006 auf Grundlage der von der FIA und Ferrari angelieferten Daten, keinen ersichtlichen Grund finden, warum Schumacher an dieser Stelle so extrem gebremst hatte und mussten daraus schlussfolgern, dass er sein Auto absichtlich an dieser Stelle gestoppt hat.

Vier Stewards schneller als drei

Während bei Schumacher die Analyse bis spät in die Abendstunden andauerte - das Urteil wurde um 22:52 Uhr verkündet -, fällten die Regelhüter bei Rosberg das Urteil schneller. Im Jahr 2014 urteilen schließlich auch vier Stewards, damals waren es lediglich drei. An der Entscheidung hätte aber wohl auch ein Vierter nichts geändert: Das FIA-Urteil bestätigte Rosbergs Aussage. Die Telemetriedaten zeigten, dass sich Rosberg nicht absichtlich oder unnatürlich verbremst hat.

Auch die Expertenmeinungen spiegeln übrigens damals wie heute die Urteile wieder: Während 2006 alle auf Schumacher einprügelten, sind sich bei Rosberg fast alle Experten darin einig, dass der Wiesbadener nicht absichtlich den Bremspunkt für Mirabeau verpasste.

Die Ironie des Schicksals: Ausgerechnet Nico Rosbergs Vater Keke war es, der 2006 am lautesten schrie. Nico holte in Monaco seine sechste Karriere-Pole und überholte damit seinen Vater. Keke Rosberg 2006: "So etwas ist der Untergang für den Sport, diesmal muss Michael als Lügner dargestellt werden. Das passt nahtlos in die Reihe mit Adelaide und Jerez, jetzt ist es wirklich an der Zeit für ihn, aufzuhören. Wenn Nico so etwas machen würde, dann würde ich ihn zurück an die Uni schicken, dann sollte er sofort mit dem Rennfahren aufhören."