Red Bull und Lotus in der Krise, Mercedes und Williams top - aber was macht eigentlich Ferrari? Kein anderes Team hat während der Testfahrten vor der Saison mehr verheimlicht als die Scuderia. Über Maranello schwebt vor dem Start in Australien ein riesengroßes rotes Fragezeichen. Die reinen Zahlen sprechen nicht für Ferrari, doch Vorsicht ist geboten: Das Team ist mehr Dark als Prancing Horse.

Das Team: Ferrari bläst zum millionenschweren Großangriff auf den Titel - besser könnte die Infrastruktur der Italiener in dieser Saison kaum sein. Ferrari ist das einzige Team in der Formel 1, das Chassis und Motor wirklich unter einem Dach produziert. In Maranello ließ Luca di Montezemolo eine neue, dreistöckige Teamfabrik errichten. Eine gebündelte Kampfansage an die Konkurrenz. Enger könnten die Ingenieure nicht miteinander verbunden sein, ein großer Vorteil angesichts des neuen Reglements, das Hand-in-Hand-Arbeit erfordert.

Wie viel Power steckt wirklich im F14 T?, Foto: Sutton
Wie viel Power steckt wirklich im F14 T?, Foto: Sutton

Doch damit nicht genug: Der hauseigene Windkanal - Schwachstelle der vergangenen Jahre - wurde komplett überholt und scheint nun endlich richtig zu funktionieren. Auch in den Simulator wurde viel Geld gepumpt, um perfekt auf 2014 und darüber hinaus vorbereitet zu sein. Mit den beiden Haudegen Pedro de la Rosa und Marc Gene sowie Davide Rigon verfügt Ferrari über das stärkste Test- und Entwicklungsfahreraufgebot der Formel 1.

Die Ingenieursabteilung ist ohnehin top: James Allison leitet die Chassis-Geschicke seit vergangenem September und im Hintergrund werkelt auch noch der ultra-erfahrene Rory Byrne. Das zeigt: Ferrari hat keine Kosten und Mühen gescheut, um an die Spitze zurückzukehren. Das wird auch Teamchef Stefano Domenicali freuen, der schon fast zum Siegen verdammt ist, um seinen Job behalten zu dürfen.

Team - Note: sehr gut

WM-Kandidaten: Ferrari und Mercedes, Foto: Sutton
WM-Kandidaten: Ferrari und Mercedes, Foto: Sutton

Das Auto: Der F14 T ist mehr Stealthbomber als Formel-1-Auto. Nicht wegen seiner Form, sondern aufgrund seiner Performance. Völlig unter dem Radar drehten Fernando Alonso und Kimi Räikkönen unbehelligt ihre Runden während der Testfahrten. Nie schlecht, selten herausragend: Das Potenzial des Staubsauger-Boliden lässt sich anhand der Rundenzeiten kaum einschätzen. Im Schnitt fehlte rund eine Sekunde auf Williams und Mercedes, dafür war der Ferrari beim Topspeed meilenweit voraus. Unwahrscheinlich, dass die Scuderia soweit ab vom Schuss liegt - vieles riecht nach einem Bluff. Es ist inzwischen kein Geheimnis mehr, dass das Team mit dem Auto nicht am absoluten Limit fuhr.

Beim zweiten Test in Bahrain machten Gerüchte die Runde, dass der Ferrari-Motor 75 PS weniger als sein Mercedes-Pendant leiste. "Ich habe die Gerüchte gehört, aber letztendlich gebe ich auf diese Art von Gerüchten nichts", sagte Adrian Sutil, im Sauber ebenfalls Ferrari befeuert, gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Ich vertraue Ferrari, die haben das immer toll hingekriegt." In Bahrain war das Team laut eigener Aussage mit einem Paket unterwegs, das in fast gleicher Form in Melbourne an den Start geht - ein weiterer Bluff, um die Konkurrenz in Sicherheit zu wiegen? Räikkönen und Alonso taten zumindest ihr Möglichstes, nicht über Rundenzeiten zu sprechen.

Ferrari wittert seine Titelchance, Foto: Sutton
Ferrari wittert seine Titelchance, Foto: Sutton

Auto - Note: befriedigend

Die Zuverlässigkeit: Ferrari war nach Mercedes und Williams das drittfleißigste Team während der Testfahrten. Ein Pluspunkt, den Domenicali aber umgehend unter den Tisch kehrte. Platz drei genügt eben nicht den Ansprüchen des Teams. "Mit dem Ende des letzten Trainings sind wir rund 4.000 Kilometer gefahren, Mercedes knapp 5.000 und Williams mehr oder weniger genauso viel", rechnete der Teamchef vor. "Das bedeutet, dass sie am Ende des Tages besser für den Start der Saison vorbereitet sind."

