Der Formel-1-Saisonauftakt in Australien wurde auch von zahlreichen Personen mit Argusaugen verfolgt, die nicht mehr regelmäßig im Paddock anzutreffen sind. Flavio Briatore, dem einst mächtigen Mann auf der Kommandobrücke bei Benetton und Renault, gefiel dabei gar nicht, wie sich die neue Königsklasse in ihrem ersten Rennen präsentierte.

Verwirrte Zuschauer

"Die Zuschauer verstehen nicht, warum die Fahrer nicht attackieren, wie und warum sie Sprit sparen und weshalb sich selbst Champions weigern, ihre Position zu verteidigen", klagte der Italiener, der seit dem Crashgate-Skandal vor einigen Jahren in Singapur keine offizielle Funktion mehr bei einem Team einnimmt. "Das war ein merkwürdiges Spektakel, das nichts mehr mit dem schönsten Sport der Welt zu tun hatte."

Briatore vertritt die Ansicht, dass es eine falsche Entscheidung war, die Autohersteller das neue Reglement bestimmen zu lassen, da sie das Ziel verfolgten, die Königsklasse mittels Hybridtechnologie grüner zu machen. "Sie haben Ingenieure mit dem Verfassen der Regeln beauftragt, die sich nicht um Fans oder Entertainment kümmern", kritisierte der 63-Jährige.

"Das Ergebnis ist furchtbar. Natürlich stimmt es, dass die Regeln im Prinzip richtig sind, aber wir dürfen nicht vergessen, dass es in der Formel 1 um den Wettkampf zwischen den Fahrern gehen muss", verdeutlichte Briatore seinen Standpunkt in der Gazzetta dello Sport. Die Piloten dazu zu verpflichten, langsamer zu fahren, widerspreche dem Sinn des Rennsports. "Es ist, als würde man eine Regel einführen, laut der Ronaldo den Ball nur zehn Mal im Spiel berühren darf", zog der Italiener den Vergleich zu einer anderen Sportart.

Überhastete Regeländerung

Derzeit würden die Fahrer wie Buchhalter auftreten, befand Briatore nach dem Auftakt in Melbourne, der von Nico Rosberg überlegen gewonnen wurde. "Wenn sich die Formel 1 in naher Zukunft nicht ändert, wird sie das Publikum verlieren", ist er überzeugt und verwies auf die negative Meinungshaltung der Fans rund um den Erdball. "Schaut euch die Kommentare im Internet, in Blogs und auf Twitter an - der Australien GP hat ihnen nicht gefallen. Es war eine nicht zu entziffernde und deprimierende Show."

Briatore zu seiner Zeit als Benetton-Teamchef mit Giancarlo Fisichella und Alexander Wurz, Foto: Sutton
Briatore zu seiner Zeit als Benetton-Teamchef mit Giancarlo Fisichella und Alexander Wurz, Foto: Sutton

Die neue Formel 1, da ist sich Briatore sicher, wurde überhastet ins Leben gerufen, ohne den Teams im Rahmen ausführlicher Testfahrten genügend Möglichkeiten zu geben, sich auf das veränderte Material wie die 1,6-Liter-V6-Turbos einzuschießen. "Deshalb haben auch Vettel und Hamilton im Kampf gefehlt", spielte er auf die beiden prominenten motorbedingten Ausfälle in der Anfangsphase des Rennens an. "Das ist inakzeptabel und jetzt haben wir das Chaos."

Rossi findet's langeweilig

Doch nicht nur Flavio Briatore ist mit der überarbeiteten Königsklasse alles andere als glücklich, auch MotoGP-Star Valentino Rossi, der bereits mehrfach in einem Formel-1-Boliden Platz nahm, rümpfte die Nase. "Ich habe von den neuen Formel-1-Regeln etwas anderes erwartet, stattdessen fand ich es einfach nur langweilig", klagte der Italiener, für den am kommenden Wochenende die Zweirad-Saison in Katar startet. "Ich finde, Motorräder und Autos sollten mit dem Sprit, den sie brauchen, fahren, aber was jetzt geschieht, nur eine Übung für die Ingenieure", kritisierte der Dottore.