Rückkehrer Räikkönen widersprach seinem Boss und meinte, dass die Rundenanzahl allein nichts über das Kräfteverhältnis aussagt. Der Finne hatte während der Tests mehr zu kämpfen als Teamkollege Alonso, einmal knallte er mit dem F14 T in die Streckenbegrenzung. Auffällig aber: Das Team plagte sich mit vergleichsweise harmlosen Problemen herum - Getriebewechsel und defekte Stecker sollten keinen Anlass zur Sorge geben. Die hauseigene Power Unit funktionierte größtenteils hervorragend. Ferrari scheint in Sachen Zuverlässigkeit gerüstet für das erste Rennen der Saison.

So endete Räikkönens Testtag in Bahrain, Foto: Sutton
So endete Räikkönens Testtag in Bahrain, Foto: Sutton

Zuverlässigkeit - Note: gut

Die Fahrer: Ferrari verfügt mit Alonso und Räikkönen zwar über die stärkste, aber auch über die explosivste Fahrerpaarung der Formel 1. Solange das Team Erfolg hat, sollte es keine größeren Probleme geben. Was aber, wenn es nicht so gut läuft? Räikkönen ist bekannt dafür, schnell die Lust zu verlieren. Eine derartige Attitüde kann er sich bei seinem zweiten Ferrari-Gastspiel allerdings nicht erlauben - zu viel steht auf dem Spiel. Glaubt man den Verantwortlichen, geht der letzte Ferrari-Champion engagiert zur Sache und testet sogar ausgiebig im Simulator. Räikkönen weiß, dass die Chance auf den zweiten WM-Titel kaum besser sein könnte.

Das weiß auch Alonso, bis dato unangefochtener Platzhirsch in Maranello. "Wir versuchen zusammen zu arbeiten", sagte der Spanier jüngst und sorgte damit für das eine oder andere Stirnrunzeln unter Beobachtern. Wahre Freundschaft klingt anders, doch darauf kommt es auch nicht an. "In der Vergangenheit haben solche Rivalitäten zwischen zwei starken Persönlichkeiten durchaus erfolgreich funktioniert", erklärte Alain Prost bei Motorsport-Magazin.com. "Es liegt am Teammanagement, sicherzustellen, dass es funktioniert." Experten sind sich uneinig, wer bei diesem brisanten Duell die Nase vorn hat. Alonso werden zumindest am Saisonbeginn bessere Chancen eingerechnet, weil er die Abläufe innerhalb des Team auswendig kennt.

Alonso oder Räikkönen - wer hat die Nase am Ende vorn?, Foto: Sutton
Alonso oder Räikkönen - wer hat die Nase am Ende vorn?, Foto: Sutton

Fahrer -Note: sehr gut

Redaktionskommentar:

Saisonziel: Ganz klar - der Titel muss her, alles andere zählt nicht

Pro: Täuschen und tarnen: Unter diesem Motto liefen die Testfahrten für Ferrari. Das Team hat seine Karten garantiert noch nicht auf den Tisch gelegt, und das bekommt die Konkurrenz in Melbourne zu spüren. Kaum vorstellbar, dass Ferrari wirklich so viel langsamer ist als die Rivalen aus dem Mercedes-Lager. Einfache Erklärung: Wäre die Lage wirklich so prekär, hätte Luca di Montezemolo schon längst auf den Tisch gehauen. Stattdessen herrscht bei Ferrari so gute Stimmung wie schon lange nicht mehr. Wenn sogar der kühle Räikkönen lacht, kann sich die Konkurrenz warm anziehen. Vielleicht ist es sogar ein spöttisches Lachen ins Antlitz jener, die an der Stärke der Roten zweifeln. Und das Totschlagargument der explosiven Fahrerpaarung gilt auch nicht: Es reicht, wenn am Ende einer der beiden Ferraris ganz vorn landet. Auf jeden Fall ist auf beiden Seiten der Garage hundertprozentiges Weltmeister-Potenzial vorhanden. (Robert Seiwert)

Contra: Ferrari wird auch 2014 die Rückkehr an die Spitze der Formel 1 nicht gelingen. Zwar verfügt die Scuderia mit Fernando Alonso und Kimi Räikkönen über die vielleicht beste Fahrerpaarung im Feld, doch Spannungen zwischen den beiden Alphatieren sind praktisch programmiert - keine guten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Hinzu kommt, dass andere Teams schlicht und ergreifend professioneller aufgestellt sind als die Truppe aus Maranello. Teamchef Stefano Domenicali steht nach einigen kargen Jahren gehörig unter Druck, ist aber nicht jene Autoritätsperson, die Ferrari dringend benötigen würde, um auf die Siegerstraße zurück zu kehren. Daher wird Räikkönens Weltmeistertitel aus dem Jahre 2007 weiterhin der vorerst letzte WM-Pokal im Trophäenschrank zu Maranello bleiben. (Philipp Schajer)

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